Von unseren ReporterInnen – Würzburg. Es war ein sehr langer Tag für die WürzburgerInnen. In der unterfränkischen Metropole und Studentenstadt gingen am Samstag, 18. Februar, weit über 2500 Menschen gegen rund 160 von der Kleinstpartei „Der dritte Weg“ mobilisierte Neonazis auf die Straße. Zu der Demonstration hatte das Bündnis „Würzburg lebt Respekt – Kein Platz für Neonazis“ aufgerufen.
Zahlreiche AntifaschistInnen und andere BürgerInnen folgten den Aufruf und stellten sich den Neonazis entgegen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort und sorgte mit überzogener Gewalt NazigegnerInnen gegenüber für Aufsehen. Trotz der massiven Polizeipräsenz gelang es dem Würzburger Bündnis, ein starkes Zeichen gegen die Neonazis zu setzen. „Der dritte Weg“ war in Würzburg äußerst unerwünscht.
Der „Tag des Widerstands“ gegen die Partei von Klaus Armstroff, einem ehemaligen NPD-Mitglied, fing mit einem ökumenischen Gottesdienst mittags in der Marienkapelle an. Initiator des Friedensgebets war die Nagelkreuzgemeinschaft. Sie versteht sich als Vertretung der Kirchen und der Stadt Würzburg im Bemühen um Frieden und Versöhnung. Sie erinnert jedes Jahr am 16. März an die Würzburger Bombennacht 1945 und setzt dabei ein Zeichen der Aussöhnung der Gesellschaft.
Juden, Christen und Muslime sind Partner
Auf das Friedensgebet folgte die Verlesung der „Erklärung der Religionen zum respektvollen Miteinander„. Darin lehnten die VertreterInnen der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Würzburg Hass, Gewalt, Antisemitismus und Intoleranz ab. Geschichtsvergessene populistische, fundamentalistische, rassistische und extremistische Bewegungen und Parteien ebenso.
“ Wir vergegenwärtigen uns, dass das, was am 13. Februar 1945 in Dresden und am 16. März 1945 in Würzburg geschehen ist, am 30. Januar 1933 seinen Anfang genommen hat“, hieß es in der Erklärung. „Als Juden, Christen und Muslime sind wir Partner in einer pluralistischen Gesellschaft. Ausgehend von unserem Glauben und den uns gemeinsamen Grundlagen im Menschenbild sehen wir uns gemeinsam in der Verantwortung, zur Bewahrung des Gemeinwohls und der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland beizutragen.“
OB Schuchardt: Fremdenfeindlichkeit hat keinen Platz in unserer Stadt
Bei der Kundgebung des Bündnisses für Zivilcourage sprach der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) klare Worte: „Fremdenfeindlichkeit, egal unter welchem Deckmantel, hat keinen Platz und wird in unserer Stadt nicht geduldet.“ Er erinnerte an den Bombenabwurf auf Würzburg am 16. März 1945 und die vorangegangenen Verbrechen der NS-Zeit.
Im Kern werde durch die Neonazis eine Ideologie verbreitet, unter deren Ägide Menschen ermordet wurden und heute fremdenfeindliche Angriffe geführt werden, Angriffe auf Flüchtlingsheime, auf Schutzsuchende, auf Minderheiten, betonte der Würzburger OB. „Kriegsgräuel, systematischer Völkermord, der Bombenkrieg während des Zweiten Weltkrieges dürfen nicht relativiert und uminterpretiert werden“, warnte er.
Kraftvolle Demonstration durch die Innenstadt
Nach einem kurzen Redebeitrag von Frank Kempe, dem Sprecher des Bündnisses „Würzburg lebt Respekt – Kein Platz für Neonazis“, setze sich der Demonstrationszug vom Oberen Markt in Richtung Innenstadt in Bewegung. Ziel der DemoteilnehmerInnen war, die Versammlung der Neonazis massiv zu stören und ihren Aufmarsch zu verhindern. Sie trugen Transparente, schwenkten Fahnen und Plakate.
Bemerkenswert waren bei dieser Demonstration die zahlreiche AntifaschistInnen aus Bayern und anderen Bundesländern. Es war ein außerordentlich breiter Block mit Hunderten entschlossenen AntifaschistInnen. An der Demospitze standen OB Christian Schuchardt (CDU), der ehemalige Würzburger OB Georg Rosenthal (SPD), der Hochschulpfarrer Burkhard Hose und die Bundestagsabgeordnete der Linken Eva Bulling-Schröter.
Polizei stoppt Demo wegen angeblicher Vermummungen
Auch Simone Barrientos vom Landesvorstand der Linken Bayern und Claudia Stamm (Die Grünen) waren anwesend.
- Simone Barrientos, DIE LINKE
- Claudia Stamm, Die Grünen
Es war eine kraftvolle Demonstration, die da durch die Innenstadt zog. Durch Sprechchöre wie „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda! Nazis raus!“ machten AntifaschistInnen deutlich, dass sie keine Neonazis in der Stadt haben wollten.
Die Polizei begleitete den Zug mit starken Einsatzkräften und stoppte ihn, weil angeblich TeilnehmerInnen vermummt waren. Während die Demonstration ihr Ziel erreichte, versammelten sich die Neonazis am Berliner Platz.
