Von unseren ReporterInnen – Stuttgart-Bad Cannstatt. Die AfD hatte eine für Freitag, 31. März, geplante Veranstaltung im Cannstatter Kursaal abgesagt. An die hundert AntifaschistInnen kamen trotzdem: Sie wollten bei einer Kundgebung über Machenschaften und Absichten der neoliberalen und nationalkonservativen Partei informieren. Als ein Zwischenfall ein größeres Polizeiaufgebot auf den Plan rief, wagte sich unter dem Schutz der Einsatzkräfte auch eine Handvoll rechter Pöbler aus der Hecke.
Zum Teil trugen sie Kleidung mit einschlägigen Abzeichen – etwa das als Hakenkreuz-Ersatz dienende Keltenkreuz mit der Aufschrift „White Pride“. Unter den Augen der Polizei richteten sie Pöbeleien und Beleidigungen wie etwa ausgestreckte Mittelfinger gegen die KundgebungsteilnehmerInnen.
Die Einsatzkräfte schritten jedoch nicht ein. Im Gegenteil: Sie wandten sich gegen die versammelten AntifaschistInnen. Auch forderten mehrere Polizisten unseren Reporter auf, nicht zu fotografieren. Er machte den Beamten jedoch klar, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gibt und es allein in seinem Ermessen liegt, welche Aufnahmen er macht. Erst als er seinen Personalausweis zeigte und sich verbat, ohne jeden Grund angefasst zu werden, ließen die Beamten von ihm ab, so dass er seiner Arbeit nachgehen konnte.
Die Polizei hatte sich zunächst im Hintergrund gehalten. Die Beamten traten erst in Erscheinung, als sie ein Notruf erreichte: Ein älterer Mann lag am Rand der Kundgebung aus nicht erkennbaren Gründen auf dem Boden.
Zu der Kundgebung am frühen Abend auf dem Cannstatter Bahnhofsvorplatz hatte das Bündnis Stuttgart gegen Rechts aufgerufen. Es gab einen Infotisch mit starkem Andrang. Viele PassantInnen blieben stehen und nutzten die Gelegenheit, sich zu informieren. Für das Bündnis traten mehrere RednerInnen auf. Eine Sprecherin thematisierte den Antifeminismus der AfD (siehe unten im Wortlaut) und anderer rechtsgerichteter Kreise, wie er sich etwa bei den „Demos für alle“ in Stuttgart zeigte. Sie versuchten, das Rad zurückzudrehen und gesellschaftliche Errungenschaften der Frauenbewegung zunichte zu machen.
Eine weitere Rede beschäftigte sich mit den Kommunikations- und Manipulationsstrategien der AfD (siehe ebenfalls unten). Sie könne bis heute ihre wirtschaftsliberalen Wurzeln nicht verleugnen. Obwohl sie sich einen sozialen Anschein gebe, wolle sie keinesfalls Umverteilung von Wohlhabenderen zu Ärmeren. „Die Partei will eine Verteilung von Nicht-Deutschen zu Deutschen. Das Zwei-Klassen-System verläuft bei der „AfD“ entlang kultureller und ethnischer Linien“, sagte der Redner.
- Reger Publikumsverkehr am Bahnhofsvorplatz
- Starker Andrang am Infotisch
Redebeitrag zu Antifeminismus
Liebe alle,
weltweit kämpfen Frauen* für ein freies und selbstbestimmtes Leben. Sie kämpfen seit Jahrzehnten gegen Unterdrückung, Sexismus und für politische und gesellschaftliche Teilhabe. Ob auf der Straße, im Betrieb, in der Schule oder in der Familie, der Kampf ist vielschichtig und unbequem.
Feministische Errungenschaften
Feministische Errungenschaften, wie das Wahlrecht, wurden hartnäckig erkämpft, sie sind nicht aus Nettigkeit und Einsicht der Herrschenden entstanden.
