Kommentar von Anne Hilger – Berlin/Düsseldorf. Law-and-order-Mann Rainer Wendt kassierte über zehn Jahren Beamtensold, obwohl er nicht als Polizist arbeitete, sondern ausschließlich für die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) im Beamtenbund. Das überrascht uns nicht. Der eigentliche, vom Polit-Magazin Report München aufgedeckte Skandal ist ein anderer: Das Land Nordrhein-Westfalen finanziert als Arbeitgeber mit Steuergeldern den Chef einer offenbar genehmen Arbeitnehmerorganisation und Lobbyisten.
Das hat nicht nur ein „Gschmäckle“, sondern riecht nach möglichen Straftatbeständen wie Untreue, Begünstigung oder Korruption und bedarf dringend der Aufklärung. Dabei steht nicht nur Wendt, sondern auch das NRW-Innenministerium im Fokus.
Doppelmoral passt zu einem Selbstdarsteller, der durch die Talk-Shows tingelt, um auf Stammtischniveau gegen kriminelle Ausländer zu hetzen und einen schwachen Staat zu beklagen. Nach eigener Aussage ist es die Strategie von Rainer Wendt, „durch proaktive Medienarbeit und hohe öffentliche Präsenz meine Gewerkschaft zu pushen“.
Dauerpräsenz in den Medien
Das gelingt Wendt, der zusätzlich eine Aufwandsentschädigung der DPolG erhält, ganz hervorragend. Nach Angaben der „Zeit“ ist die Deutsche Polizeigewerkschaft mit etwa 94 000 Mitgliedern deutlich kleiner als die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die etwa 175 000 Mitglieder hat und dem DGB angehört. Dennoch verschafft ihr „proaktiver“, staatlich alimentierter Bundesvorsitzender mit seinem oft an die AfD erinnernden Jargon der kleineren Organisation, die dem Beamtenbund angeschlossen ist, so etwas wie mediale Dauerpräsenz. Die GdP finanziert ihren Gewerkschafts-Chef der „Welt“ zufolge dagegen allein, was eigentlich selbstverständlich ist.
CDU-Mitglied Wendt trägt wesentlich zur inzwischen weit verbreiteten Meinung bei, es gäbe generell zu wenig Polizisten, sie wären schlecht ausgerüstet, dazu ständig Beleidigungen und Übergriffen ausgesetzt. Umso leichter lassen sich neue Personalstellen und die Aufrüstung der Truppe durchsetzen. „Deutschland in Gefahr. Wie ein schwacher Staat unsere Sicherheit aufs Spiel setzt“, ist der Titel seines jüngsten Buches.
Schwarz-Gelb wollte wohl Beamtenbund-Gewerkschaft pushen
Nun wird das öffentliche Bild der Beamten durch die Erkenntnis ergänzt, dass der 2007 erstmals gewählte Chef der DPolG auch gern die Hand aufhält. Offenbar wurde Wendt schon vor über zehn Jahren von der damaligen schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf freigestellt. Damals war Ingo Wolf (FDP) Innenminister. Wie Wendt im Interview mit Report München sagte, sollte durch seine Besoldung die DPolG unterstützt werden. Sie hatte bei den Personalratswahlen zu wenig Stimmen für eine Freistellung von Personalräten erhalten. Auch der heutige SPD-Innenminister Ralf Jäger kenne den Sachverhalt.
Offenbar ging es damals darum, der als SPD-nah eingestuften DGB-Gewerkschaft GdP eine eher CDU-affinen Verband wie die DPolG gegenüberzustellen. 2010 soll der weiterhin freigestellte Wendt dann zum Hauptkommissar mit 28-Stunden-Stelle befördert worden sein.
Wendt kann nicht Gewerkschafts-Chef bleiben
Es ist ein starkes Stück, dass das Land Nordrhein-Westfalen den Chef einer Arbeitnehmerorganisation bezahlt. Es wirft nicht nur moralische, sondern auch rechtliche Fragen auf – auch an die aktuelle Landesregierung. Nachdem die Sache durch die Recherchen der ARD aufflog, ließ sich Wendt, 60, in den Ruhestand versetzen. Er wolle aber Bundesvorsitzender der DPolG bleiben.
Mal sehen, ob die Mitglieder dsr DPolG den Mumm haben, einen jahrelang von Arbeitgeberseite bezahlten Gewerkschafts-Chef abzusägen. Immerhin gibt es jetzt die Chance, dass künftig in den Talk-Shows seriösere Stimmen aus Polizeikreisen zu hören sein werden.
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