Ulm. Die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüs“ (IGMG) hatte für am Samstag, 17. Dezember, zu bundesweiten Kundgebungen unter dem Motto „Steh auf für Aleppo“ aufgerufen. In Ulm kamen knapp 600 TeilnehmerInnen auf dem Kornhausplatz zusammen. Dass gerade der umstrittene Verein Milli Görüs Veranstalter war, verunsicherte augenscheinlich nicht nur vorbeilaufende Passanten oder Personen, die das Geschehen vom Rand aus beobachteten.
Der Verfassungsschutz des Landes Baden Württemberg sieht die IGMG kritisch: Milli Görüs verfolge die Strategie, die rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um auf lange Sicht die Gesellschaft den religiösen Vorgaben entsprechend auszugestalten. Die Etablierung einer „islamischen Ordnung“ würde jedoch wesentliche Grundsätze der Verfassung außer Kraft setzen, beschreibt der Verfassungsschutz die Organisation. Außerdem sei die IGMG bestrebt, „sich die Unterstützung auch nichtmuslimischer Kreise zu sichern und ihren Einfluss unter Muslimen in Deutschland weiter auszubauen“ heißt es auf der Webseite des Verfassungsschutzes.
Ähnlich der Moscheenverein ATIB. Dieser betreut in Deutschland über 300 Moscheen und gilt als nahestehende Organisation der rechtskonservativen Grauen Wölfe. Die Grauen Wölfe wünschen sich ein großosmanisches Reich. ATIB verbindet einen strengen Islam mit türkisch nationalistischem Gedankengut. Kurden und die PKK sind für die Grauen Wölfe die größten Feinde.
Auch der Ulmer Verein „Menschlichkeit“ machte Werbung
Der Teilnehmerkreis der Kundgebung setzte sich aus Anhängern der genannten Gruppierungen, Syrern mit Revolutionsfahnen, Türken mit nationalen Fahnen und wenigen deutschen Zuhörern zusammen.
Der Ulmer Verein „Menschlichkeit“, der sich für Geflüchtete engagiert, hatte in seiner nicht öffentlichen Facebook-Gruppe auf die Kundgebung hingewiesen. Einzelne Mitglieder waren vor Ort, jedoch laut eigenen Aussagen nicht von offizieller Seite aus, sondern als Privatpersonen. Sie distanzierten sich im Nachhinein, da sie wohl zu spät mitbekommen hatten, welche Organisatoren hinter dem Aufruf standen.
Fahnen, Plakate, Parolen
Welche Fahnen zugelassen waren, wurde vorab durch die Organisatoren des IGMG Ulm festgelegt. Erlaubt waren demnach syrische, türkische und deutsche Fahnen, ebenso Plakate und Fahnen der streng Islam-konservativen Religionsgemeinschaft IGMG, der türkischen, islamischen Regionsbehörde DITIB und des Moscheenvereins ATIB. Nicht erlaubt waren nach Angaben eines Verantwortlichen Fahnen von Parteien. Auch vorgefertigte Plakate unter anderem mit Aufschriften wie „Stop the war“, „Hand in Hand mit Aleppo“ und „Save Aleppo Save Humanity“ wurden an die TeilnehmerInnen verteilt.
Als ein junger Mann mit einer Erdogan-Fahne auftauchte, wurde er sofort von Ordnern zurechtgewiesen. Unter ihnen befanden sich laut einem Organisator auch kurdische Bürger. Er musste die Fahne einrollen, bevor er die Kundgebung betreten durfte.
Verunsicherte Passanten und ratlose Polizei
Zu Beginn der Veranstaltung wurde darauf hingewiesen, dass die Reden in türkischer, arabischer und deutscher Sprache abgehalten werden. Inwiefern die Übersetzungen eins zu eins stattfanden, war nicht nachzuvollziehen. Es gab keine direkten Übersetzungen durch Dolmetscher, sondern die Reden wurden von verschiedenen Personen vorgelesen. Auch die Polizei, die mit etwa zehn BeamtInnen und Personen vom Staatsschutz vor Ort war, sowie der Leiter des Ulmer Ordnungsamtes wirkten teilweise ratlos.
Ähnlich erging es wohl auch vielen Passanten, denen sich nicht erschloss, warum Menschen in Gebetshaltung auf dem Kornhausplatz standen und in regelmäßigen Abständen immer wieder Allahu akbar riefen. Ein Mann stellte die Frage: „Verbrennen die jetzt hier dann die russische Fahne?“, nachdem er mitbekommen hatte, dass es um die Unterstützung von Aleppo geht.
Es wurden Geld und Hilfsgüter gesammelt
Im Lauf der Kundgebung bildete sich vor der Rednerbühne eine Gruppe syrischer Männer, die durch laute, impulsive Rufe immer wieder zur Verunsicherung umstehender Personen beitrugen, da nicht ersichtlich war, was gerufen wurde. Uns gegenüber erklärten Beteiligte, dass die Männer aus Aleppo stammten und deshalb emotional sehr stark betroffen seien.
Unter anderem wurde gefordert, Kriegshandlungen sofort einzustellen, Waffenlieferungen zu stoppen, Parteien an einen Tisch zu Verhandlungen zusammenzusetzen sowie Bitten nach humanitärer und medizinischer Hilfe zu leisten. Nach anderthalb Stunden ging die Kundgebung, die mit einem muslimischen Gebet begonnen hatte, friedlich zu Ende.
Zuvor hatten die Organisatoren um Geld-, Kleider- und Lebensmittelspenden gebeten, die mit einem Konvoi direkt nach Aleppo gebracht werden sollen.
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