Von unseren ReporterInnen – Berlin. Der 1. Mai war in der Bundeshauptstadt auch in diesem Jahr geprägt von Demos, Kundgebungen und Festen. Mit Spannung wurde vor allem die Revolutionäre 1. Mai-Demo am frühen Abend erwartet. Die Veranstalter hatten sie zu ihrem 30-jährigen Bestehen bewusst nicht angemeldet, um sich nicht zu viele Auflagen aufzwingen zu lassen. Schon zum Auftakt war der Oranienplatz überfüllt. Es gab einen Block mit Böllern, Rauchfackeln und lauten Parolen. Er startete zunächst ohne Polizei, wurde dann aber im Spalier begleitet. Es gab mehrfach Gerangel. Die befürchteten Straßenschlachten und Ausschreitungen blieben jedoch aus. Im Laufe der Demo wurden rund 40 Personen in Gewahrsam genommen. Hier unsere Rückschau auf den Tag.
10 Uhr, DGB-Demo für soziale Gerechtigkeit und gegen Rassismus
Den Auftakt bildet am Morgen traditionell die große DGB-Demo. Aufgeteilt in eine Vielzahl an Blöcken, zogen über 10 000 Menschen vom Hackeschen Markt zum Brandenburger Tor. Zentrales Thema waren soziale Gerechtigkeit und Antirassismus unter dem bundesweiten Motto „Wir sind viele, wir sind eins!“ Dementsprechend zeigten sich auch eine Vielzahl an Parteien, Gruppen und Organisationen. Sie demonstrierten etwa für faire Bezahlung, Stärkung von Gewerkschaften, aber auch für Umweltschutz und gegen die Ausbeutung von Mensch und Umwelt.
Ganz hinten hatte sich ein klassenkämpferischer Block gebildet, der viele verschiedene Redebeiträge bot. Direkt zu Beginn wurde dort auch ein Rauchtopf gezündet. Die Polizei hielt sich aber im Hintergrund und regelte letztlich nur den Verkehr. Kurz vor der traditionellen Demo waren auch ein Motorrad- und ein Fahrradkorso gestartet. Rechtzeitig zur DGB-Kundgebung waren dann alle Demozüge angekommen.
Auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor sprach zunächst Berlins Bürgermeister Michael Müller und versprach, sich besonders für die Belange der Arbeitnehmer einzusetzen. Anschließend sprach unter anderem die stellvertretende DGB-Bundesvorsitzende Elke Hannack. Es gab ein musikalisches Rahmenprogramm und viele Infostände der einzelnen Gewerkschaften und Parteien.
16 Uhr, Internationalistische Demo
Am Spreewaldplatz in Kreuzberg gab es in diesem Jahr eine Neuerung. Bereits um 16 Uhr war von verschiedenen Jugendgruppen eine revolutionäre Demo angemeldet worden. Sie zog mit großer Polizeibegleitung zunächst über das Myfest und dann in Richtung Neukölln. Die Demo richtete sich inhaltlich mit vielen Parolen vor allem an die Befreiungskämpfe in Rojava und Palästina. Rund 2000 Personen schlossen sich an.
Die Polizei setzte vor allem auf enorme Präsenz. So blieb es durchweg friedlich, und es gab auch keine Festnahme. Nach etwa einer Stunde kam die Demo in der Nähe des Kottbusser Tor an, wo Polizeibeamte das Ende der angemeldeten Route abgesperrt hatten. Ein Durchkommen war nicht möglich, sodass sich die Demonstration auflöste und ein Großteil der Teilnehmer in Kleingruppen in Richtung Oranienplatz lief.
18 Uhr, Revolutionäre 1. Mai Demo
Zum dreißigjährigen Bestehen der „18-Uhr-Demo“ war sie in diesem Jahr das erste Mal seit langem bewusst nicht angemeldet worden. Grund waren die vielen Auflagen, die sich viele TeilnehmerInnen nicht aufzwingen lassen wollten. Punkt 18 Uhr war der Oranienplatz völlig überfüllt mit einer Mischung aus tausenden Myfest-Besuchern, Demonstranten und Touristen.
Zunächst stieg immer wieder Rauch aus der Menschenmenge auf, der dichter wurde. Schließlich bewegte sich nach rund 20 Minuten ein vermummter Block aus der Menschenmenge heraus. Mit Böllern, Rauchfackeln und lauten Parolen drängte sich die schnell wachsende Gruppe auf die Oranienstraße, wo die Menschen am Straßenrand etwas überrascht dem kraftvollen Demonstrationszug zujubelten.
Zunächst lief die Demo völlig ohne Polizeibegleitung, was die TeilnehmerInnen noch enthusiastischer und lauter werden ließ. Doch kaum 15 Minuten später änderte sich die Lage. Die Demo wurde von der Polizei abgefangen und ab diesem Punkt im Spalier begleitet. Die Anzahl der Beamten wuchs mit jeder Kreuzung, die überquert wurde, weiter an. So wurde es zunächst etwas ruhiger.
Polizei stürmt den Frontblock und geht Pressevertreter an
Rund um die Demospitze standen an die hundert Polizisten. Immer wieder kam es zu kurzen Gerangeln, als Beamte an schmalen Stellen auf der Route zu weit in die Demonstration liefen. Dabei flogen mehrmals Böller. Nach wenigen Minuten kam es zu ersten Festnahmen. Kurz darauf stürmte die Polizei mit massiver Gewalt den Frontblock. Die Demonstranten wurden regelrecht niedergeschlagen und anschließend abgeführt.
Während dieser Aktion wurden von Seiten der Polizei auch mehrfach Pressevertreter angegangen und geschlagen, im einem Fall auch zu Boden gebracht und auf die Person eingetreten. Als sich die Situation beruhigt hatte, setzte sich die Demo wieder in Bewegung – nun mit einem neuen Fronttransparent, da die vorherigen von der Polizei entrissen wurden.
Der Ton der DemonstrantInnen hatte sich nun deutlich verschärft. Die antifaschistischen Parolen waren nun solchen gegen die Polizei gewichen. Als die Demo sich nach gut zehn Minuten wieder richtig gesammelt und etwas an Tempo zugelegt hatte, stürmten die Polizeibeamten erneut den Frontblock. Wieder wurden Demonstranten niedergeschlagen und abgeführt. Das führte dazu, dass das letzte Stück der Demonstration ohne Transparente immer wieder den Eingriffen der Polizei ausgesetzt war.
Einsatzkräfte greifen auch Touristen an
Schließlich wurde aber der Zielort Spreewaldplatz erreicht. Hier verlor die Polizei schlicht die Kontrolle über die Situation, denn die mehreren tausend Feiernden des Myfest solidarisierten sich mit den DemonstrantInnen. Die Einsatzkräfte irrten ziellos über den Platz, griffen willkürlich Menschen an (darunter auch Touristen), waren zugleich aber von allen Seiten Flaschenwürfen ausgesetzt.
Immer wieder wurden Personen von den Beamten auf den scherbenübersäten Boden gedrückt und über den Platz geschleift. Die Polizisten setzten massiv Pfefferspray ein. Auf dem Spreewaldplatz gab es durch diese Maßnahmen mehrere Verletzte. Nur langsam beruhigte sich die Lage. Im Laufe der Demo wurden rund 40 Personen in Gewahrsam genommen. Die befürchteten Straßenschlachten und Ausschreitungen blieben jedoch aus.
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