Stuttgart. Über 4000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder haben am Dienstag, 14. Februar, in Baden-Württemberg ganztägig die Arbeit niedergelegt. Aufgerufen hatten Verdi sowie GEW, GdP und IG BAU. Damit wollten die Gewerkschaften den Druck auf die Arbeitgeber unmittelbar vor der vorerst letzten vereinbarten Verhandlungsrunde ab Donnerstag in Potsdam deutlich erhöhen. In Stuttgart gab es eine zentrale lautstarke Demonstration durch die Innenstadt mit einer Schlusskundgebung auf dem Schlossplatz.
Weitere Kundgebungen waren in Freiburg mit 700 Streikenden, mit 300 in Karlsruhe und 600 in Tübingen sowie in Heidelberg mit 300 Streikenden. Weitere Beschäftigte protestierten in ihren Dienststellen vor Ort gegen die Haltung der Arbeitgeber.
Temperament und Kampfgeist
Verdi-Bezirksgeschäftsführer Cuno Hägele führte die Demonstration in Stuttgart an. Sein Temperament und sein ansteckender Kampfgeist erzeugten eine gelungene Außenwirkung. „Gib mir ein S, gib mir ein T, gib mir ein R, gib mir ein E, gib mir ein I, gib mir ein K – STREIK!“ war nur eine Parole unter vielen, die die Verdianer begeistert aufnahmen.
Martin Gross, Verdi Landesbezirksleiter, sagte am Mittag auf einer gemeinsamen Kundgebung der DGB-Gewerkschaften im öffentlichen Dienst auf dem Stuttgarter Schlossplatz vor über 1500 Streikenden: „Bei Steuerüberschüssen gibt es keinen einzigen Grund mehr, die Landesbeschäftigten auf ihre verdiente Lohnerhöhung warten zu lassen. Am Donnerstag muss ein Angebot auf den Tisch, das die Realität, volle Kassen der Länder und den Nachholbedarf der Beschäftigten, berücksichtigt.“
Einmischen gegen den Rechtsruck
Max Krapp von der Verdi-Jugend führte aus: „Dummerweise haben wir nicht die selben Möglichkeiten wie die Politiker im Landtag.“ Die baden-württembergischen Abgeordneten hätten zwar ihr eigenes Budget erhöht, aber leider vergessen, ein Angebot für die beschäftigten im öffentlichen Dienst vorzulegen. „Ich bezweifle, dass einer von denen schon mal von 600 Euro im Monat leben musste“, erklärte er weiter.
Krapp forderte einen „Ausschluss sachgrundloser Befristungen“ in Arbeitsverträgen „und eine verbindliche Übernahmeregelung“. Er forderte alle jungen Menschen auf, sich noch mehr in das politische Geschehen einzumischen. „Denn im Moment haben wir eine Stimmung im Land und in Europa, die sich stark nach rechts bewegt.“ Seine kämpferische Rede kann hier nachgelesen werden.
Weitere Redebeiträge hielten unter anderen die GEW-Vorsitzende Doro Moritz und der neue DGB-Landeschef Martin Kunzmann.
6 Prozent – oder die Säge brennt
Ein Sprecher aus der Forstwirtschaft prangerte an, dass man vom Einkommen in seinem Bereich nicht sicher leben könne. Man müsse sich wegen der Einkommenshöhe schon fast schämen. Zum Schluss seiner Rede gab er die Parole aus „6 Prozent – oder die Säge brennt!“ Die KundgebungsteilnehmerInnen nahmen diese Aussage begeistert auf und skandierte sie nach.
Ab März beträgt der Abstand zwischen den Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder von denen des Bundes und der Kommunen gut vier Prozent, derzeit sind es rund 1,6 Prozent.
