Von Rick de la Fuerte – Sinsheim. Deutlich mehr Anhänger der verfassungsfeindlichen NPD, aber auch mehr GegendemonstrantInnen als bei ähnlichen Anlässen in jüngerer Zeit erschienen am Samstag, 6. Mai, in Sinsheim. Die NPD hatte zu der sogenannten „8. Mahnwache gegen Kinderschändung, Frühsexualisierung und islambedingte Kinderehen“ geladen. Das Bündnis „Für Toleranz in Sinsheim“ rief zum Protest auf. Auf beiden Seiten demonstrierten jeweils etwa 50 bis 60 Personen. Entsprechend viele Polizeikräfte waren vor Ort.
Der örtliche DGB, die Linken, SPD, AntifaschistInnen und weitere Teile der Bevölkerung lehnten mit lautstarkem Protest die Kundgebung der Nazi-Partei und ihrer Anhängern kategorisch ab – ebenso deren anschließenden Aufzug in der Südstadt. Das Protestbündnis hatte im Vorfeld mobilisiert und um weitere Unterstützung gebeten.
NPD, Hooligans und Identitäre weitgehend unter sich
Unter dem Schutz der Polizei sammelten sich die NPD-Anhänger vom Hauptbahnhof kommend am Wächter. Dort wurden sie bereits von AntifaschistInnen erwartet. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit begannen mit Verzögerung die Reden der Rechten. Sie waren auch aus zirka 50 Metern Entfernung kaum zu verstehen. Die mitgebrachte und auf dem Mietwagen platzierte Lautsprecheranlage der NPD war desolat, umso lautstarker der Protest der GegendemonstrantInnen.
Jan Jaeschke (NPD Rhein-Neckar) begrüßte seine Anhänger und verlas vom Blatt, worum es ihm bei der Mahnwache ging. Satz- und Wortfetzen: „Patrioten“, „gescheitertes NPD-Verbotsverfahren“, „Danke Melanie“. Ricarda Riefling, Mitglied des NPD-Bundesvorstands und Bundesvorsitzende des Rings nationaler Frauen aus Hessen, brachte zahlreiche Teilnehmer aus ihrem Bundesland mit und wandte sich in ihrer Ansprache wohl „gegen die Frühsexualisierung von Kindern“, soweit ihr Wortbeitrag überhaupt zu verstehen war.
- Jan Jaeschke
Rechts-nationales Potpourri
Auch die Identitäre Aktion, eine Abspaltung der identiären Bewegung, mit Melanie Dittmer an der Spitze durfte bei diesem Schaulaufen nicht fehlen. Dittmer sagte sinngemäß: „Ich muss mir gut überlegen, was und wie ich es sage…wurde doch nach einer Ansprache in Karlsruhe verurteilt…“
- Melanie Dittmer
Ganz Melanie Dittmer konnte man unter dem lautstarken Gegenprotest in etwa heraus hören, dass sie wohl glaubt, dass Kinderehen von allen Muslimen für gut geheißen würden und deshalb der Islam in der deutschen Gesellschaft keinen Platz hätte. Eine Hooligan-Truppe, die durch Provokationen auffiel, rundete das rechts-nationale Potpourri ab.
Konditionsschwächen bei der Abschlusskundgebung
Zahlenmäßig deutlich reduziert kehrten die Neo-Nazis von ihrem Aufzug durch die Südstadt, wo sie Augenzeugen zufolge mit Ablehnung bedacht wurden, an ihren Versammlungsort am Wächter zurück. Auch das Lager der AntifaschistInnen hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon sichtlich gelichtet. Die kurz gehaltene Abschlusskundgebung wurde von den verbliebenen GegendemonstrantInnen durch Sprechchöre und Pfiffe gestört.
Der Aufruf des Bündnisses „für Toleranz in Sinsheim“ im Wortlaut:
„Aufruf gegen die Aktionen der NPD
Am Samstag, den 6. Mai will die NPD wieder in Sinsheim demonstrieren und Kundgebungen abhalten, nachdem der letzte Aufmarsch der Kleinstpartei „Die Rechte“ am 8. April mit 20 Teilnehmern gerade mal vier Wochen her ist.
Wieso hier?
Hier in Sinsheim gibt es ein kleines Grüppchen unverbesserlicher Nazis. Dazu werden immer wieder Unterstützer aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz herangekarrt. Ihr Vorsitzender hat nichts Besseres zu tun, als sich auf allen „Kanälen“ zu produzieren. Ihr regelmäßiges Auftreten nervt die Sinsheimer, keiner interessiert sich wirklich für sie. Bei der letzten Landtagswahl haben sie nur wenige Stimmen erzielt.
Wäre es besser, dieses Häufchen zu ignorieren?
Nein! Denn das Bündnis für Toleranz mit seinen zahlreichen UnterstützerInnen aus Parteien, Gewerkschaften und der Kirche will nicht zulassen, dass die menschenverachtenden Parolen von NPD und „Die Rechte“ in der Öffentlichkeit unwidersprochen bleiben. Passanten hätten sonst den Eindruck, Naziaufmärsche wären in Sinsheim normal.
Wie ist es an anderen Orten?
In Mauer, Wiesloch, Waibstadt und Heidelberg sind die Nazis mit ihren Aktionen gescheitert, da sich genügend Leute entgegengestellt haben. Hier kommen sie oft und viele Sinsheimer wollen nicht ständig auf Garten, Schwimmbad oder Hobby verzichten. Das nutzen die Nazis aus, die sich im „Gewand“ mehrerer Parteien präsentieren, die sich gegenseitig mit ihren Hassparolen überbieten.
Was sagt der Gemeinderat?
Der Gemeinderat hat in seiner Resolution am 24.10.2012 erklärt:
„Wir bekennen uns zu einer Gesellschaft, die vielfältig ist. In Sinsheim darf niemand wegen seiner Abstammung, seiner Nationalität, seiner Religion, seiner Kultur oder seiner Hautfarbe ausgegrenzt, diskriminiert oder bedroht werden. Deswegen wollen wir alles dafür tun, dass in Sinsheim rechtsextremistisches Gedankengut keinen Raum bekommt und für extremistisches Handeln erst recht kein Platz besteht.“ (Auszug)
Das Bündnis für Toleranz ruft deshalb alle dazu auf, am Samstag, den 6. Mai laut und deutlich den menschenverachtenden Hetzparolen entgegenzutreten.
Wir sagen zu jedem Nazi: „Geh fort!“
Treffpunkt: Kirchplatz 10F, vor dem IG Metall Büro, Sinsheim.
Uhrzeit: 12:30 Uhr.“
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