Von Angela Berger – Neckarwestheim. Die EnBW will 15 Castoren mit 342 verbrauchten Brennelementen vom 2005 abgeschalteten Kernkraftwerk Obrigheim per „unsinkbarem“ Schiff auf dem Neckar nach Neckarwestheim befördern. Das bestätigte sie im Juni. Um Protestaktionen gegen den gefährlichen Castortransport zu koordinieren, wurde im Herbst das Regionalplenum des Initiativen-Zusammenschlusses „Bündnis Neckar Castorfrei“ gegründet. Geplanter Beginn einer „Infowelle“ gegen den Castortransport ist am Samstag, 21. Januar. In Planung ist auch eine große Protestaktion – voraussichtlich am 5. März in Neckarwestheim.
Zum ersten Mal soll stark radioaktiver Atommüll auf dem Neckar transportiert werden. Dabei führt der gefährliche Transport auf dem Binnengewässer durch dicht bewohnte Gebiete mit 18 Anliegergemeinden. Jeder Transport soll laut EnBW eine Castor-Fahrzeit von etwa zwölf Stunden haben. Die Transportstrecke auf dem Neckar ist rund 50 Kilometer lang. Es gibt sechs Schleusen und viele Brücken.
Kostenersparnis statt Sicherheit
Ein Grund für diesen Transport ist die Kostenersparnis für die EnBW, die sich bisher erfolgreich geweigert hat, ein Standort-Zwischenlager für das AKW-Obrigheim zu bauen, obwohl dafür bereits eine behördliche Genehmigung beantragt wurde.
Statt dessen verschiebt die EnBW den Atommüll nun kostengünstig nach Neckarwestheim, und das mit der Billigung einer grün geführten Landesregierung.
Seit August 2016 gibt es bereits die Einlagerungsgenehmigung für die Obrigheim-Castoren in Neckarwestheim. Lediglich die Beförderungsgenehmigung steht noch aus. Ob und wann das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) die Genehmigung erteilt, ist noch offen.
Neckarwestheim allenfalls Zwischenlösung
EnBW und das Umweltministerium versprechen eine „grüne Wiese“ in Obrigheim. Den Bürgern soll mit dieser Bezeichnung ein irreführendes Bild von einem rückstands- und strahlungsfreien Rückbau eines Atomkraftwerkes vermittelt werden. Es gibt aber auf dem AKW-Gelände in Obrigheim nicht nur die für die Castoren vorgesehenen 342 hochradioaktiven Brennstäbe. Dort fällt im laufenden Prozess des AKW-Abriss weiterer stark strahlender Atommüll an. Auch für ihn gibt es bis heute kein „sicheres Endlager“.
Bisher wurden noch nie Castoren auf einem Binnengewässer transportiert. Doch auch in Neckarwestheim gibt es eine „Lösung“ für diese Castoren nur für eine begrenzte Zeit. Eines der Hauptargumente für den Atomausstieg ist die nicht gesicherte Entsorgung der radioaktiven Abfälle. Da hilft auch kein Hin- und Hergeschiebe der gefährlichen Fracht.
Gemeinde befürchtet End- statt Zwischenlager
Auch der Bürgermeister der Gemeinde Neckarwestheim will die geplante Zwischenlagerung auf dem Gebiet seiner Gemeinde verhindern, „Es gab Zusagen, daran hat sich die Politik zu halten“, so Jochen Winkler. Die Gemeinde Neckarwestheim hatte ihre Bedenken in das Genehmigungsverfahren eingebracht. Dennoch wurde die Genehmigung zur Einlagerung im August 2016 erteilt.
Die Bürger befürchten, dass aus dem „Zwischenlager“ ein „Endlager“ werden könnte. Mehrheitlich sei die Gemeinde gegen die Einlagerung von Müll aus einem anderen Kraftwerk, so Winkler in einem Beitrag des SWR vom Juni des letzten Jahres.
„Atommüll-Shuttle auf dem Neckar“
Heftige Kritik kam bei der Bekanntgabe der Pläne auch vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Baden-Württemberg gegen einen „Atommüll-Shuttle auf dem Neckar“. „Ein Castortransport ist ohnehin schon mit hohen Risiken behaftet“, gab BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender zu bedenken. Dazu komme, dass es „keinerlei Erfahrungswerte mit Castoren auf Binnengewässern“ gebe. Schon der kleinste Zwischenfall könne „unabsehbare Folgen für Mensch und Umwelt haben“. „Alles ist besser als der Transport“, so Dahlbender.
