Von Tape Lago – Frankfurt. In der Innenstadt demonstrierten am Samstag, 4. Februar, mehr als 1000 Menschen für ein solidarisches, weltoffenes und soziales Frankfurt. Zu der lautstarken Demonstration hatten Project Shelter, die Interventionistische Linke (IL) Frankfurt, „Eine Stadt für alle! Wem gehört die ABG?“ und 13 weitere Organisationen aufgerufen. Der bunte Protestzug vom Hauptbahnhof durch die Stadt sollte auch als starkes Zeichen gegen den Rechtsruck und Rassismus verstanden werden. Starke Einsatzkräfte der Polizei begleiteten die Demonstration. Teilweise erzeugten sie durch ihr martialisches Auftreten und das Filmen von friedlichen Teilnehmerinnen eine angespannte Atmosphäre.
Die Europäische Metropole Frankfurt beherbergt große Banken und Versicherungen und sei zweifelsohne eine reiche Stadt, sagte eine Demoteilnehmerin. Seltsam fand sie aber, dass die finanzstarke Stadt nichts für das Wohlergehen der „einfachen Leute“ tue. „Die städtische Wohnraumpolitik der Stadt verstärkt Diskriminierung und Obdachlosigkeit“ betonte sie. Ihre Meinung teilten fast alle DemonstrantInnen, die sich nachmittags am Hauptbahnhof versammelten. Sie wollten gemeinsam ein Zeichen gegen die diskriminierende städtische Wohnraumpolitik der Bankenmetropole setzen.
Wohnen ist ein Menschenrecht
Neben der antirassistischen Initiative No Fragida, die sich stark für Flüchtlinge einsetzt, war die Frankfurter Linkspartei, die für eine soziale Wohnpolitik kämpft, vor Ort. Alle Menschen hätten das Recht, unabhängig von Einkommen, Herkunft und Aufenthaltstitel in Frankfurt zu wohnen, betonten die Organisatoren. Die derzeit vorherrschende Stadtpolitik und Entwicklung entziehe jedoch immer mehr Menschen ihr Recht auf städtischen Wohnraum.
Menschen mit geringem bis mittleren Einkommen, mit Flucht- und Migrationshintergrund finden keine Wohnungen oder müssen ihre bisherigen Unterkünfte wegen steigender Mieten und Luxussanierungen verlassen. Die Folgen seien Obdachlosigkeit, Verdrängung und Armut.
Keine Chance für Sinti und Roma bei Wohnungssuche
Während der Versammlung, die am Studierendenhaus in Bockenheim endete, übten alle RednerInnen scharfe Kritik an die städtische Wohnraumpolitik. Menschen würden aufgrund ihrer zugeschriebenen Herkunft auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert und ausgeschlossen. Insbesondere Sinti und Roma hätten wegen weit verbreiteter Ressentiments bei der Wohnungssuche kaum eine Chance. Die städtische Wohnungsnot in Frankfurt sei ein gesellschaftlicher Skandal, so eine Rednerin.
Die Tatsache, dass in einer so reichen Stadt mit massivem Leerstand vermehrt Menschen unter Brücken und in der B-Ebene der Hauptwache schlafen müssen, sei nur die Spitze dieses Skandals, erklärte sie weiter. „Wir müssen den politisch Verantwortlichen und der Immobilienwirtschaft ordentlich und entschlossen auf die Füße treten, durch Demonstrationen und Aktionen, sonst wird sich an diesem Zustand nichts ändern“ rief die Sprecherin der Initiative „Eine Stadt für Alle! Wem gehört die ABG?“.
Leerstehende Häuser endlich nutzbar machen
„Durch die Obdachlosigkeit werden bereits auf dem Wohnungsmarkt diskriminierte Personen weiter ausgegrenzt“ betonte ein Sprecher von Project Shelter, dessen Bistro im Dezember Ziel eines rassistischen Angriffs wurde. Auch die Brandstiftung an einer Schlafstätte von Roma und die Attacke auf eine obdachlose Person in der B-Ebene machten dies deutlich. Die B-Ebene ist als „Notüberwinterungsquartier“ von der Stadt ausgewiesen.
„Statt Menschen dieser Gefahr auszusetzen, sollten leerstehende Häuser endlich nutzbar gemacht werden!“ so Project Shelter. Die Initiative fordert Schutzräume für Familien ohne Obdach. In einer Stadt mit massivem Leerstand sei es dringend erforderlich, leerstehende Häuser und Büroräume für obdachlose Menschen und Initiativen wie das Project Shelter oder ein Haus für Roma zu öffnen.
Bleiberecht für alle Geflüchtete
Die Initiative Afghan Refugees Movement kritisierte die zunehmenden Abschiebungen von Geflüchteten vom Frankfurter Flughafen, die von großen Teilen der Stadtgesellschaft kritiklos hingenommen würden. Zudem forderte sie ein Bleiberecht für alle Geflüchtete und ein Ende der Sammelunterkünfte.
