Von Markus Rolle – Stuttgart. Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart versammelten sich am Donnerstag, 27. Januar, 40 Menschen, um ihre Solidarität mit Muhlis Kaya auszudrücken. Kaya wir beschuldigt, in Deutschland für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gearbeitet zu haben. Der Zeuge des 16. Tages dieses Prozesses vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg belastete Kaya, weil dieser an öffentlichen Veranstaltungen in Stuttgart teilgenommen habe.
Vor dem Eingang zum Oberlandesgericht hielt Sariyilwiz Faysal von der Demokratischen Partei der Völker (HDP) eine Rede. Er verdeutlichte, dass Angeklagte wie Kaya erst in der Türkei und dann auch noch in Deutschland wegen der gleichen Beschuldigungen verhaftet werden. Ähnlich argumentierte ein Sprecher der Initiative Kurdistan: „Die verschärfte Repression gegen die kurdische Bewegung hier steht in direktem Zusammenhang mit der Zunahme des Staatsterrors in der Türkei.“
Ein Sprecher am sogenannten „offenen Mikrofon“, an dem alle KundgebungsteilnehmerInnen sprechen können, beschrieb, wie kurdisch-sprachige Menschen in der Türkei beschuldigt werden: „Jeder, der in der Türkei ‚roj baş‘, das ist auf deutsch ‚guten Tag‘, sagt, ist ein Anhänger der PKK“.
Verantwortlicher der PKK durch Behauptung
Im Gerichtsgebäude sagte ein Mitarbeiter des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg aus ,er habe von einer sogenannten „Vertrauensperson“ gehört, dass es sich bei Kaya um einen Verantwortlichen der PKK handeln solle. Eine Vertrauensperson ist eine privat Person, die gegen Geld Aussagen über vom LKA überwachte Personen und Gruppen macht.
Vor Gericht wurde auch besprochen, wie die Vertrauensperson darauf kommt, dass es sich bei Kaya um einen Verantwortlichen der PKK handele: Weil so eine Person bei Veranstaltungen „häufig vorne sitzt“. Gemeint sind Veranstaltungen eines kurdischen Vereins in Stuttgart, der nicht verboten ist.
Obwohl Kaya also keinen Mitgliedsausweis der PKK bei sich trägt und auch nicht sagt, dass er für die PKK arbeitet, sondern genau wie alle anderen BesucherInnen von Veranstaltungen einfach anwesend ist, wird er trotzdem wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung belastet. Wie kommt das LKA darauf, dass Kaya ein Verantwortlicher der PKK ist? Weil er an Veranstaltungen teilgenommen hat. Und warum ist es strafbar an Veranstaltungen teilzunehmen? Weil er ein Verantwortlicher der PKK sein soll.
Genau braucht es das LKA überhaupt nicht wissen
Dabei sind die genannten Veranstaltungen öffentlich: „So eine Volksversammlung ist schon öffentlich“, gab der Mitarbeiter des LKA zu. Wie plausibel ist es, dass ein Terrorist in einem Gebiet, in dem seine Organisation verboten ist, an einer öffentlichen Veranstaltung teilnimmt? Und was soll jemanden, der auf einer öffentlichen Veranstaltung vorne sitzt, zum Terroristen machen?
Solche Details kann der Mitarbeiter des LKA, der für den Staatsschutz arbeitet, jedoch nicht beantworten, weil er zum Inhalt der Veranstaltungen oder des Gesagten überhaupt keine Informationen hat. Für seine Arbeit hat es gereicht, sich von einem Spitzel bestätigen zu lassen, dass es sich bei Kaya um den Verantwortlichen handle, von dem man vermutet, dass es ihn schon geben muss, weil man vermutet, dass die PKK immer so einen hat.
Für das Gericht ist die Aussage des Mitarbeiters des LKA trotzdem alles, was es wissen muss. Denn ein hochrangiger Mitarbeiter des Staatsschutzes behauptet schließlich vor Gericht, dass es sich bei Kaya um einen Verantwortlichen der PKK handelt. Nach genau dem gleichen Muster hatten dieselben Richter vor einigen Monaten auch Ali Özel als Verantwortlichen für die PKK verurteilt (wir berichteten).
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