Von unseren ReporterInnen – Mannheim/Stuttgart/Müllheim. Erfolg oder Misserfolg? Das ist eine Frage des Blickwinkels. Weit mehr Menschen als im Vorjahr protestierten bei den diesjährigen Ostermärschen in Baden-Württemberg gegen Krieg und Militarisierung – aber längst nicht so viele, wie angesichts der gefährlichen Weltlage zu erwarten war. Unter die knapp 2500 Ostermarschierer in Stuttgart mischte sich mit der „Deutschen Mitte“ auch eine rechte Gruppierung.
Mannheim: Gegen Coleman-Barracks als Waffen-Drehscheibe
In Mannheim war das örtliche Friedensplenum am Ostersamstag, 15. April, Veranstalter der Friedenskundgebung und Demonstration durch die Innenstadt. Nach seinen Angaben beteiligten sich rund 500 KriegsgegnerInnen.
Nach kurzen Ansprachen von Roland Schuster und Hedwig Sauer-Gürth (beide Friedensplenum Mannheim) zogen die Ostermarschierer vom Quadrat L1 in Richtung Paradeplatz. Dort gab es eine Zwischenkundgebung. Roland Schuster betonte bei seiner ersten Ansprache, dass man „bewusst und aus aktuellem Anlass“ am Vorabend des Referendums in der Türkei die kurdische Gemeinde Ludwigshafen-Mannheim zum Ostermarsch eingeladen hatte und ein Vertreter der kurdischen MitbürgerInnen bei der Abschlusskundgebung sprechen werde.
Schlusskundgebung auf dem Alten Messplatz
Der bunte und vielfältige Demozug zog vom Paradeplatz weiter durch die Mannheimer Innenstadt und über die Breite Straße in Richtung Alter Messplatz zum Ort der Abschlusskundgebung. Einsetzender Regen dezimierte die Personenzahl derer, die am Alten Messplatz ankamen. Dort nahm Uwe Neuendorf an der Gitarre die TeilnehmerInnen ein zweites Mal mit pazifistischen Liedern in Empfang.
Roland Schuster und Hedwig Sauer-Gürth vom Friedensplenum Mannheim, Alev Bahadir von der DIDF, Kerim von der Kurdischen Gemeinde Ludwigshafen-Mannheim, Renate Wanie vom Heidelberger Friedensratschlag und Regina Hagen von der Kampagne Atomwaffenfrei hielten Ansprachen. Thomas Mickan (DFG-VK) verzichtete aus organisatorischen Gründen auf seine Rede.
Rednerinnen fordern friedliche Konfliktlösung
Alle RednerInnen traten für eine Welt ohne Kriege, Militär und Gewalt ein, ebenso für Frieden im Nahen Osten und gegen deutsche Kriegsbeteiligung. Sie lehnten eine Unterstützung des Despoten Erdogan in der Türkei ab und forderten eine Deeskalation und friedliche Konfliktbeilegung in der Ukraine.
Ebenso forderten sie, die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden und eine friedfertige Außenpolitik zu betreiben. Die Grenzen müssten für Menschen geöffnet und für Waffen geschlossen werden. Statt Rüstungsexporte auszuweiten, müsse man die zivile Produktion steigern. Ebenso traten die Rednerinnen für eine Welt ohne Massenvernichtungswaffen, gegen jede Form von Populismus und für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung ein.
Bevölkerung will kein Abschiebe-Zentrum
Von Mannheim und der Rhein-Neckar-Region gehe der Krieg aus, kritisierten die RednerInnen. Das Friedensplenum Mannheim geht davon aus, dass auf dem US-amerikanischen Stüzpunkt „Coleman-Barracks“ in Mannheim-Sandhofen eine Vielzahl militärischer Rüstungsgüter vorgehalten wird. Ein Teil soll schon von dieser logistischen Drehscheibe aus in osteuropäische Länder und weiter an EU-Außengrenzen verlegt worden sein.
