Von Meide Wolt – Stuttgart. Die Stuttgarter Stadtverwaltung hatte begonnen, auf der Königsstraße, der Einkaufsmeile der Stadt, Sitzbänke zu entfernen, damit sich Menschen ohne Obdach nicht hinlegen können. Am Samstag, 26. November, versammelten sich 120 Menschen auf der Königsstraße, um gegen die Politik der Stadtverwaltung zu demonstrieren.
Auf mitgebrachten Stühlen ließen sich die Menschen auf der Königsstraße in Sichtweite zum Hauptbahnhof nieder. Damit schufen sie den Raum, den die Stadtverwaltung verschwinden lassen möchte. Nach einigen Reden entstanden aus den Stuhlreihen mehrere Gesprächskreise, in denen über die Situation Obdachloser, Roma, über die Wohnungsnot in Stuttgart und politische Perspektiven gesprochen wurde.
Luigi Pantisano, Stadtrat und Sprecher von Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS), nannte die Maßnahme des Ordnungsbürgermeisters Dr. Martin Schairer eine „unsoziale und unmenschliche Politik“. Der Gemeinderat habe einen Antrag der Fraktionsgemeinschaft SÖS Linke Plus, die Bänke zu erhalten, abgelehnt. „Armut kann nicht vertrieben werden“, so Pantisano. Auch hätten „manche Menschen sich zu einem Leben auf der Straße entschieden, das muss unsere Gesellschaft akzeptieren“, stellte der Stadtrat klar. Seinen vollständigen Redebeitrag gibt´s hier.
Auch ganze Wohnblöcke werden abgerissen
Joe Bauer machte in seiner Rede deutlich, dass in Stuttgart Menschen nicht nur von der Königsstraße verdrängt werden. „In dieser Stadt werden nicht nur Sitzbänke, sondern ganze Wohnblöcke abgerissen“, so Bauer. „Diese Politik hat Methode. Sie heißt arme Menschen raus aus der Stadt“, konstatierte Bauer.
Nico Nissen von der Straßenzeitung Trott-war machte auf die Situation der Roma aufmerksam. „Die Stadt überrascht sie mit Kontrollen, Beschlagnahmungen der Tageseinnahmen und verlegt ihre Schlafplätze“, so Nissen. „Die Stadt gibt lieber 10 000 Euro für die Bänke aus, als für einen Sozialarbeiter, der mit ihnen redet“, klagte Nissen.
Roma dürfen nicht diskriminiert werden
Einige TeilnehmerInnen der Kundgebung verteilten Flugblätter „Bettelnde Roma – welcome!“. Darauf ist die Geschichte einer „Roma-Frau“ erzählt, die im Stuttgarter Schlosspark wohnt. Weiter heißt es: „Sie wissen doch besser als wir, wie man sich trotz Verfolgung und Diskriminierung durchs Leben schlägt, oder? Und wenn dazu das Betteln gehört – wem tut das weh?“
„Die Stadt muss auch zugänglich sein für Menschen, die nichts kaufen möchten“, forderte Prof. Andreas Mayer-Brennenstuhl vom nn-Institut. „Die Ideologie des Konsumismus bestimmt unser Denken und Handeln“ warnte Mayer-Brennenstuhl. Daher begrüßte er die Aktion auf der Königsstraße.
Obdachlose verschwinden nicht einfach
Nadja Wenger von youngcaritas Stuttgart klagte, dass die Stadt 13 500 Euro ausgebe um Sitzbänke zu entfernen, während ihr Verein auf Spenden angewiesen sei, um obdachlose Menschen zu unterstützen. „Das ist nicht die Realität.“, so Wenger. „Obdachlose werden auch noch da sein, wenn wir sie nicht mehr sehen.“
„Gonzo“, Sprecher der Linksjugend Solid, forderte in seiner Rede mehr Hilfe: „Es gibt viele Gründe, warum Menschen obdachlos sind. Sie deswegen zusätzlich zu schikanieren und von den Straßen zu vertreiben, ist untragbar. Vielmehr sollte ihnen Hilfe angeboten werden, wenn sie diese wollen.“ Die Rede kann hier nachgelesen werden.
Videos: Hannes Rockenbauch
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