Von unseren ReporterInnen – Leinfelden-Echterdingen. Wer zur Veranstaltung wollte, musste ein Spalier von gut 80 Nazi-GegnerInnen mit Transparenten und lautstarke Sprechchöre passieren: Die AfD lud am Sonntagabend, 9. April, zu einem Vortrag in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Redner war der Sprecher der baden-württembergischen Landespartei, der Südtiroler Marc Jongen. Sein Thema: „Deutsche Leitkultur statt Multikulti“.
Der Wahlkampf-Auftakt blieb nicht ohne Reaktion. Einige AktivistInnen protestierten auch in der Halle selbst. Sie sollen ein Transparent aufgespannt und kleine Zettel mit Parolen geworfen haben, ehe sie die Halle verlassen mussten. Bei der Veranstaltung stellten sich auch die Bundestagskandidaten der AfD für die Wahlkreise Esslingen (der Informatiker Stephan Köthe) und Nürtingen (die Ärztin Vera Kosova) vor.
Gerangel vor der Treppe zum Aufgang
Der Großteil der GegendemonstrantInnen erreichte den Veranstaltungsort in einem Demozug gegen 18.30 Uhr. Sie postierten sich vor den Treppenstufen vor dem Eingang zur Halle, auf deren Fassade Unbekannte Aufschriften angebracht hatten, und arbeiteten sich langsam hoch. Die Polizei, zunächst mit einem überschaubaren Aufgebot vor Ort, schritt umgehend ein und drängte die AktivistInnen zurück: „Die Treppe gehört nicht zum Versammlungsort. Ich verstehe da heute keinen Spaß“, erklärte einer der leitenden Beamten.
„Wer schweigt, stimmt zu, lasst Rassisten nicht in Ruh“, „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“, „Ob Ost, ob West – nieder mit der Nazipest“ gehörte zu den Parolen, die gerufen wurden. Sobald sich ein AfD-Anhänger dem Halleneingang näherte, gab es Gerangel. Die Polizei zog einen Aktivisten aus der Menge. Er wurde im Schwitzkasten zu einer erhöhten Pflanzen-Rabatte gezerrt. „Wegen was werde ich durchsucht?“, fragte der Mann. „Wegen der Straftat, dass sie einen Kollegen beleidigt haben“, erklärte ein Beamter: „Sie haben die Möglichkeit, sich zu beschweren.“
Schlagstock und Pfefferspray nur als Drohung
Die Einsatzkräfte der Polizei – unter ihnen zehn mit weißen Helmen – drängten die Protestierenden immer wieder vom Treppenaufgang weg und ermöglichten so AfD-Anhängern ungehinderten Zugang zur Halle. Gelegentlich zückten Beamte präventiv ihren Schlagstock. Er kam aber ebenso wenig zum Einsatz wie das griffbereit gehaltene Pfefferspray. Auch wurden immer wieder AktivistInnen – auch einzelne – von den Beamten gezielt fotografiert und gefilmt.
Um 19.35 Uhr erhielten die Einsatzkräfte Verstärkung von Beamten mit Helm und Schutzwesten. Sie drängten die Protestierenden endgültig von den Treppenaufgängen weg. Die AktivistInnen sammelten sich zu einer kleinen Kundgebung an einem Infostand, wo schon die ganze Zeit antifaschistische Musik gelaufen war. „Ob Pegida oder AfD, stoppt den Rechtsruck in der BRD“, skandierten sie laut – in der Hoffnung, auch drinnen in der Halle gehört zu werden: „Um Europa keine Mauer, Bleiberecht für alle und auf Dauer.“
Flashmob im weißen Maleranzug
„Das ist heute ein sehr vielseitiger Protest. So machen wir weiter „, kündigte ein Sprecher des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region (AABS) an. Ein Flashmoh mit drei auf dem Boden liegenden AktivistInnen in mit roter Farbe verschmierten weißen Maleranzügen sollte zeigen, was die von der AfD geforderte Abschottung der Grenzen der EU für Flüchtende bedeuten würde.
Kurz nach 20 Uhr erklärte der Versammlungsleiter die Kundgebung für beendet, und es bildete sich eine Spontandemo zur S-Bahn-Haltestelle. Die Polizei beschränkte sich darauf, sie in lockerer Formation zu begleiten und den Verkehr zu regeln.