Burkhard Hose: Statt eines Landes die Menschen lieben
Der Höhepunkt bei der Abschlusskundgebung der Nazi-GegnerInnen in der Philipp-Schrepfer-Allee war die Rede vom Hochschulpfarrer Hose. Er machte sich für Geflüchtete und Menschen in Not stark. Er bekam deshalb eine hetzerische Postkarte des „dritten Wegs“ mit der Aufforderung, Deutschland zu verlassen, weil er es nicht lieben würde.
Hose zerriss die Postkarte und rief: „Nein, ich werde dieses Land nicht verlassen, nicht weil ich irgendein Land oder Vaterland liebte, sondern weil ich mit den Menschen verbunden bin, die hier leben. Menschen verschiedener Herkunft und Menschen verschiedener Religion oder ohne religiöses Bekenntnis.“ Wer ein Land mehr liebe als die Menschen, „dem fehlt es selbst an Mitmenschlichkeit“. Für menschenvergessenen völkischen Nationalismus sei in dieser Stadt kein Platz.
Lautstarker Protest gegen die Neonazis
Nach der Abschlusskundgebung ging der Protest weiter. Auf dem Berliner Platz wurden die Neonazis lautstark empfangen. Als eine starke Gruppe von AntifaschistInnen versuchte, den Versammlungsort des „Dritten Wegs“ zu erreichen, setzte die Polizei ihre Kräfte gegen sie in Bewegung. Es folgte eine Verfolgungsjagd auf NazigegnerInnen. Dabei setzte die Polizei Gewalt ein.
Für die AntifaschistInnen war es nicht akzeptabel, dass die Polizei ihren Protest in Sicht- und Hörweite der Neonazis verhindern wollte. Am Ende gelang es den mutigen und entschlossenen NazigegnerInnen, durch die Polizeikette zu gehen. Trotz der massiven Polizeipräsenz nutzten sie ihr Recht auf Versammlung und protestierten lautstark gegen die Neonazis.
Polizei hatte Demoroute der Neonazis abgesperrt
Ein Neonazi konnte den Protest nicht ertragen, überwand die Absperrgitter und ging auf GegendemonstrantInnen los. Die Polizei stoppte ihn und nahm ihn in Gewahrsam. Nach einem chaotischen Moment bei den Neonazis setzte sich ihr Demozug unter lautstarkem Protest in Bewegung.
Einige Stunden zuvor hatte die Polizei ihre gesamte Demoroute abgesperrt. Es standen überall Gitter, Polizei-Fahrzeuge und Einsatzkräfte die ein Aufeinandertreffen von Neonazis und ihren GegnerInnen verhindern sollten.
Fremdenhass und Geschichtsrevisionismus
Die Partei „Der dritte Weg“ ist die Nachfolgeorganisation der seit 2014 verbotenen Nazi-Dachorganisation „Freies Netz Süd“. Sie versteht sich als „nationalrevolutionäre“ Partei und steht ideologisch in der Tradition von Hitlers NSDAP. Geschichtsrevisionismus, Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus, Fremdenhass und Chauvinismus prägen das Programm der Partei. Dies war während des Aufmarsches zu sehen.
Die Neonazis deuteten die Angriffe der Alliierten in Kriegsverbrechen um. Damit versuchten sie, die Verbrechen des NS-Regimes zu relativieren und die TäterInnen Hitler-Deutschlands zu Opfern zu stilisieren. Mit „gruseligen Sensenmännern“ an der Spitze ihres Demonstrationszuges zogen die Neonazis unter starker Polizeibegleitung und einem hörbaren Gegenprotest durch die Innenstadt.
Polizei setzt Schlagstock und Pfefferspray ein
Am Parteibüro der Grünen empfing sie ein großes Banner mit der Aufschrift „Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“. Entlang der rechten Demoroute gab es Proteste. Einige GegendemonstrantInnen versuchten, Absperrgitter zu überwinden, um die rechte Demo zu blockieren. Sie wurden aber von der Polizei gestoppt. Pfefferspray und Schlagstöcke kamen zum Einsatz.
Es gab Verletzte und Festnahmen. Die festgenommenen GegendemonstrantInnen wurden erst spät in der Nacht wieder freigelassen. Es war für die AntifaschistInnen und BürgerInnen ein langer Protestag gewesen. Doch der Protest gegen die Neonazis schien sich gelohnt zu haben. Das Bündnis „Würzburg lebt Respekt – Kein Platz für Neonazis“ war mit dem Verlauf der Demonstration gegen die Neonazis zufrieden und will sich für die Zukunft noch mehr engagieren.
Gemeinsam gegen Hass und Intoleranz
Für die versammelten NazigegnerInnen galt, was die Erklärung der Religionen zum respektvollen Miteinander“ so formuliert: „Wir setzen uns für die Achtung des Grundgesetzes, die Werte von Freiheit, Demokratie, Gleichheit der Geschlechter und eine diskriminierungsfreie Gesellschaft ein. Wir stimmen darin überein, dass Religion nicht instrumentalisiert und für machtpolitische Zwecke missbraucht werden darf – ganz gleich von welcher politischen oder religiösen Seite. Vielmehr treten wir als Juden, Christen und Muslime für mehr Humanität und gesellschaftliche Solidarität ein, insbesondere auch gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchenden, die unseren Schutz und unsere Hilfe brauchen. Gemeinsam stehen wir auf gegen Hass, Gewalt, Antisemitismus und Intoleranz. Gemeinsam stehen wir ein für gegenseitigen Respekt und ein friedliches Miteinander in unserer religiös und kulturell vielfältigen Gesellschaft.“
Weitere Bilder des Tages
- Simon Lindberg, Nordfront (Nordic Resistance Movement) Schweden
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