Von Angela Berger – Heilbronn. Der Probelauf für die Castortransporte auf dem Neckar wurde am Samstag, 4. März, offiziell beendet. Am selben Mittag folgten etwa 750 Menschen dem Aufruf des Aktionsbündnisses „Neckar castorfrei“ zur Antiatom-Frühjahrs-Demonstration auf dem Kiliansplatz in Heilbronn. Es kamen nicht nur Menschen aus der Region. Auch Gruppen aus Freiburg und Gorleben reisten an.
Der Protest richtet sich gegen die geplanten Castortransporte vom Kernkraftwerk Obrigheim auf dem Neckar zum Zwischenlager in Neckarwestheim. Bei der Kundgebung forderten alle Redner den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie und das Abschalten der Kernkraftwerke, damit nicht täglich noch mehr Atommüll produziert wird.
Der Sprecher des Aktionsbündnisses Herbert Würth sagte am Ende der Demonstration: „Wir haben es geschafft, ein deutliches Zeichen des Widerstands zu setzen.“ Es wurden weitere Proteste gegen die Castor-Transporte angekündigt.
„Verstrahlung der Bevölkerung wird in Kauf genommen“
Als Moderatorin kam Kerstin Rudek von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Die ersten RednerInnen waren Anete Wellhöfer und Olga Kappler mit einem Frage-Antwort-Spiel, das einige der Fragen rund um den Castortransport beantwortete. Es wurde unter dem Motto des Tages „Neckar castorfrei, Atomkraftwerke abschalten, Castoren stoppen, wir stellen uns quer!“ zu kreativem und widerständigem Protest aufgerufen – vor allem am Tag X, dem Tag des Transports.
Der nächste Redner war Franz Wagner von der Arbeitsgemeinschaft AtomErbe Neckarwestheim. Er sprach darüber, wie teilweise das Landratsamt Heilbronn als zuständige Genehmigungsbehörde und vor allem das baden-württembergische Umweltministerium verhindern möchte, dass die BürgerInnen gegen die Transporte auf dem Neckar protestieren. Es werde eine großräumige Verstrahlung der Bevölkerung in Kauf genommen, und das nur, um der EnbW (Energie Baden-Württemberg) Geld zu sparen.
Grünes Umweltministerium argumentiert mit Versorgungssicherheit
Eine „Reihe von Gefälligkeitsgenehmigungen“ zeigten die wahren Prioritäten der Behörden. Ein grünes Umweltministerium behaupte sechs Jahre nach Beginn der Fukushima-Katastrophe und 31 Jahre nach Tschernobyl in einer Bodenausschwemm-Erlaubnis unter dem Neckarwestheimer Atom-Gelände, zur „Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit“ im Land sei der Weiterbetrieb des GKN2 (Gemeinschafts-Kernkraftwerk Neckarwestheim 2) erforderlich. So werde die „wirtschaftliche und klimaschonende Versorgung der Allgemeinheit“ sichergestellt.
Franz Wagner forderte: „Endlich ernst machen mit Vorsorgeprinzip, Verursacherprinzip und Minimierungsprinzip!“
Danach machten sich die Demonstranten vom Kiliansplatz quer durch die Heilbronner Innenstadt auf den Weg zum Neckar. Musikalisch wurden sie begleitet von der Lokomotive Stuttgart und den Rhythms of Resistance. Zur Abschlußkundgebung direkt über dem Neckar auf der Erwin-Fuchs-Brücke gab es dann noch schwimmende Enten. Sie sind die Symbole gegen die Castorentransporte auf dem Fluss.
Ständig Störfälle und Abschaltungen
Auf der Brücke sprach Jochen Stay von der bundesweiten Antiatom-Organisation „.ausgestrahlt.“ Er erinnerte an den Beginn der Katastrophe von Fukushima am 11. März 2011. Die Unfallserie begann an diesem Tag, und bis heute ist die Situation in Japan katastrophal. Noch immer fließe verstrahltes Wasser in den Ozean, und überall werde die verstrahlte Erde in Plastiksäcken gelagert. Die Menschen müssen dort täglich damit leben.
Aber auch hier hätten wir genug Anlass zur Sorge. Denn auch nach den zwei großen Reaktorkatastrophen von Fukushima und Tschernobyl wurden die Kernkraftwerke nicht abgeschaltet. Ständig könne man in den Nachrichten von Störfällen und Abschaltungen wegen technischer Probleme lesen. Doch bisher sei der Atomausstieg nur zur Hälfte erfolgt. Nach 2011 sei bis heute sei nur ein einziges weiteres Atomkraftwerk abgeschaltet worden.
Alarmierende Zustände in Fukushima
Nach Frankreich sei Deutschland immer noch der zweitgrößte Atomstromhersteller. Ein Teil der kritischen Bevölkerung sei mit dem Slogan „Ausstieg aus der Atomkraft“ schon beruhigt. Auch die Sozialdemokraten und die Grünen die noch vor einigen Jahren mit den Atomkraftgegnern gemeinsam auf die Straße gegangen seien, schwiegen inzwischen zu den Gefahren durch die Atomkraftwerke. Bewegen werde sich in der Politik nur, wenn sich die Bürger bewegten. Eine gefährliche Atommüll-Verschiffung löse nicht das Problem mit dem Atommüll, es werde nur verschoben.
Mika Kumazaki überbrachte ein Grußwort aus Japan und berichtete über Neuigkeiten aus dem verstrahlten Fukushima. Derzeit werden dort nach und nach die Evakuierungsanordnungen aufgehoben. Das bedeutet, dass die Bevölkerung wieder in die immer noch verstrahlten Gebiete zurückkehren müsse. Die Menschen müssten mit der Strahlung und mit den überall gelagerten Erdsäcken leben. Es würden große Verbrennungsanlagen gebaut, um die Mengen an Dekontaminationsmüll zu verringern.
Die Zahl der Krebserkrankten steigt
Die Wohnkosten in den Gebieten außerhalb der Zone würden nicht weiter übernommen, die Strahlenflüchtlinge verlören erneut ihr Zuhause. An den Stahlstützen für die 120 Meter hohen Ablufttürme seien weitere Risse und Löcher aufgetaucht. Alle fragten sich wann sie wohl zusammenbrechen. Die Zahl der Krebserkrankungen sei gestiegen. Jeder macht sich Sorgen um die Gesundheitsschäden durch die Verstrahlung. Auch sei die Selbstmordrate an den Fluchtorten stark angestiegen, immer mehr Menschen erkrankten an Depressionen. Gleichzeitig plane die Präfektur, in Fukushima bis 2020 die Zahl der Evakuierten auf Null zu senken.
Mika Kumazaki bedankte sich für die Unterstützung aus Deutschland und forderte, der schreckliche Unfall in Fukushima müsse der letzte Atomunfall gewesen sein. Kein Atomkraftwerk dieser Erde dürfe weiter in Betrieb sein.
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