Von Christian Ratz und Tape Lago – Mannheim/Heidelberg. In der Heidelberger Innenstadt versammelten sich am Samstag, 8. April, rund 30 AntifaschistInnen und andere ZuhörerInnen zu einer Kundgebung, um gegen das Verbot einer Solidaritätsdemonstration in Mannheim zu protestieren und ein Zeichen gegen die Diktatur des Erdogan-Regimes in der Türkei zu setzen. Zu der Versammlung hatte die Antifaschistische Initiative Heidelberg aufgerufen. Sie fordert von der Bundesregierung und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die Kriminalisierung der kurdischen und türkischen Linken zu stoppen und das Verbot der PKK aufzuheben.
Die verbotene Solidaritätsdemonstration war für Samstagsmittag in Mannheim geplant. Es hätte darum gehen sollen, ein klares Zeichen gegen den „Staatsterrorismus“ des Erdogan-Regimes zu setzen. Die VeranstalterInnen und TeilnehmerInnen wollten auch ihre Solidarität mit kurdischen und türkischen Linken zeigen (siehe unseren Bericht „Verbot als Ergebenheitsadresse an Ankara„).
Die Mannheimer Sicherheitsbehörden setzten ihr Verbot am Samstag auch konsequent durch. Schon um die Mittagszeit postierte die Polizei ihre Kräfte an Orten in der Stadt, die als Versammlungspunkte hätten genutzt werden können. So waren am Paradeplatz Polizeikräfte aus Göppingen auszumachen. Sie patrouillierten dort, um Menschenansammlungen zu verhindern.
Polizei hatte genügend Kräfte zur Verfügung
Ein ähnliches Bild zeigte sich am Mannheimer Wasserturm. Etwa zur selben Zeit bezogen weitere Polizeieinheiten rund um den Hauptbahnhof Stellung. Sie sprachen Menschen an, die dort in Gruppen standen, und teilten ihnen mit, dass die geplante „kurdische Demonstration“ verboten sei. Überdies forderten sie manche auf, den Platz zu verlassen und sich vom Hauptbahnhof zu entfernen.
Es war überraschend und mutete merkwürdig an, dass die Polizei, die sich nicht in der Lage gesehen hatte, eine angemeldete Demonstration vor den Übergriffen durch Erdogan-Anhänger und türkische Nationalisten zu schützen, auf einmal so viele Kräfte zur Durchsetzung des Demoverbots zur Verfügung hatte.
Absurdes Verbot kurdischer Symbole
Zu Beginn der Kundgebung auf dem Heidelberger Universitätsplatz erklärte Michael Csaszkóczy, welche kurdischen Symbole zu den 33 verbotenen gehören, und verglich sie mit Symbolen und Abbildungen, die in Deutschland erlaubt sind. Er kritisierte das Symbolverbot des Bundesinnenministeriums scharf. Es sei absurd, dass Abbildungen von Diktatoren und umstrittene Symbole in Deutschland zulässig seien, die Bundesregierung jedoch kurdische Symbole und Öcalan-Porträts verbiete.
Der bekannte Antifaschist Csaszkóczy sieht die Türkei in ihrer jetzigen Form als Terrorstaat. Dass in der Türkei keine demokratischen Spielregeln mehr gelten, sei allgemein bekannt, sagte er. Täglich gebe es neue Entlassungen, Verhaftungen und Betätigungsverbote. Redaktionen würden geschlossen, JournalistInnen eingesperrt und ins Exil gezwungen.
Wer für Nein wirbt, wird verfolgt
Amnesty International nennt die Zahl von einer halben Million KurdInnen, die gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Demselben Amnesty-Bericht zufolge wurden innerhalb weniger Monate der „Ausgangssperre“ in den kurdischen Gebieten 162 Menschen getötet, darunter 29 Frauen, 32 Kinder und 24 Menschen älter als 60 Jahre, erklärte er.
Menschen, die sich der nun auch formalen Umwandlung der Türkei in eine autoritäre Diktatur widersetzen und für Hayir, also ein Nein beim Referendum am Ostersonntag werben, würden unter Druck gesetzt, bedroht und verfolgt, sagte Csaszkóczy. Das gelte auch für türkische StaatsbürgerInnen, die in Deutschland leben. Auch sie würden vom türkischen Geheimdienst verfolgt und bespitzelt. Gegen sie würden Einreiseverbote und andere Repressalien verhängt.
Deutsche Unterstützung mit Geld und Waffen
Nicht einmal die seit Monaten andauernde Inhaftierung des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel habe etwas an der diplomatischen, militärischen und politischen Unterstützung des Erdogan-Regimes durch die deutsche Regierung geändert. Grund dafür sei nicht nur der „blutige Deal“ zur Abwehr von Flüchtlingen, den die Bundesregierung mit der Türkei geschlossen hat. Beide Staaten verbinde eine langjährige strategische Partnerschaft im imperialen Machtkampf, betonte Csaszkóczy.
Deutschland unterstütze die Türkei nicht nur mit Geld und immensen Waffenlieferungen, sondern auch mit Truppen im Osten der Türkei, die der türkischen Armee in ihrem „schmutzigen Krieg“ gegen die KurdInnen den Rücken frei hielten. An die Türkei gelieferte deutsche Waffen landeten letztlich im Krieg gegen die KurdInnen in der Türkei und in Syrien, bei türkischen Einheiten wie bei den Peschmerga und beim IS, sagte er weiter.
Türkische Oppositionelle in deutschen Gefängnissen
Auch innenpolitisch leiste die Bundesregierung der Türkei Schützenhilfe. Bereits 1993 wurde die kurdische Arbeiterpartei (PKK) in Deutschland zur „terroristischen Vereinigung“ erklärt und verboten. Derzeit sitzen neun kurdische Aktivisten und zwölf Angehörige anderer linker türkischer Exilgruppen in der BRD im Gefängnis. Sie wurden mithilfe des „Antiterrorparagrafen“ 129b zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Der Paragraf 129b erlaubt es, ganz normale politische Aktivitäten – beispielsweise das Organisieren von Demonstrationen, Kulturfesten und Vorträgen oder Spendensammlungen – zu kriminalisieren und mit Gefängnisstrafen zu belegen, indem eine Verbindung zur PKK hergestellt wird. Damit mache sich die BRD-Justiz zum Handlanger des Erdogan-Regimes, das die verstärkte Verfolgung der kurdischen Linken fordert.
Bundesregierung muss Zusammenarbeit beenden
Die Anmelderin der verbotenen Demonstration in Mannheim und der Kundgebung, kritisierte die staatliche Verfolgung der kurdischen und türkischen Linken in der Türkei und Deutschland scharf und forderte die Bundesregierung auf, sie zu beenden. „Schluss mit der Kriminalisierung kurdischer und türkischer Oppositioneller durch deutsche Behörden. Sofortige Einstellung aller Waffenlieferung und Abzug aller deutschen Truppen aus der Türkei. Aufkündigung des menschenverachtenden Flüchtlingsdeals mit der Türkei. Weg mit dem Verbot der PKK“ waren weitere Forderungen Makowskis.
Ihre Vor- und NachrednerInnen von der Linken.SDS und der Linksjugend Solid äußerten sich ähnlich. Die Polizei hielt sich während der Kundgebung in Heidelberg im Hintergrund und ließ die Versammlung von einem Polizeihubschrauber aus der Luft beobachten. Vor ihrem Beginn waren einige AntifaschistInnen, die mit dem Zug von Mannheim nach Heidelberg anreisten, von Polizeibeamten am Hauptbahnhof Heidelberg erkennungsdienstlich behandelt worden.
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