Von Franziska Stier – Basel. Rund 500 Menschen demonstrierten am Samstag, 21. Januar, gegen die Massenkündigung von Wohnungen an der Mülhauserstraße 26 in Basel. Den Höhepunkt der Demonstration bildete eine Menschenkette um das Gebäude der betroffenen MieterInnen.
Den zumeist älteren Mieterinnen und Mietern flatterte im Frühjahr 2016 die Kündigung ins Haus. Grund ist ein Sanierungsvorhaben der Liegenschaftsverwaltung–der Pensionskasse Basel-Stadt. Die BewohnerInnen werden also von ihrer eigenen Altersvorsorge auf die Straße gesetzt.
Einblick in das Schweizer Rentensystem
Das Schweizer Rentensystem ist ein Dreisäulenmodell. Dazu gehört nicht nur die umlagefinanzierte AHV (Alters- und Hinterbliebenenversicherung), sondern auch die kapitalgedeckte betriebliche Altersvorsorge (BVG) und die weitestgehend unreglementierte, kapitalgedeckte private Vorsorge.
Die Kündigung an der „Müli 26“ ist kein Einzelfall. Im Januar 2012 kündigte die Pensionskasse Basel-Stadt den BewohnerInnen der Wittlingerstraße 130 und zu Beginn 2013 die Basellandschaftliche Pensionskasse den MieterInnen am Burgweg.
Die Gründe für die Kündigungen scheinen diffus, haben aber jeweils ein Ziel: „zeitgemäße Rendite“ für die AnlegerInnen. Je größer die Unsicherheit auf den Finanzmärkten ist, desto schwieriger ist es auch, die vereinbarten Renditen für die eingezahlte Rente zu erbringen. Dazu muss man sagen, dass mittlerweile beinahe alle Pensionskassen ihre Leistungen nach unten geschraubt haben – gegen den Widerstand der Gewerkschaften.
Der Wohnungsmarkt boomt
Der Wohnraum in Basel ist knapp, und auch die Wohnquartiere, in denen die Mieten noch bezahlbar sind, sind von Aufwertung und den damit verbundenen Mietpreissteigerungen bedroht. Die Leerstandsquote lag 2016 bei 0,4% Prozent und dürfte sich seither nicht wesentlich gebessert haben. Entsprechend rentabel sind Kernsanierungen. Wer in Basel-Stadt leben möchte, hat kaum eine andere Wahl, als dies hinzunehmen und die höheren Mieten zu zahlen, auch wenn das Wohnobjekt objektiv betrachtet keiner Sanierung bedarf.
Soziale Beziehungen werden weggewischt
Die Pensionskassen verhalten sich hier genauso wie alle übrigen Finanzmarktdienstleister. Urs Wiget, Mieter an der Mülhauserstraße, berichtete in seinem Kundgebungsbeitrag vom Ablauf der Kündigung. Dabei zeigte sich die Immobilien Basel-Stadt, die kantonale Liegenschaftsverwaltung, erst durch den Druck der Petition und durch den kollektiven Widerstand der BewohnerInnen ein Stück weit zugänglich und bot an, sie bei der Wohnungssuche zu unterstützen.
Doch das allein hilft den Pensionierten nicht. Am Ende geht es nicht nur um ein neues, bezahlbares Obdach. Gerade Mieterinnen wie Margrit Benninger (92) wollen nicht einfach in ein neues Quartier versetzt werden. Die Mieterschaft an der Mülhauserstraße ist eine echte Hausgemeinschaft, die sich unterstützt und aufeinander Acht gibt. Es geht hier um soziale Beziehungen und Autonomie im Alter, die mit der Wohnungskündigung weggewischt werden, als wären sie für ein würdiges Leben bedeutungslos.
Im Widerstand entstanden auch Freundschaften
Nicht nur die Mieterinnen und Mieter wehren sich gegen die Kündigung. Sie erhalten vielfältige Unterstützung. Der Mieterverband Basel-Stadt unterstützte sie bisher nicht nur juristisch und im Sammeln einer Petition, sondern wird in den nächsten Monaten auch eine Initiative zur Abstimmung bringen, die ältere Menschen vor Vertreibung durch Wohnungskündigung schützt.
Erwähnenswert ist auch das Umfeld der Wasserstraße – ein alternatives Wohnprojekt – bei dem sich Margrit Benninger in ihrem Redebeitrag liebevoll für die Organisation der Demonstration bedankte.
Erstaunlicher und schöner als die breite Solidarität und die lebhafte Demonstration selbst ist, dass es den Akteurinnen nicht nur um Gentrifizierungskritik geht. Es haben sich in diesem Widerstand auch Freundschaften entwickelt, die bedingungslos erscheinen.
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