Aber, auch 2017, sind wir in der BRD, meilenweit von einer solidarischen, feministischen und gleichberechtigten Gesellschaft entfernt:
- so gelten z.B. das Aufenthalts- und Wahlrecht, der Mindestlohn und soziale Absicherungen nicht für alle. Geflüchtete, Migrant*innen, Menschen mit Behinderungen sind davon ausgenommen oder erhalten nur eingeschränkte Rechte. Die Einführung von Quoten und das neu eingeführte „Gesetz zur Lohngerechtigkeit“ bieten keine realen Verbesserungen und richten sich nur an Privilegierte.
- Prekär Lebende, Beschäftigte im Niedriglohnsektor und Personen die Sorgearbeit leisten, fallen durchs Raster.
- Selbstbestimmung, körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Abtreibung werden belächelt und müssen nach wie vor eingefordert und erkämpft werden.
Antifeminismus von rechts
Antifeministische Forderungen von rechts, das Rad zurückzudrehen, finden Anknüpfungspunkte bei religiösen Fundamentalist*innen, Konservativen und Teilen des bürgerlichen Mainstreams. Lokales Beispiel hierfür ist der reaktionäre Zusammenschluss der selbsternannten „Demo für Alle“, der monatelang in Stuttgart aufmarschiert ist.
Diese Entwicklung, der sogenannte backlash, ist kein losgelöstes Phänomen in der BRD. Reaktionäre und antifeministische Politik ist in vielen Ländern auf dem Vormarsch. Ob in Polen, Irland, den USA, der Türkei oder Argentinien, der Status quo soll weiter verschärft und zurückgedreht werden.
Antifeminismus der AfD
So verwundert es nicht, dass die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ einen antifeministischen und rückwärtsgewandten Kurs fährt.
- In rechter Tradition, beschwört sie die klassische Familie als „Keimzelle der Gesellschaft“ herauf, sieht in Alleinerziehenden, Regenbogen- und Patchworkfamilien, queeren Menschen und Feminist*innen, Feindbilder.
- Gegen Lebensentwürfe und Familienbilder die nicht ihrem rückständigen Weltbild entsprechen, wird gehetzt und das gesellschaftliche Klima vergiftet.
- Die Ungleichwertigkeit der Geschlechter wird propagiert, Sexismus und sexualisierte Gewalt kleingeredet und die Betroffenen verhöhnt.
- Sexismus und Rassismus werden vermischt und als Rechtfertigung für menschenverachtende Politik herangezogen, um das Recht auf Asyl weiter auszuhöhlen.
- Um die „weiße, deutsche Frau* vor dem Schwarzen Mann* zu schützen, werden Antifeminist*innen zu pseudo-Frauenrechtler*innen.
Was können wir dagegen tun?
Die antifeministischen und rassistischen Angriffe und der vorangetriebene backlash der AfD betrifft uns alle.
Auch wenn die Ausgangslage nicht berauschend ist, können wir uns auf dem Status quo nicht ausruhen und müssen weiterhin für ein gutes Leben für alle kämpfen.
- Wir dürfen es nicht zulassen, dass reaktionäre unter dem Deckmantel der Frauen*rechte, Sexismus und Rassismus gegeneinander auszuspielen.
- Wir müssen feministischen Errungenschaften verteidigen und weitere erkämpfen.
- Der Rückfall in vergangene Zeiten ist keine Alternative wir dürfen das Feld nicht der AfD überlassen, sondern müssen antirassistische, antikapitalistische und feministische Kämpfe verbinden und weiter vorantreiben.
Gemeinsam für ein freies, selbstbestimmtes und solidarisches Leben für alle!
Redebeitrag zu den Kommunikations- und Manipulationsstrategien der AfD
Vor fast genau einem Jahr traf sich die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ auf der Stuttgarter Messe, um ihren ersten Bundesprogrammparteitag abzuhalten. In drei Wochen will sie im Maritim-Hotel in Köln ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl im Herbst beschließen.