Die Rede der Antifaschistischen Aktion Nürtingen im Wortlaut:
„Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
Liebe Anwesende,
wir sind heute hier, weil für etwas stehen was in dieser Halle abgelehnt wird. Für Solidarität. Für ein Land in dem nicht jeder gegen jeden ausgespielt wird. Unser Ziel ist nicht die Menschen auseinander zu dividieren, sondern zu einen. Gemeinsam sind wir stark und das pauschale Abwerten Menschen anderer Herkunft geht uns gehörig gegen den Strich!
Doch das ist, was wir heute hier in der Halle hören werden. Mit Dr. Marc Jongen tritt hier auf den Fildern der Philosoph der Partei in Erscheinung. Ein Mann der schlau genug ist seinen Rassismus zu verstecken und intellektuell zu verklären. Doch hinter den Bezügen auf Kant, Platon und Nietzsche erleben wir nichts anderes, als die Ablehnung schutzbedürftiger Menschen.
In seinen Augen haben die Menschen freiwillig ihre Länder verlassen. Daher seien sie auch nicht als Gäste zu behandeln. Offen verschließt Jongen die Augen vor den Problemen dieser Welt. Vor Hunger, vor Krieg, vor Armut – deutsche Waffenlieferungen, der Ausbau neokolonialer Verhältnisse in der Welt?
Kein Thema für eine Partei die zwar unsere Profite durch diese Verhältnisse wahren will, aber die Augen verschließt. Die Augen verschließt vor dem Preis, den andere dafür zahlen müssen. Diese Ferne gilt es zu durchbrechen. Empathie sollte ein Grundzug unserer Gesellschaft sein.
Lassen wir uns die Kindergartenlogik der AfD durchbrechen. Ursache – Reaktion – Wirkung sollten immer hinterfragt werden. Dann kommt man auch nicht auf solche kruden Thesen, wie eine planmäßigen Austausch der Bevölkerung in diesem Land.
Wer arglos von einer Bedrohung des deutschen Volkes durch Immigration spricht sollte sich erst einmal anschauen, wie es in anderen Ländern steht. Schauen wir uns Jordanien an. Dort leben aktuell über 1,5 Millionen Flüchtlinge – bei 6 Millionen EinwohnerInnen. Übertragen auf Deutschland wären das 20 Millionen Flüchtlinge. Und doch findet in diesem Land ein solidarisches Miteinander seinen Platz. Scheinbar wissen ärmere Länder besser, was es bedeutet seine Heimat hinter sich zu lassen. Scheinbar ist Empathie gerade in jenen Kreisen, welche das christliche Abendland verteidigen wollen zu einer Farce verkommen.
Das Christentum versprach eigentlich einmal „liebe deinen Nächsten“. Doch gerade für die Verteidiger dieser Tradition scheint es nicht einmal möglich zu sein, hilfsbedürftige Menschen zu lieben. Eine reine Heuchelei, um sich in einer vermeintlichen Mehrheitsposition zu wiegen.
Aber verfallen wir mal nicht in die Theologie. Viele reale Ansatzmöglichkeiten gibt’s es ja bereits. Manche auch tatsächlich durch die Kirchen. Finden wir zusammen. Finden wir zusammen als Menschen. Als Menschen welche diese Welt bevölkern.
Hierfür gilt es nicht fliehenden Menschen unsere Probleme aufzuladen. Nicht einen einfachen Sündenbock zu suchen, sondern die Welt in ihrer Komplexität zu sehen. Kämpfen nicht dafür, dass Menschen nicht mehr hierherkommen. Sondern dafür, dass sie ihre Heimat nicht mehr verlassen müssen!
Dafür gilt es aktiv zu werden gegen das wirtschaftliche Gefälle in dieser Welt. Gegen militärische Interventionen und für eine solidarische Gesellschaft. Für eine solidarische Gesellschaft in welcher jeder Mensch das Recht auf alles zum Leben notwendige besitzt und sein Überleben gesichert ist.
Das wäre eine wirkliche Alternative!
Brick by Brick, Wall by Wall – make the fortress europe fall“
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