Von unseren ReporterInnen –Stuttgart. „Freiheit für alle politischen Gefangenen“: Das war die am häufigsten skandierte Parole bei einer Solidaritäts-Demonstration mit Gefangenen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stammheim am eiskalten Silvesterabend. An die 200 Menschen beteiligten sich an dem „Knastspaziergang“ mit Fackeln rund um das Gefängnis. Neben Sprechchören und revolutionären Liedern vom Band grüßten Böller und Raketen die Inhaftierten.
Viele kamen an die vergitterten Fenster, riefen ihrerseits – zum Teil auf türkisch oder kurdisch – Parolen und freuten sich erkennbar über den Besuch. Die Polizei hielt sich zurück. Solche „Knastspaziergänge“ gibt es in Stammheim seit 1989, sagte ein Sprecher bei einer kurzen Auftaktkundgebung an der U-Bahn-Haltestelle Stammheim.
Die Demonstration richtete sich gezielt gegen die Paragrafen 129 des Strafgesetzbuchs (Bildung krimineller Vereinigungen) (Siehe auch „An Silvester gegen Repression„). Nach Paragraf 129 b (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland) werden immer wieder Kurden verurteilt, die angeblich die PKK unterstützen. Zu der Demonstration hatte die Revolutionäre Aktion Stuttgart aufgerufen.
Stimmen gegen das „System Gefängnis“ werden lauter
„Wir grüßen alle, die Silvester in Solidarität mit Gefangenen vor die Knäste gehen“, sagte ein Sprecher des Bundesweiten Free-Mumia-Netzwerks bei der Auftaktkundgebung. Regierungen maßten sich an, Menschen einen Teil ihres Lebens zu rauben, um allen klarzumachen, dass der Schutz des Eigentums das höchste Maß aller Dinge in dieser Gesellschaft sei. Der Knast stelle das letzte Glied in einer Kette von Repressalien dar, die darauf zielten, alle immer wieder dem Zwang zur Arbeit zu unterwerfen, die Ausplünderung des Planeten und der Gesellschaft durchzusetzen.
Es gebe jedoch vielfältige Formen des Widerstands. Mumia Abul-Jamal kämpfe etwa weiter mit anderen Gefangenen in Pennsylvania für das Recht auf gesundheitliche Vorsorge gegen Hepatitis C, an der 400 000 Häftlinge in den USA erkrankt seien. Auch hierzulande würden „Stimmen gegen das System Knast“ lauter. So kämpfe etwa die neue Gefangenen-Gewerkschaft bundesweit um soziale Mindeststandards (siehe auch „Solidarität hinter Gittern„, „Gegen Zwangsarbeit und Billiglöhnerei“ und „Gefangene gründen Gewerkschaft„).
Abstecher zum Rohbau des Oberlandesgerichts
Auf dem Weg durch die Aspergstraße wurden die ersten Silvesterkracher gezündet. Vor dem Eingang der JVA standen Polizeibusse und -motorräder bereit. Der Demozug wurde jedoch letztlich nur von zwölf Polizisten begleitet, die in einigem Abstand und meist ziemlich entspannt voraus liefen. Weitere Parolen waren etwa „Solidarität mit Rojava, weg mit dem Verbot der PKK“, „Hoch die internationale Solidarität“, „129, das kennen wir schon – Feuer und Flamme der Repression“ oder „Schulter an Schulter, Krieg dem Faschismus“.
Besonders viele Raketen und Böller wurden vor der Mauer und dem Hochsicherheits-Zaun auf der Rückseite des Gebäudes gezündet. Dort kam auch besonders starkes Echo von Seiten der Gefangenen aus der JVA. Die begleitenden Polizisten zeigten sich kurz irritiert, als der Demozug unvermutet nach rechts abbog, um vor dem Rohbau des neuen Oberlandesgerichts Halt zu machen. Zurück am Haupteingang der JVA wurde nochmals Feuerwerk gezündet. „Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen“, skandierten die Versammelten. Dann zogen sie in zügigem Tempo zurück zur U-Bahn-Station. Der Abend war ohne Zwischenfälle verlaufen. Die Demosanitätsgruppe Südwest, mit drei Helfern vor Ort, musste nicht eingreifen.
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