Initiative „Neckar Castorfrei“ ist aktiv
Um Protestaktionen gegen diesen gefährlichen und sinnlosen Castortransport zu koordinieren, wurde im Herbst das Regionalplenum des Initiativen-Zusammenschlusses „Bündnis Neckar Castorfrei“ gegründet. Die Gruppe plant Informations- und Protestaktionen in den anliegenden Gemeinden. Die „Infowelle“ soll am Samstag, 21. Januar starten. Eine große Protestaktion soll voraussichtlich am 5. März – vermutlich vor Ort in Neckarwestheim – folgen.
Die Initiative ruft auf, „jetzt im Vorfeld zu diesem sinnlosen Castortransport-Protestaktionen entlang der geplanten Neckar-Transportstrecke durchzuführen, auf vielfältige Art und Weise die Ablehnung zu zeigen und zu visualisieren“.
Weitere Infos und Mitmach- und Spendenmöglichkeiten finden sich auf der Homepage der Initiative „Neckar Castorfrei“.
Die Forderungen des Zusammenschlusses:
„Keine Atommüllverschiebung – Bau eines Zwischenlagers in Obrigheim! Keine weitere Atommüllproduktion – Atomausstieg sofort!“ Auch einen Twitteraccount @NeckarXCastor und eine Facebookseite gibt es bereits. „Neckar Castorfrei“ führt auf ihrer Webseite aus, in Neckarwestheim stehe das letzte noch nach Tschernobyl ans Netz gegangene Atomkraftwerk in Deutschland. Es dürfe noch bis 2023 weiteren Atommüll produzieren.
Dieses AKW habe ein Zwischenlager für 151 Castoren in Tunnelröhren im Steinbruch. In diesem Steinbruch seien im Untergrund aufgrund von Auswaschungen riesige Hohlräume. Um den Untergrund abzusichern und um ein weiteres Absinken des Kühlturms vom noch laufenden EnBW-AKW GKN II zu verhindern, mussten bereits viele Millionen Euro in Beton investiert werden.
Als weiteres Argument für den Transport auf dem Neckar werde angeführt, dass bei den bisherigen Straßen- und Schienentransporten viele Störaktionen erfolgt seien. Bei einem Schiffstransport auf dem Neckar wären sie nicht möglich.
Infoblock: Wohin mit dem hochradioaktiven Atommüll?
Seit Jahrzehnten wird schon darüber verhandelt und nachgedacht, was man mit dem radioaktiven Atommüll machen soll. Bisher gab es für dieses Problem keine langfristige Lösung. Die wäre aber nötig, weil der Atommüll noch auf Generationen weiterstrahlen wird. Es wird zwar viel von „Endlagern“ gesprochen, in Wahrheit wird bisher der Atommüll nur von A nach B transportiert um ihn dann eben in ein „Zwischenlager“ zu deponieren. Bisher versprechen die Politiker aller Parteien nur unrealistische Scheinlösungen, um dieses Thema möglichst aus der Öffentlichkeit zu halten.
Auch bei dem „Endlagerprojekt Gorleben“ ist sich auch nach einer „Erkundung“, die jetzt schon seit 1977 (mit Unterbrechung) bis heute andauert, weder die Wissenschaft noch die Politik einig über die Eignung des Salzstockes für den stark radioaktiven Atommüll. Trotz intensiver Forschung wurde noch keine Lösung gefunden. Jahr für Jahr wird trotzdem weiterhin Atommüll produziert, ohne zu wissen wohin damit.
Seit 1995 ist das „Transportbehälterlager Gorleben“ in Betrieb. Sigmar Gabriel (SPD), damals Umweltminister, erklärte zwar 2009 den Standort Gorleben für tot und gab der CDU die Schuld, die das“auf Biegen und Brechen durchsetzen wollte“. Doch seit Jahrzehnten versprechen die Politik und die jeweils wechselnden Regierungsparteien dennoch der Öffentlichkeit weiterhin unrealistische Scheinlösungen im Umgang mit dem hochradioaktiven Atommüll.
„Standortauswahlgesetz“ und „Endlagersuchkommission“ sind die neue Zauberformeln. 2031 soll der Bundestag/Bundesrat den Standort für das sogenannte Endlager festlegen, 2050 soll es dann in Betrieb gehen. Nun hat selbst der in der Endlagersuchkommission sitzende Bruno Thomauske (der ein Gorleben-Befürworter war und ist) in einer Studie dargelegt, dass dieser Zeitplan nicht einzuhalten sei. Ein sogenanntes „Endlager“ kann seiner Meinung nach realistisch bis 2079 gefunden und bis 2099 genehmigt werden. Als Zeitraum, bis alle Castoren eingelagert wären, geht man von bis zu 80 Jahren aus.
Der Flyer Neckar castorfrei! kann hier heruntergeladen werden
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