In der Öffentlichkeit erleben wir die Vertreterinnen und Vertreter der Partei immer wieder mit dem gleichen Schema: Sie provozieren mit mindestens grenzwertigen Aussagen und erfahren dafür ein großes mediales Echo – nur um sich wenig später halbherzig zu distanzieren oder ihre Aussagen vermeintlich richtig zu stellen. Mit diesen Grenzüberschreitungen will die Partei Menschen mit nationalistischen, rassistischen, antisemitischen, sexistischen und fundamentalchristlichen Positionen ansprechen und diese salonfähig machen – gleichzeitig soll durch nachträgliche Relativierungen Anschluss für gemäßigteres Publikum geboten werden.
Wenn wir den programmatischen Treffen der Partei etwas Positives abgewinnen können, dann ist es, dass sie dort Papiere beschließen, die sie tatsächlich und unzweideutig entlarven. Beim Lesen dieser Papiere wird schnell deutlich, welche Gefahr für unsere Gesellschaft von der selbsternannten „AfD“ ausgeht.
Ihren Anfang nahm die Partei noch mit einem vermeintlich wirtschaftsliberalen Anti-Euro-Programm, in dem der rechte Rand wissentlich und willentlich in Kauf genommen wurde, um Mehrheiten zu erringen. Heute sieht sich dieser Flügel vor allem durch Jörg Meuthen repräsentiert. Dieser gibt zwar den liberalen Wirtschaftsprofessor, ist jedoch immer wieder der Erste, der für den rechten Hetzer Höcke in die Bresche springt.
Das im letzten Jahr beschlossene Bundesprogramm der Partei zeigt schwarz auf weiß, wodurch die AfD heute massiv geprägt ist. Das Programm ist nicht mehr als eine Ansammlung von Punkten, die populistisch Aufmerksamkeit erregen sollen. Die Partei treibt mit Ihrer Politik der Spaltung und Ausgrenzung Keile in die Gesellschaft. Über allem steht ein gefährlicher, antipluralistischer Geist, der jede Meinung, die nicht der eigenen entspricht, beiseite wischt. So nimmt die Partei für sich in Anspruch, alleinig den sogenannten „Willen des Volkes“ vertreten zu können.
Die wirtschaftsliberalen Ursprünge der Partei verlieren im Entwurf des Wahlprogrammes, der seit einigen Wochen öffentlich ist und so oder ähnlich Ende April in Köln beschlossen werden wird, immer mehr an Bedeutung. Ganz verschwunden sind sie jedoch noch nicht.
So findet sich zum Beispiel nach wie vor die Forderung nach der Abschaffung der Erbschaftssteuer – ein Milliardengeschenk für reiche Familien – im Programmentwurf. Ebenso wird die Vermögenssteuer nach wie vor rigide abgelehnt.
Nach wie vor bleibt auch der harte Anti-Euro Kurs eines der zentralen Themen des Programms. Die Europäische Union hält die „AfD“ für gescheitert und möchte diese am liebsten auflösen – fordert mindestens jedoch des Austritt Deutschlands aus dem Verbund. Darüber hinaus soll die Rückkehr zur D-Mark vorbereitet werden.
Mit diesem klaren Rückschritt zu mehr Nationalstaatlichkeit schlägt die Partei dann auch den Bogen zwischen den neoliberalen Ursprüngen und der neuen explizit rechten Ausrichtung der Partei.
Damit nähert sie sich inhaltlich und strategisch auch den anderen großen rechten Parteien in Europa an – sei es der Front National aus Frankreich, die Lega Nord aus Italien oder die FPÖ aus Österreich:
Die „AfD“ inszeniert sich als „Partei der kleinen Leute“, die von vermeintlichen politischen Eliten nicht berücksichtigt werden. So zündet sie neuerdings zum Beispiel mit dem Bekenntnis zum Mindestlohn oder der Kritik an Leih- und Zeitarbeit Nebelkerzen. Doch die Ausrichtung ist klar:
Die Partei will keine Umverteilung von Wohlhabenderen zu Ärmeren. Die Partei will eine Verteilung von Nicht-Deutschen zu Deutschen. Das Zwei-Klassen-System verläuft bei der „AfD“ entlang kultureller und ethnischer Linien.
