Kirchheim/Teck. An die 250 Menschen kamen am Samstag, 25. März, auf den Kirchheimer Marktplatz, um gegen Faschismus und rechte Gewalt zu protestieren. Das waren weit mehr, als die Veranstalter angesichts der kurzen Mobilisierungszeit erwartet hatten. Zu der Kundgebung um 12 Uhr hatte der türkische Verein „Volkshaus Kirchheim“ aufgerufen. Eine Spontandemonstration schloss sich an. Dem Protest waren mit hoher Wahrscheinlichkeit von Rechtsradikalen verübte Anschläge gegen linke Strukturen vorausgegangen.
In der Nacht vom 20. auf den 21. März war das Haus eines Mitglieds des Vereins „Volkshaus Kirchheim“ mit Parolen aus dem rechten Lager besprüht worden. Der Betroffene war schon früher mehrfach von Mitgliedern der faschistischen Partei „Der dritte Weg“ beleidigt und bedroht worden.
Am 21. März wurde das Gebäude in der Alleenstraße, in dem sich der Verein „Volkshaus Kirchheim“ befindet, angegriffen. Der oder die Täter zerstörten mit einem Stein eine Scheibe und warfen ein Glas mit Buttersäure hinterher. Dies führte zu einer stundenlangen Sperrung der Alleenstraße und einem Großaufgebot von Feuerwehr und Polizei (wir berichteten).
Am Samstag bedankte sich der Sprecher des Volkshauses bei den TeilnehmerInnen der knapp einstündigen Kundgebung – mehrheitlich MigrantInnen – für ihr Kommen. Aus seiner Sicht gibt es keinen Zweifel, dass die beiden Anschläge im Zusammenhang stehen. Sie seien Ausdruck des Aufschwungs rechter Kräfte und zunehmender Gewalt gegen MigrantInnen und Andersdenkende. Der Redner führte aus, dass der Verein mit seinen antifaschistischen Aktivitäten den Rechten ein Dorn im Auge sei. Seit Jahren würde der Verein und seine Mitglieder bedroht.
Einen ähnlichen Anschlag mit Buttersäure hatte es erst vor kurzem im nahe gelegenen Göppingen gegeben. Dort war das Haus der Jugend betroffen – und zwar in der Nacht vor einer antifaschistischen Veranstaltung, bei der eine Dokumentation über die faschistische Partei „Die goldene Morgenröte“ aus Griechenland gezeigt wurde (wir berichteten).
Außerordentlich enttäuscht zeigte sich der Sprecher des Volkshauses bei der Kundgebung darüber, dass die Polizei und die örtliche Presse die Vorfälle in Kirchheim heruntergespielt hätten. Der „Teckbote“ hatte nach dem Anschlag auf das türkische Volkshaus angesichts des Großaufgebots von Polizei und Feuerwehr mit leicht belustigtem Unterton über „helle Aufregung am helllichten Nachmittag“ berichtet. Der Redner beendete seine Ansprache mit den Worten:
Wir fordern ein entschiedenes Vorgehen gegen rechte Aktivitäten überall.
Kein Platz für rechte Propaganda – und kein Platz für rechte Gewalt!
Nach Angaben der Zeitung ist es der Polizei noch „gänzlich unklar, ob die Tat einer Organisation galt oder doch eher einer Einzelperson“. Es sei noch nicht einmal auszuschließen, dass die Stinkbombe „völlig falsch gelandet“ ist – in den falschen Büroräumen oder sogar im falschen Gebäude. Es passe nichts zusammen, wird der Pressesprecher der zuständigen Reutlinger Polizei zitiert – zumal das Schreiben, in das der Stein eingewickelt war, keinem rechtsextremistischen Hintergrund zuzuordnen sei.
Auch Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker plädierte dem „Teckboten“ gegenüber dafür, „den Ball flachzuhalten“. Doch auch die anderen Kundgebungsredner wie Heiner Brinker von der Kirchheimer Linken und zwei Sprecher der MLPD zeigten sich überzeugt, dass es sich in Kirchheim und in Göppingen um rechte Anschläge handelte. Weitere Redebeiträge wurden vom AABS Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region und dem OAT Offenes Antifaschistisches Treffen Kirchheim gehalten.
Die Kundgebung und die als Eilversammlung angemeldete Spontandemonstration wurde von vier Polizisten in normaler Uniform begleitet. Sie hielten sich überwiegend im Hintergrund.
Siehe hierzu auch:
Anschläge gegen linke Strukturen in Kirchheim
Gegen Faschismus und rechte Gewalt in Kirchheim
Was dürfen sich Faschisten noch alles erlauben?
Rechtsradikaler Anschlag auf Haus der Jugend
Bedrohter Journalist will sich nicht einschüchtern lassen
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