Als besonders bedenklich wurde am Ostersamstag angeführt, dass „Coleman“ als Alternative neben anderen Standorten in Heidelberg und Schwetzingen zum „Ankunfts-Zentrum“ zur kurzfristigen Aufnahme und Abschiebung von Geflüchteten werden könnte – gegen eine mehrheitliche Ablehnung aus der Bevölkerung in Mannheim.
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Stuttgart: Politik im Interesse der Mehrheit der Menschen
Die Ostermarschierer in Stuttgart trafen sich am Karsamstag um die Mittagszeit in der Lautenschlager Straße gegenüber vom Hauptbahnhof. Dort nahm sie Henning Zierock mit dem Theodorakis-Ensemble in Empfang. Roland Blach von der DfG-VK begrüßte die Versammelten. Der Ostermarsch sein notwendiger denn je, sagte Moderator Dieter Lachenmayer vom veranstaltenden Friedensnetz am Mikrofon auf dem Bühnenwagen.
Lage so gefährlich wie seit der Kuba-Krise nicht mehr
Das unterstrich auch ein Sprecher des Friedenstreffs Stuttgart Nord: Die Kriegsgefahr wachse. Die aktuelle Lage sei so gefährlich wie seit dem Korea-Krieg und der Kuba-Krise nicht mehr. „Jeder Krieg beginnt mit Lügen“, erklärte der Redner und führte als Beispiel die Bombardierung des syrischen Militärflughafens nach dem noch ungeklärten Einsatz von Giftgas an. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte den völkerrechtswidrigen Luftschlag als „Warnschuss“ für den Schlächter Assad verharmlost.
Donald Trump, bis dahin als Narzisst verspottet, erfreue sich nun des Beifalls seiner westlichen Verbündeten. Die Forderung nach einer Aufstockung der deutschen Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts – 70 Milliarden Euro – werde nicht einmal beklagt, sondern sei offenbar regelrecht herbeigesehnt worden: Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Das ist der Imperialismus und die deutsche Kriegsindustrie“, sagte der Sprecher in Anlehnung an Karl Liebknecht.
„Los Cholerikos“ machen Stimmung
Auf dem Weg durch die Theodor-Heuss-Straße über den Rotebühl-Platz, die Eberhardstraße, die Marktstraße und die Hauptstätter Straße zum Schlossplatz wuchs der Demozug auf über 2000, eher 2500 Menschen an. Neben Infoständen empfing die Band „Los Cholerikos“ von der Bühne aus die eintreffenden OstermarschiererInnen.
„Es wird Zeit, dass wir wieder mehr werden“, sagte Dieter Lachenmayer. Er bat die rechte Gruppierung „Deutsche Mitte“, keine Flugblätter „gegen das Willkommen für Flüchtlinge“ zu verteilen – schließlich richte sich der Ostermarsch gegen Kriege als Fluchtursachen. Die Mitglieder der Gruppierung ließen sich von dem Appell jedoch wenig beeindrucken.
Kanonenbootpolitik erinnert an den Imperialismus
Im Lauf der Schlusskundgebung kapitulierte ein großer Teil des Publikums vor zweifellos klugen, aber zu langen Reden und ging vorzeitig. Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung sprach als erster für die Friedensbewegung. Auch er geißelte, dass Donald Trump nach dem Bombenabwurf auf Syrien jetzt plötzlich „als Staatsmann von Weltrang“ gelte. Die Kanonenbootpolitik erinnere an den Imperialismus früherer Zeiten und führe zwangsläufig zur Eskalation, warnte er. Deutschland wolle offenbar mitmischen: „Es waren immer die Großmächte, die das Völkerrecht für obsolet erklärt haben“, sagte er.
