Von Anne Hilger – Stuttgart. Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linken, ziehen als Spitzenkandidaten ihrer Partei in den Bundestagswahlkampf. Der Wahlkampf werde aber im Team geführt. Die Hauptverantwortung für ihn und für mögliche Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen soll bei den Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger liegen. Der frühere Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Stuttgart wird voraussichtlich ganz oben auf der baden-württembergischen Landesliste der Partei stehen. Er wurde als Kandidat für den Wahlkreis 259 Stuttgart nominiert.
Die Linke will ihr Wahlprogramm im Januar vorstellen. „Wir stehen bereit für einen grundlegenden Politikwechsel“, sagte Bernd Riexinger, als er zusammen mit Katja Kipping die Einigung über die Spitzenkandidatur bekanntgab. Wichtig sei ein „wirklicher Bruch mit der neoliberalen Politik“. Ziel seien auskömmliche Löhne, armutsfeste Renten, eine „Beendigung des Hartz-IV-Regimes“ und ein Mindesteinkommen von 1050 Euro.
Erst vor kurzem hatte die Linke den renommierten Armutsforscher Christoph Butterwegge als Bundespräsidentenkandidat vorgestellt – auch dies ein Signal für einen Politikwechsel hin zu sozialer Gerechtigkeit.
Soziale Gerechtigkeit und Frieden
Parteichef Bernd Riexinger, 61, und die 34-jährige Johanna Tiarks wurden im Alten Feuerwehrhaus Heslach mit jeweils über 90 Prozent der Stimmen als Kandidaten für die beiden Wahlkreise der baden-württembergischen Landeshauptstadt nominiert. Tiarks nannte die Pflegepolitik als Schwerpunkt, Riexinger trat für einen sozialökologischen Umbau der Gesellschaft ein. Die Linke stehe auf zwei Beinen: soziale Gerechtigkeit und Frieden. Die Partei lehne eine europäische Verteidigungsarmee grundsätzlich ab und werde auch weiterhin jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr ablehnen – „auch nicht als Türöffner für eine Regierungsbeteiligung“.
Der bisherige Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Michael Schlecht, seit 2009 im Parlament, tritt altershalber nicht mehr an. Bei der von Barbara Rochlitzer geleiteten Versammlung musste sich vor allem Bernd Riexinger durchaus kritischen Fragen seiner Genossen stellen. Es gab aber keine Gegenkandidaten. Für die beiden Wahlgänge übernahm jeweils der Landesgeschäftsführer der Linken Bernhard Strasdeit das Kommando.
Riexinger: Rechtspopulismus ist „richtig große Gefahr“
Johanna Tiarks, in Schwäbisch Gmünd geboren und alleinerziehende Mutter eines Sohnes, ist ausgebildete Krankenschwester und studierte Pflegemanagement und Pflegewissenschaft. Heute unterrichtet sie beim Kolping-Bildungswerk Pflegeschüler vor allem im Arbeitsrecht. In Deutschland gebe es im internationalen Vergleich besonders wenig Pflegekräfte, monierte sie.
Bernd Riexinger, geboren 1955 in Leonberg und in Weil der Stadt aufgewachsen, lebt seit 1993 in Stuttgart. Der gelernte Bankkaufmann ist seit 2012 Parteivorsitzender der Linken – nach viereinhalb Jahren der dienstälteste der jungen Partei, merkte er auf der Nominierungsversammlung an. Er beschrieb den Rechtspopulismus als „richtig große Gefahr, die wir nicht unterschätzen dürfen“.
Den Rechten den sozialen Nährboden entziehen
In ganz Europa hätten rechtspopulistische und rassistische Politiker Auftrieb. „25 Jahre neoliberale Politik hat den sozialen Zusammenhalt zerstört. Das bildet den Nährboden für diese Entwicklung“, sagte er. Nun helfe weder, rechte Positionen zu verschweigen, noch sie zu übernehmen wie CSU-Chef Horst Seehofer. „Die Linke muss klare Kante gegen Rechts zeigen“, forderte Riexinger. Man gewinne die Auseinandersetzung nicht, wenn man Rechtspopulisten nur als Rassisten bezeichnet. Man müsse auch deutlich machen: „Die Rechten sind die schlimmsten Neoliberalen. Sie stehen für eine repressive Lösung. Sie machen, was sie sagen, und meistens kommt es noch schlimmer. Man muss ihnen den sozialen Nährboden entziehen.“
Die Linke müsse die gemeinsamen Interessen prekär Beschäftigter vertreten. „Wir brauchen keine Befristungen, Leiharbeit, Werkverträge“, stellte Riexinger klar. Es könne auch keine Aussöhnung mit der Agenda 2010 oder mit Hartz IV geben.
Verteilungsfrage steht im Zentrum
Im Zentrum linker Politik müsse „immer die Verteilungsfrage stehen“: „Reiche müssen endlich ordentlich besteuert werden“, forderte er. Dazu: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“. Die Linke lehne eine europäische Verteidigungsarmee grundsätzlich ab und ebenso jeden militärischen Auslandseinsatz. Sie stehe auf zwei Beinen: „soziale Gerechtigkeit und Frieden“. Klar sei dabei aber auch: Die Link könne Veränderungen nicht allein im Parlament erreichen, sondern nur zusammen mit sozialen Bewegungen.
90 Prozent der Linken-Wähler wollten, dass die Partei mitregiert, sagte Riexinger in der Fragerunde. Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung sei, dass die Rente verbessert und der Mindestlohn erhöht wird, dass es eine Umverteilung und keine weiteren Auslandseinsätze gibt. „Mit einer solchen Strategie gehen wir in den Wahlkampf. Dann wird man sehen, ob das nicht auch SPD- und Grünen-Anhänger attraktiv finden.“
Weitere Eindrücke von der Nominierungsversammlung
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