Allein an den neun Standorten der Zentren für Psychiatrie folgten am Dienstag über 600 Beschäftigte dem Streikaufruf von Verdi. Weitere Warnstreiks gab es an Universitäten und in Studierendenwerken, Autobahnmeistereien, Regierungspräsidien und Landesbehörden sowie weiteren Dienststellen wie dem Statistischen Landesamt, Landesmuseen und Staatstheater, dem KIT oder der Wilhelma. Bei der staatlichen Münze in Stuttgart fiel die Produktion komplett aus, die Staatsgalerie konnte nur mit Fremdpersonal öffnen.
700 in Freiburg auf der Straße
Rund 700 Streikende aus der Stadt und der Region Südbaden und Bodensee versammelten sich auch in Freiburg. Zu einem ganztägigen Warnstreik hatte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im Rahmen der laufenden Tarifrunde für die Landesbeschäftigten aufgerufen. Die Streikenden beteiligten sich an einer Demonstration durch die Freiburger Innenstadt mit einem Zwischenhalt vor dem Regierungspräsidium.
Dort wurde eine Resolution der Streikenden an die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer überreicht. „Wir fordern ein Herz für die Beschäftigten mit 6 Prozent“, lautete die Botschaft am Valentinstag an die Regierungspräsidentin. Diese nahm die Aufforderung an und versicherte, den Protest der Beschäftigten an Ministerpräsident Kretschmann weiterzugeben.
Kein Verständnis für Hinhaltetaktik
Die stellvertretende Verdi-Landesbezirksleiterin Hanna Binder erklärte auf dem Augustiner Platz: „Die baden-württembergische Landesregierung tut gerade so, als hätte sie mit den Tarifverhandlungen nichts zu tun. Das ärgert die Beschäftigen zu Recht. Sie haben kein Verständnis für die Hinhaltetaktik der Arbeitgeber. Wir erwarten einen aktiven Part unserer Regierung!“
Die Demonstration verlief bei frühlingshaftem Wetter friedlich, doch alle Beteiligten zeigten sich entschlossen, für ihre Anliegen mit voller Kraft weiter zu kämpfen, sollten bei der nächsten Verhandlungsrunde ihre Forderungen nicht endlich erfüllt werden.
Bessere Bedingungen für rund 285 000 Menschen gefordert
In Baden-Württemberg sind rund 285 000 (Vollzeitäquivalente 240 000) Beschäftigte von den Tarifverhandlungen direkt oder indirekt betroffen. Etwa 185 000 sind Beamte, zirka 100 000 Angestellte, davon rund 36 000 befristet. Gut 25 000 Beschäftigte der Unikliniken fallen nicht unter den Tarifvertrag der Länder.
Verdi fordert für die Tarifbeschäftigten und Auszubildenden im öffentlichen Dienst der Länder (ohne Hessen) Verbesserungen im Gesamtvolumen von sechs Prozent. Dies beinhaltet eine soziale Komponente in Form eines Sockel- oder Mindestbetrages und die Einführung der Stufe 6 in den Entgeltgruppen 9 bis 15 sowie strukturelle Verbesserungen in der Eingruppierung bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
Keine sachgrundlose Befristung mehr
Dabei soll die Bezahlung der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder sowie der Erzieherinnen und Erzieher in Berlin sowie bei den an den TVL gebundenen Studentenwerken und den Beschäftigten in der Pflege an die der Kommunen angeglichen werden.
Für die Auszubildenden fordert Verdi eine Erhöhung der Vergütungen um 90 Euro, mehr Urlaub und die Übernahme nach der Ausbildung. Zudem sollen die schulischen Ausbildungsgänge, zum Beispiel in den Gesundheitsberufen, in die Tarifverträge einbezogen werden. Darüber hinaus fordert Verdi den Ausschluss sachgrundloser Befristungen im öffentlichen Dienst. Das Tarifergebnis soll zudem zeit- und wirkungsgleich auf die Beamtinnen und Beamten sowie die Versorgungsempfänger übertragen werden. Insgesamt sind von der Tarif- und Besoldungsrunde 2,2 Millionen Beschäftigte betroffen.
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