Bei allen Kriegen in Afrika sei die US-Kommandozentrale Africom in Stuttgart-Möhringen Teil des Problems. Sie und Eucom müssten geschlossen werden – ebenso wie alle anderen Einrichtungen der Kriegslogistik. „Das Thema Gegenkonversion wird uns beschäftigen“, sagte Marischka mit Blick auf den Truppenübungsplatz bei Nagold. Er sprach auch die Waffenschmiede Heckler und Koch in Oberndorf an: „Rüstungsindustrie ist korrupt, tödlich und sie gehört abgeschafft“, forderte er – ebenso wie ein Ende der Militarisierung von Forschung und Lehre und der Bundeswehr-Propaganda in den Schulen.
Rüstung tötet schon im Frieden
Konrad Ott, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ludwigsburg, wurde einst als Betriebsrat bei Heckler und Koch gefeuert, weil er sich gegen Rüstung aussprach. „Die Welt ist aus den Fugen“, begann er seine ausführliche Ansprache. Er verwies auf 18 Kriege und 402 Konflikte weltweit nach einer Auflistung des Heidelberg-Instituts für Internationale Konfliktforschung von 2016.
Er erinnerte auch an die 20 Millionen hungernden, auf Hilfe angewiesenen Menschen südlich der Sahara. „Wir verlangen, dass die Politik ihre Verantwortung ernst nimmt und das Aufrüsten endlich stoppt“, forderte Ott: „Macht endlich Politik für die Mehrheit der Menschen und nicht für Banken, Konzerte und die Reichen“, forderte er und stellte klar: „Rüstung tötet schon im Frieden“. Das Geld für die jährlichen Rüstungsausgaben von 1700 Milliarden Euro im Jahr 2012 fehlten für die Flüchtlingshilfe und die Bekämpfung der Fluchtursachen. Rüstung und Sozialabbau seien zwei Seiten der selben Medaille. „Wenn wir die Probleme der Welt nicht lösen, werden sie zu uns kommen“, habe Willy Brandt vor vierzig Jahren schon gesagt.
DIDF warnt vor weiterer Eskalation
Ausführlich schilderte Ott, dass die IG Metall Gesundheitspolitik und Altersversorgung zum Schwerpunkt mache. Nächster Redner war Düzgün Altun von der Föderation demokratischer Arbeitervereine DIDF. „Wir stehen buchstäblich am Abgrund“, warnte er mit Blick auf Nato-Truppen an der russischen Grenze, Kriegsschiffe mit Kurs auf Nordkorea und Bomben auf Syrien. „Hört auf, die Regionen zu destabilisieren“, forderte er.
Für die Türkei hatte er eine düstere Prognose. Über eine halbe Million Menschen seien aus den Kurdengebieten vertrieben, tausende Journalisten und Politiker in Haft, viele im Hungerstreik: „Wenn der türkische Staat nicht einlenkt und die Haftbedingungen verbessert, wird es sehr viele Tote geben.
Repression gegen türkische AkademikerInnen
Henning Zierock von der Gesellschaft Kultur des Friedens wies auf einen offenen Brief an die Bundesregierung „Den Frieden gewinnen – nicht den Krieg“ hin und spielte noch einmal mit dem Theodorakis-Ensemble griechische Lieder. Das Offene Treffen gegen Krieg und Militarisierung stellte einen Waffendeal zwischen Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan als improvisiertes Straßentheater auf der Bühne dar.
Betül Havva Yilmaz von den AkademikerInnen für den Frieden berichtete von den Repressionen nach einer Unterschriftenaktion von Universitätsangehörigen. Die Beteiligten hatten sich in der Türkei für eine Aufhebung von Ausgangssperren in kurdischen Städten eingesetzt. Über 300 Akademikerinnen verloren ihre Stellen. Ein 34-Jähriger brachte sich um.
„Es wäre einfacher gewesen zu schweigen“, sagte Yilmaz. Aber das werden wir nicht tun. Wir haben unsere Unterschriften nicht bereut. Wir verzichten weder auf Freiheit noch auf Gerechtigkeit.“
Die Literaturwissenschaftlerin selbst ist seit Januar in Deutschland und erfuhr hier von ihrer Entlassung. Seither hält sie regelmäßig in Tübingen Protestmahnwachen ab. „Unser Kampf ist noch nicht beendet. Wir haben recht und wir werden siegen“, sagte sie.
