Kommentar von Alfred Denzinger – Stuttgart. Viele Dinge gab es am Samstag, 22. April, zu bestaunen. Überwiegend Dinge, über die man schmunzeln kann. Teilweise konnte man sich sogar biegen vor lachen. Aber nicht nur. Denn es ist eben nicht nur witzig, was der Fellbacher Wanderzirkuschef Michael Stecher auf dem Schillerplatz von sich gab. Das hat auch nicht wirklich was mit „Meinungsfreiheit“ zu tun, wie es mir ein höflicher Polizist im Gespräch erklären wollte. Denn es ist nun mal eben keine Meinung, wenn man rassistische Hetze verbreitet. Und es ist auch keine Meinung, wenn man über mich unwahre Tatsachenbehauptungen öffentlich von sich gibt. Somit hat die Polizei am Samstag auch nicht die Meinungsfreiheit verteidigt, sondern sie hat einem rechtsradikalen Hetzer eine Plattform präsentiert. Unter dem Schutz von 300 Polizeibeamten, acht Polizeipferden und einem Wasserwerfer wurde hier einem rechten Dauerhetzer der Auftritt ermöglicht. Geht´s noch?
In der Innenstadt von Stuttgart stand schon lange Zeit kein Wasserwerfer mehr. Letztmals war das Ungetüm am schwarzen Donnerstag, am 30. September 2010, im Einsatz. Damals ging es um die Räumung des Schlossgartens (siehe hierzu „Das war mein Schwarzer Donnerstag„). Auf wen wollte die Polizei denn diesmal schießen? Die Beamten machten nicht gerade einen sehr überzeugten Eindruck bei ihrem Dienst am Samstag. Was ist denn das für eine Einsatzleitung, die ihre Polizeibeamten in eine derart lächerliche Position brachte?
Das stärkste Lager war mit 300 Menschen vertreten – die Polizei
300 Polizisten zum Schutz einer rechten Versammlung, die gerade mal 14 Teilnehmer hatte?! Soll das ein verhältnismäßiger Einsatz sein? Auch die rund 150 GegendemonstrantInnen waren kein Grund für einen solchen Einsatz. Wie wurde denn hier mit unseren Steuergeldern umgegangen? Die japanischen Touristen haben sich jedenfalls köstlich amüsiert und fleißig fotografiert. Herzlichen Glückwunsch an die Einsatzleitung der Polizei. Sie haben Stuttgart ins „rechte“ Licht gerückt.
Die Polizei sprach nach der Versammlung des Wanderzirkusses von 17 Teilnehmern. Auch seltsam, irgendwie. Wo die zählenden Beamten doch fast ausnahmslos dazu neigen, die Teilnehmerzahlen von Versammlungen zu dezimieren, sahen die Zähler offensichtlich Menschen, die nicht für alle sichtbar waren. Ich zählte jedenfalls in der Spitze 14 (vierzehn) Teilnehmer im rechten Lager. Hat der Beamte hier vielleicht die Taube am Rande der Kundgebung mitgezählt – und vielleicht auch noch den Taxifahrer, der den Herrn Zirkusdirektor vom Platz fuhr? Nun ja, kann ja sein. Aber wo um alles in der Welt war der siebzehnte Teilnehmer versteckt? Ich weiß es nicht.
Und er blicket still und stumm, auf dem ganzen Platz herum
Er konnte einem schon fast leid tun, der Michael Stecher. Seine Kundgebung, die um 16 Uhr beginnen sollte, zählte um diese Uhrzeit gerade mal 4 (vier) Teilnehmer. Ein absolutes Trauerspiel – hatte er doch 100 Teilnehmer erwartet. Und das auf einem Platz, der gut und gerne einigen tausend Leuten Platz geboten hätte. Weiträumig mit Hamburger Gittern eingezäunt.
Vom Fuß des Schillerdenkmals hatte ich einen schönen Rundumblick. Der Zirkusdirektor hielt von unten in allen Richtungen Ausschau nach weiteren Teilnehmern. Und die „Massen“ kamen dann auch. Erst zögerlich, dann in Strömen. Letztendlich konnte ich besagte vierzehn Teilnehmer erspähen.
Unhaltbare Behauptungen eines Unwichtigen
Nachdem der Herr Direktor mich persönlich über Lautsprecher begrüßt hatte, wischte er auch den Beobachter News eine aus. Bei all den Sonderbarkeiten möchte ich nur einen Punkt herausheben. Stecher behauptete, ich hätte ihn bei einer Demonstration im Herbst angreifen lassen. Wenn dem so wäre, warum hat er das denn dann nicht längst zur Anzeige gebracht? Dieser Mensch genießt im Moment noch den Vorteil, dass er mir nicht wichtig genug ist, um gegen ihn juristisch vorzugehen. Ich wünsche Herrn Stecher nicht, dass ich meine Meinung zu seiner Person ändern werde.
Die „linke Terrorgruppe Antifa“ – und ihre Unterstützer
Stecher formulierte in der Folge dermaßen absurde Dinge, dass sie mich sehr an einen Auftritt eines Hofnarren erinnerten. Auch hier wird es wohl von der Sicht der betroffenen Organisationen abhängen, wie lange der rechte Hetzer seine Spielchen noch ohne juristische Folgen treiben kann.
Stecher erklärte, dass hinter der „linksfaschistischen Terrororganisation Antifa“ offenkundig finanzielle und logistische Unterstützer und Partner verborgen wären. Hierzu gehörten auch bundesdeutsche Behörden, Organisationen und Firmengeflechte.
Hier nur ein kleiner Auszug aus der langen Liste: Berliner Stadtreinigung BSR, Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg e.V., der Konzern Vattenfall GmbH, die Firma Mediaservice, der Handelsverband Berlin-Brandenburg, die Gewerkschaft Verdi, der Deutsche Gewerkschaftsbund DGB, der AWO Landesverband Berlin, die SPD, das Bündnis 90 / DIE GRÜNEN …
Besonders hob Stecher den DGB hervor. Dieser unterstütze Aktionen, die gegen das Grundgesetz verstießen.
Ist das alles nur zum Lachen?
Man könnte natürlich nur drüber lachen. Und ich habe am Samstag wirklich sehr viel gelacht. Aber nur darüber lachen würde der Sache „Stecher“ insgesamt nicht gerecht werden. Hier versucht ein rechter Hetzer in Narren-Manier immer wieder sein wirres politisches Gedankengut – und das seiner Anhänger und Redner – zu verbreiten. Die Inhalte sind teilweise offen rassistisch und neofaschistisch. Dabei ist es unerträglich, mit welchem Aufwand die Polizeiführung dieses rechtsradikale Treiben durch ihr Verhalten fördert.
Es bleibt dabei:
Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Man sieht sich… auf der Straße! 😉
Siehe auch
Wanderzirkus mit Senf
Entsetzen über roten Teppich für Neonazis
Rassisten entlarven sich selbst
Rechte Kundgebung unter Protest
Schwere Blamage für „Fellbach-wehrt-sich“
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