Von Meide Wolt – Stuttgart. Zu einem Fachtag über Gambia kamen am Samstag, 21. Januar, 250 Menschen aus ganz Baden-Württemberg im Willi-Bleicher-Haus in Stuttgart zusammen. Der ehemalige Präsident Gambias Yahya Jammeh hatte zwei Monate nach seiner Abwahl das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahlen doch anerkannt. Nun wurde auf der Tagung kontrovers darüber diskutiert, ob jetzt wieder vermehrt mit Abschiebungen aus Deutschland nach Gambia zu rechnen ist.
Zur Eröffnung des Fachtags berichtete Omar Gassama über die Präsidentschaftswahlen Anfang Dezember 2016, über die Weigerung des seit 22 Jahren an der Macht stehenden Ex-Päsidenten Yahya Jammehs, das Wahlergebnis anzuerkennen, und über die aktuelle Situation in Gambia. Nachdem der ehemalige Präsident Yahya Jammeh die Wahl nicht anerkannt hatte, hatte die Economic Community of West African States (ECOWAS) zunächst versucht, diplomatisch Druck auszuüben, und schließlich Soldaten in das Land geschickt.
Laut einem Bericht von Spiegel Online hatte Yahya Jammeh in diesen Tagen überraschend bekannt gegeben, das Wahlergebnis doch anzuerkennen. Gassama äußerte seine Hoffnung, dass sich das Land in Zukunft wieder erholen könne und es für hier lebende Menschen aus Gambia möglich werde zurückzukehren, um am demokratischen Aufbau mitzuarbeiten.
Das Podium im Saal wurde zunächst von drei Männern – Kalilu Banja, Ebou Sarr und Omar Gassama – besetzt. Nach dem Protest der Menschenrechtsaktivistin Awa Njie wurde es um selbige als Podiumsteilnehmerin erweitert. Njie forderte die Frauen auf, sich ihr Mitspracherecht zu erkämpfen.
Auch ein wohl männlicher Teilnehmer sagte: „Ich will keine Männer sehen, die für Frauen reden.“ „Während viele Männer nach Europa gekommen sind, sind viele Frauen immer noch in Gambia und kämpfen dort für ein besseres Leben“, sage er weiter. Er sprach sich dafür aus, nicht in Europa, sondern in Gambia für eine bessere Zukunft zu kämpfen: „Nicht nur der Präsident ist unser Problem, auch die Art und Weise, wie wir über uns denken.“
Ein anderer Teilnehmer fragte: „Welche Sicherheit haben wir, dass Gambia jetzt ein sicheres Land ist?“. Nach 22 Jahren Diktatur, Entführungen, Folter und Tod könne keine Besserung innerhalb von zwei Wochen erwartet werden. Einige Teilnehmer warfen dem neuen Präsidenten Adama Barrow vor, im besten Hotel in Senegal seinen Wahlsieg zu feiern, während 46 000 Geflüchtete aus Gambia hinter der Grenze in Senegal auf der Straße schlafen.
Auch wird befürchtet das Yahya Jammeh Rebellen finanzieren könnte, um das Land zu destabilisieren. „Die Menschen in Gambia sind nicht sicher, und die Menschen hier können nicht nach Gambia zurück gehen“, so der Teilnehmer. „Wir können dieser neuen Regierung auch nicht vertrauen.“ „Ich werde hier bleiben, ich sehe meine Zukunft hier in Deutschland“, schloss er seine Rede.
Trotz der weiterhin unsicheren Situation und der schlechten ökonomischen Perspektiven befürchtet Rechtsanwalt Manfred Weidmann nach dem Regierungswechsel wieder vermehrte Abschiebungen nach Gambia. Viele Menschen aus Gambia haben zur Zeit ihre Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flucht (BAMF). Die meisten Abschiebungen hatten bisher im Rahmen der Dublin-Abkommen in die südlichen Grenzstaaten Europas stattgefunden.
In einem Workshop über „Frauenspezifische Fluchtgründe bei Frauen aus Gambia“ stellten Awa Njie und Doris Köhncke die konkreten Lebensverhältnisse von Frauen in Gambia vor. Viele Lebensabschnitte werden von den Deutschen nicht ausreichen verstanden, versuchten die Referntinnen deutlich zu machen. Beispielsweise können Frauen, die flüchten müssen, sich nicht einfach ohne einen Mann innerhalb Gamias aufhalten. Ein wichtiges Thema sind ihnen die Genitalverstümmelung, die immernoch eine übliche Praxis im Land seien, wie Njie klagte. Sie erklärte: „Frauen, die nicht wollen, dass ihre Kinder einer Genitalverstümmelung unterzogen werden sind gezwungen, aus ihrer Familie zu fliehen und aus der Gemeinschaft zu fliehen“.
Im Anschluss an die Workshops besprachen die TeilnehmerInnen gemeinsam ihre Ergebnisse und diskutierten zusammen mit der Bundestagsabgeordneten der Linken Annette Groth über mögliche Perspektiven. Diskutiert wurden die Abschiebungen aus Deutschland in andere EU-Länder. Groth forderte, die Dublin-Abkommen komplett zurückzunehmen. Eine Teilnehmerin machte in der Diskussion auf die unsichere Situation von Frauen in deutschen Flüchtlingsunterkünften aufmerksam. Sie berichtete von Unterkünften, in denen die Schlafräume nicht abgeschlossen werden können und es nur gemeinsame Sanitäranlagen gebe.
Der Fachtag über Gambia wurde vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg organisiert und fand zweisprachig in Englisch und Deutsch statt. Das Interesse an dem Thema wurde deutlich, als Ehrenamtliche großen Zuspruch erfuhren, die im letzten Jahr eine Petition starteten, in der sie einen Abschiebestop nach Gambia forderten. Der große Zuspruch zur Petition hatte die Initiative aus Breisach dazu bewogen, zusammen mit anderen Initiativen und dem Flüchtlingsrat eine Gambia-Aktionswoche im Dezember 2016 durchzuführen.
„Wir haben mit der Aktionswoche ein deutliches Zeichen gesetzt, dass Gambia kein sicheres Herkunftsland ist“, machte Julian Staiger vom Flüchtlingsrat deutlich. „Den Menschen muss die Chance gegeben werden, hier eine Ausbildung zu machen, damit sie zurück gehen können, wenn sich die Situation verbessert und wenn sie das möchten.“ Entschieden sprach er sich auch mit Blick auf die neuen politischen Verhältnisse in Gambia gegen Abschiebungen in das Land aus.
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