„Gemeinsam mit möglichst vielen Menschen wollen wir mit dieser Demonstration ein Zeichen für ein solidarisches Miteinander setzen. Denn seit Jahren steigen die Mietpreise in Frankfurt rasant an. Trotzdem werden Luxusappartements statt Sozialwohnungen gebaut. Für viele Menschen wird das Leben in ihrer Stadt zunehmend unbezahlbar. Auch die derzeit vorherrschende Politik und Stadtentwicklung orientiert sich an einer möglichst profitablen Verwertung sämtlicher städtischen Räume“, kritisierte die Initiative Solidarisches Gallus.
Durch Banner, Plakate und Sprechchöre machen alle TeilnehmerInnen deutlich, dass der Kampf gegen die Wohnraumpolitik in ihrer Stadt notwendig sei. Die Demonstration verlief friedlich und erreichte ihr Ziel am späten Nachmittag.
Die Forderungen der Organisatoren:
„Gegen die Frankfurter Stadtpolitik, die einen ohnmächtig zurücklässt, lehnen wir uns auf! Wir können nicht zulassen, dass sich rassistische Botschaften verbreiten, fester setzen und einige von uns gefährden. Es gibt zahlreiche Ideen und Alternativen, wie wir alle gemeinsam in einer Stadt leben können, wo jede*r ohne Angst verschieden sein kann. Eine Stadt, die mehr ist als ihr ständiges Streben nach Verwertung und Profit. Wir haben das Recht unsere Stadt zu verändern und neu zu erfinden, am Samstag, den 4.2. werden wir deshalb entschlossen auf unseren Straßen zu hören sein!
Wir sagen laut und deutlich: Die B-Ebene der Hauptwache ist uns nicht genug – wir wollen eine solidarische Stadt für Alle! Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen!
- Wir fordern bezahlbaren Wohnraum für Alle in Frankfurt lebenden Menschen!
- Wir fordern mietfreie Liegenschaften für Sinti und Roma!
- Wir fordern eine mietfreie Liegenschaft für Project Shelter!
- Wir fordern eine Wohnungspolitik, deren Ziel die Schaffung eines nicht-profitorientiertem Wohnungsbestand ist, damit alle Menschen unabhängig von Herkunft und ihrem sozialem/ ökonomischen Status in Frankfurt leben können!
- Die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften wie ABG Holding, Nassauische Heimstätte, GWH oder GSW sollen von Stadt und Land als Eigentümer*innen darauf verpflichtet werden einzig als Instrument einer sozialen Wohnungs- und Stadtpolitik genutzt zu werden!
- Der Frankfurter Wohnungsbestand muss zunehmend in öffentlichen oder gemeinnützigen Besitz gebracht werden!
Nach Frankfurt geflohene Menschen dürfen nicht in Sammel- und Notunterkünften oder Hotels ohne Privatsphäre untergebracht werden, sondern dezentral in Wohnungen! - Wir fordern Übergangsunterbringung für alle Menschen! Fernab ihrer Nationalität oder ihres Status! Obdachlosenunterkünfte nur für EU- bzw. BRD-Bürger*innen lehnen wir ab
- Wir fordern eine dezentrale und geschützte Unterbringung für Geflüchtete, insbesondere für LGBTIQ*!
- Für Schwangere und Eltern mit Kindern ohne Obdach müssen Schutzräume geschaffen werden. Eine Trennung der Eltern und Kinder durch das Jugendamt aufgrund von Obdachlosigkeit darf keine Option sein. Auch hier dürfen Herkunft und Status der elterlichen Person keine Rolle spielen!
- Wir sind gegen weitere Abschiebeabkommen und für die Aufhebung der bisherigen Abkommen. Keine Abschiebungen vom Frankfurter Flughafen!
- Keine Abschiebungen ins innereuropäische Ausland. Keine Abschiebung von Verfolgten! Keine Abschiebungen von Roma und Sinti! Keine Abschiebung von Menschen die bleiben wollen! Keine Abschiebung von Irgendwem!
- Wir fordern eine Änderung des aktuellen Meldegesetzes: Eine gültige Meldeadresse darf kein Kriterium für einen Arbeitsplatz sein.
- Wir fordern eine schnelle und rückhaltlose Aufklärung aller rassistisch motivierten Gewalttaten der letzten Monate. Wir fordern die Förderung eines anti-rassistischen Bewusstseins in unserer Stadt.
Wir setzen unseren Kampf für eine solidarische Stadt unter allen Umständen fort! Wir sind Viele mit dem Ziel mehr zu werden! Die Häuser denen, die sie brauchen!
Afghan Refugees movement / Café 2Grad / Eine Stadt für alle! Wem gehört die ABG? / Förderverein Roma e.V / IL Frankfurt / Initiative Stadtteilbüro Bockenheim / Internationales Zentrum / Kritik&Praxis – radikale Linke Frankfurt / Mieter helfen Mieter e.V / Nachbarschaftsinitiative Nordend-Bornheim-Ostend / noborder ffm / Offenes Haus der Kulturen / Project Shelter / Siempre Antifa / Solidarisches Gallus / Teachers on the road
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