Erschreckend ehrlich formuliert das der Essener AfD-Bundestagskandidat Guido Reil: „[…] das ist der Weg der Zukunft. Man kann schließlich national und sozial eingestellt sein.“
Ja: die AfD inszeniert sich vermeintlich sozial und vor allem national. Und genau das ist das Gegenteil vom „Weg der Zukunft“. Genau das ist der Weg der Vergangenheit: „national, sozial“, das hatten wir schon.
Anstatt echte Lösungsansätze für eine gerechtere Gesellschaft zu bieten, formuliert die Partei die Angst, Deutschland verliere „sein kulturelles Gesicht“. Als sei die Vielfalt nicht längst konstruktiver und produktiver Teil unserer Gesellschaft werfen die Rechten mit politischen Forderungen aus dem vergangenen Jahrhundert um sich: Grenzen dicht, Rückkehr zum Abstammungsprinzip bei der Staatsangehörigkeit, Minarette und Burkas verbieten, Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, islamtheologische Lehrstühle und islamischen Religionsunterricht abschaffen, den Doppelpass sowieso.
Nein, die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ bietet kein Konzept für eine bessere, gerechtere Gesellschaft, sondern fordert im Jahr 2017 ernsthaft immer noch: „Deutsche Leitkultur statt Multikulturalismus“ und schreibt: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Um eine vermeintliche Leitkultur zu erhalten wünscht sich die „AfD“ eine „Minuszuwanderung“.
Die irrationale Angst vor Fremdem, Neuem, zieht sich durch alle Bereiche des Programms. Alles, was nicht dem konservativen Bild einer deutschen Familie entspricht, wird abgelehnt. Selbige sei nämlich dazu da, das „Staatsvolk zu erhalten“. Glauben wir dem Programmentwurf müssen wir dazu das Familienbild der fünfziger Jahre reaktivieren: Nur „Vater, Mutter und Kinder“ sollen „Familie“ heißen dürfen. Dazu bleibt die Frau am besten zuhause, konsequenterweise werden Aktionen wie der „Equal Pay Day“ als Propaganda abgelehnt – ebenso natürlich Antidiskriminierungsarbeit in der sexuellen Aufklärung. Der Erhalt des „Staatsvolkes“ ist für die „AfD“ wichtiger als das Recht auf körperliche Selbstbestimmung – nur konsequent, dass auch der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erschwert werden soll.
Der Trend des Rechtspopulismus, ungeliebtes einfach als unwahr hinzustellen, findet sich im Programmentwurf der „AfD“ zum Beispiel im Bereich der Umwelt- und Energiepolitik: Das der Mensch den Klimawandel massiv negativ beeinflusst, ist für die Partei längst keine ausgemachte Sache. Deshalb wird der Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen gefordert, Subventionen für alternative Energien sollen gestoppt werden, die Partei will zurück zur Atom-Energie.
Messen wir die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ an diesem Programmentwurf, so wird schnell klar, dass wir diese vermeintlich alternativen Konzepte alle schon kennen, und zwar aus dem vergangenen Jahrhundert.
Wir kennen die Nationalstaaterei, wir kennen die Familienbilder, wir kennen die Energiepolitik. Wir kennen die Spaltung und Ausgrenzung.
Dieses durchweg reaktionäre Programm ist, vieles, aber sicher keine Alternative.
Dieses Programm strotzt nur so vor Rassismus, Sexismus, Homophobie, Islamophobie, Sozialchauvinismus & Ellbogengesellschaft.
Lasst uns diesem Programm in den kommenden Monaten entschlossen etwas entgegen setzen.
Lasst uns gemeinsam zeigen, dass wir keinen Bock auf Konzepte von vorgestern haben.
Lasst und gemeinsam gegen die Hetze von rechts einstehen.
Lasst uns gemeinsam für ein solidarisches Miteinander einstehen.
Lasst uns dem Rechtspopulismus kein Chance geben!
Folge uns!