Von Tape Lago – Frankfurt. VertreterInnen von Flüchtlingshelferkreisen und weitere AntifaschistInnen demonstrierten am Samstag, 7. Januar, in der Frankfurter Innenstadt für Menschenrechte und gegen Nationalismus, Faschismus und Diskriminierung. Für die Zunahme rechtsmotivierter Straftaten seien auch staatliche Organe mitverantwortlich, erklärte der Organisator. Von der Hauptwache zogen die Protestierende zur Generalstaatsanwalt und schlossen sich dem Demozug gegen Abschiebung nach Afghanistan an (siehe auch „Über 2000 Menschen fordern Abschiebestopp„).
„Die Zustände spitzen sich zu“, sagte Andreas Bender. „Und das nicht nur in Rhein-Main, Hessen oder Deutschland, sondern in großen Teilen der Welt. Das sollte uns alle beunruhigen“ legte er nach. Der Betreiber einer Werbeagentur und Druckerei in Offenbach initiierte im Sommer 2015 das „Flüchtlingsprojekt Rhein-Main hilft!“, welches mit der Unterstützung weiterer Firmen wie der Stadtmobil Rhein-Main GmbH oder der Spedition Gebr. Thomaidis GmbH, diversen Initiativen und in Zusammenarbeit mit dem Arbeiter-Samariter-Bund viele tausend Hilfsgüter sammelte und sie Flüchtlingen so unbürokratisch wie möglich zukommen ließ.
14 000 Hilfsgüter für Flüchtlinge
Mit Stand 2. Januar 2017 seien rund 14 000 Hilfsgüter gesammelt worden, die erst Flüchtlingen im Rhein-Main-Gebiet, später auch in Nordhessen, in Köln, auf dem Balkan und in Griechenland zu Gute kamen und kommen. „Von Kleidung und Hygieneartikeln über Decken, Lernutensilien und Spielsachen bis hin zu Rollstühlen und Kinderwagen war alles dabei“, so Bender.
Drohungen und Gewalt gegen FlüchtlingshelferInnen
Doch dieses Engagement ist manchen Menschen ein Dorn im Auge. Bender und seine MitarbeiterInnen erhielten Anfang Januar 2016 eine Morddrohung. Auch die Bürgermeister und Parteien in Neu-Isenburg und Dreieich hätten Drohbriefe erhalten. Der Landrat des Main-Kinzig Kreises, Erich Pipa, habe sich von Polizei und Staatsanwaltschaft im Stich gelassen gefühlt und wolle aufgrund zahlreicher Drohbriefe seine politische Laufbahn beenden.
Erst Anfang Dezember wurde ein Anschlag auf das Bistro des Flüchtlingshilfeprojektes Project Shelter in Frankfurt-Bornheim verübt. „Wer sich für Minderheiten einsetzt, läuft Gefahr, zur Zielscheibe frustrierter, rechter MitbürgerInnen zu werden“, so Bender. „Und so wie ich das sehe, sieht der Staat ganz bewusst weg. Das ist ein Skandal“ deutete der Organisator der Demonstration an.
„Politik und Justiz heizen die rechte Stimmung oft an“
Knapp zwei Dutzend Menschen folgten dem Aufruf und zogen durch Frankfurts Innenstadt. „Das sind weniger als ich erhofft hatte“, sagte Bender, „aber viel mehr war auch nicht zu erwarten“. Mehrere Busse mit Antifaschisten seien heute in Dessau, um Oury Jallohs zu gedenken, der heute vor zwölf Jahren an Händen und Füßen gefesselt in einer Polizeizelle verbrannte. Jalloh habe sich selbst angesteckt, behauptete die Polizei. Der Fall sorgt bis heute immer wieder für Schlagzeilen.
„Außerdem findet ab 14 Uhr eine Demonstration gegen die Abschiebung von afghanischen Hindus und Sikh statt“, so Bender. „Die zog auch wieder Teilnehmer ab. Und wir hatten auch leider nicht einmal eine volle Woche für die Mobilisierung.“ „Politik und Justiz heizen die rechte Stimmung oft an“, sagte Bender. Und in seiner Auftaktrede nannte er zahlreiche Beispiele. Angefangen beim NSU-Skandal über missinterpretierte Statistiken bis hin zu Polizeibeamten, die bei Ermittlungen gegen rechte Straftäter zurückgepfiffen würden. „Das sind deutliche Signale an die Rechten: ‚euch passiert hier nichts‘. Natürlich werden sie dann immer mutiger und verbreiten ihre Hetze und ihre Lügen. Und das nicht nur auf Facebook“, bekräftigte Bender.
Besuch bei der Generalstaatsanwaltschaft
Vor der Generalstaatsanwaltschaft schilderte Bender seine eigenen Erfahrungen mit einer Morddrohung gegen ihn und seine MitarbeiterInnen. „Rechte forderten von uns, unser Engagement im Rahmen des Flüchtlingsprojektes Rhein-Main hilft! einzustellen, da ansonsten auf uns geschossen werde“, so Bender. Er erstattete Strafanzeige, warf diese sogar persönlich in den Briefkasten des 1. Reviers in Offenbach. „Aber scheinbar ging sie in den Weiten des Briefkastens verloren. Denn als ich nach einigen Tagen nachhakte, hieß es, es läge keine Anzeige vor“, so Bender.
Dann verweigerten die Beamten vehement die Annahme der zweiten Strafanzeige. „Allein das ist schon illegal“, betont Bender. „Erst als wir diesen Skandal öffentlich machten, fanden die Beamten die erste „verlorene“ Anzeige wieder und leiteten diese an die für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsanwaltschaft Darmstadt weiter.“ Doch diese habe die Ermittlungen massiv verschleppt, bis die Täter nicht mehr ermittelt werden konnten – und schließlich eingestellt.
Zweifel an Rechtsstaatlichkeit
Bender vermutete Vorsatz und legte Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ein, forderte eine Überprüfung. Doch die Generalstaatsanwaltschaft habe wiederum kurzerhand die Staatsanwaltschaft Darmstadt damit betraut. „Somit überprüfte die „Beschuldigte“ sich selbst. Ist das noch ein Rechtsstaat?“, fragte sich Bender. Nach dem „Besuch“ bei der Staatsanwaltschaft, schlossen sich die Demonstration gegen rechte Gewalt dem Demonstrationszug gegen die Abschiebung nach Afghanistan an.
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