Den Ängsteschürern das Maul stopfen
Als letzter Redner sprach der frühere Betriebsseelsorger Paul Schobel. Vielen von denen, die dageblieben waren, gingen seine eindringlichen Worte zu Herzen. „Wir lassen nicht zu, dass Kinder verhungern, während man Milliarden in Rüstung verpulvert“, sagte er: „Wir dulden nicht länger eine Politik, die tötet und trennt, statt dass sie heilt und verbindet.“
Militärische Gewalt sei kein Mittel der Politik, sondern provoziere zur neue Gewalt. Bei einem internationalen Konflikt würde Deutschland zur Zielscheibe. „Wacht endlich auf“, mahnte er. „Nehmt Euch vor allem derer an, die vom Abstieg bedroht sind“, sagte er über die Zielgruppe von Rechtspopulisten: „Aber denen, die die Ängste schüren, müssen wir das Maul stopfen.“
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Müllheim: 400 Menschen beim Ostermarsch
Die Forderung nach einer menschlichen Welt in Frieden und der entschiedene Kampf gegen Rechts – das waren die Themenschwerpunkte am Ostermontag, 17. April, im südbadischen Müllheim. Der Friedensrat Markgräflerland und der DGB Markgräflerland hatten dazu vor die Kaserne der Deutsch Französischen Brigade in Müllheim eingeladen. 400 Menschen waren der Einladung gefolgt.
Uli Rodewald verlas eine Grußadresse des Rüstungskritikers Jürgen Grässlin, in der die kriegerische Funktion der Deutsch-Französischen Brigade dargestellt und deren Auflösung gefordert wird. Anne-Katrin Vetter vom Friedensrat überbrachte den Gruß des Liedermachers Konstanin Wecker an die Ostermarschierer, in dem es heißt: „Ich misstraue entschieden der Fiktion, mehr Menschlichkeit ließe sich durch unmenschliche Kriege herbei bomben. Nichts hat dem Terror mehr Nahrung gegeben als gerade der blindwütige „War on Terror“ der letzten 16 Jahre. Und auch die entsetzliche Wiederkehr rechtsradikalen Gedankenguts in Europa hat mit unserer profitgetriebenen Kriegspolitik zu tun.“
Rote Luftballons und blaue mit Friedenstaube als Botschaft
Dann stiegen an der Kaserne zum Lied „Traum vom Frieden“ von Hannes Wader Ballons in die Luft, blaue mit der Friedenstaube und rote vom DGB. Sie trugen den Wunsch nach Frieden über Müllheim hinaus.
Nach dem lauten Ostermarsch durch die Stadt, auf dem immer wieder die Forderung nach „Frieden schaffen ohne Waffen“ und ein schrilles „Wir pfeifen auf eure Kriege!“zu hören war, wurden die Teilnehmer auf dem Marktplatz von Musikern aus dem Roma Büro Freiburg mit lebensfroher Musik begrüßt, die es den Zuhörern warm ums Herz und auch an den Händen werden ließ.
Ostermarsch im Südwesten macht Mut
Uli Rodewald vom Friedensrat Markgräflerland verwies in seiner Rede auf die drastischen Veränderungen in der deutschen Politik in den letzten zwanzig Jahren: Mit dem Eintritt in den Krieg um Jugoslawien unter einer rot-grünen Regierung habe sich Deutschland von der Maxime „Nie wieder Krieg!“ verabschiedet und sich für eine gewalttätige Politik entschieden. Um zu einer Politik des Friedens zu kommen, sei das Engagement der Vielen nötig.
Ostermarsch im Südwesten: Gibt den Teilnehmern Mut, fröhlich und entschieden einzutreten für eine Welt, die von Waffen nichts mehr hält. Denn das ist für die Menschen am besten.
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Siehe auch den Ostermarsch-Bericht des Forum Internationalismus aus Berlin: „Oh Herr, lass Hirn regnen statt Bomben“
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