Von unseren ReporterInnen – Wiesbaden. Rund 600 Menschen protestierten am Sonntag, 25. Juni, gegen die sogenannte „Demo für Alle“, eine Mischung aus Rechtskonservativen, Rechten und Neonazis. Aufgerufen hatte das Bündnis für Akzeptanz und Vielfalt – gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Die Polizei war vor Ort mit mehr als 1000 Kräften und ermöglichte den rechten Aufmarsch.
Ein breites Bündnis von 100 Vereinen und Organisationen wollte ein starkes Zeichen für Vielfalt und gegen Diskriminierung und Ausgrenzung setzen. Am Sonntag, 30. Oktober 2016, war es 3500 bis 4000 Gegnerinnen gelungen, den ersten Aufmarsch der „Demo für Alle“ zu blockieren.
Diesmal war das kaum möglich. Die Polizei, die sich in „G20-Stimmung“ zu befinden scheint, war in der Überzahl und trat martialisch auf. Sie sperrte die Demoroute und den Luisenplatz, den Versammlungsort der „Demo für Alle“, mit Hamburger Gittern weiträumig ab, sodass die GegnerInnen den rechten Aufmarsch nicht verhindern konnten.
Klare Botschaft an die „Demo für Alle“: „Ihr seid nicht alle!“
Bereits am früheren Nachmittag hatten sich mehrere Hundert TeilnehmerInnen – darunter AntifaschistInnen, Linke, Anhänger und SympathisantInnen der Queer-Bewegung – bei der Demonstration für Vielfalt auf dem Bahnhofplatz versammelt. Sie schwenkten Fahnen und trugen Plakate. Ein Großes Transparent mit der Aufschrift „Ihr seid nicht alle!“ richtete eine klare Botschaft an die Veranstalter und Anhänger der rechten „Demonstration für Alle“.
Auch ein großes Banner in Regenbogenfarben war auszumachen. „Wir sind heute hier versammelt“, sagte Annette Ludwig, Sprecherin des antirassistischen Antidiskriminierungsnetzwerk „No Fragida“ Frankfurt, „weil wir deutlich machen wollen, dass die ‚Demo für Alle‘ in Wiesbaden und anderswo nicht willkommen ist“.
Annette Ludwig: „Demo für alle eng mit AfD und Neonazis vernetzt“
Die Organisatorinnen der „Demo für Alle“ versuchten, Menschen in ein reaktionäres Rollenbild zu pressen. Sie wollten Kinder früh in ein festgelegtes Rollenverständnis ohne jeden emanzipatorischen Ansatz drängen, sagte Ludwig. Die VeranstalterInnen der „Demo für Alle“ seien eng mit AfD, rechtextremen und neonazistischen Strukturen vernetzt.
Einer Veranstaltung, die nichts anderes sei, als der politische Vorhof von Rechten, sei konsequent entgegenzutreten, so Ludwig weiter. Die 1950er-Jahre seien gestern gewesen. Genau dort solle die „Demo für Alle“ bleiben – und zwar allein.
Manuel Wüst: „Demo für Alle“ steht für überholtes Menschenbild
Bei der Auftaktkundgebung kritisierte Manuel Wüst, Vorsitzender des Vereins „Warmes Wiesbaden“ und Sprecher des Bündnisses für Vielfalt, die „Demo für Alle“ und ihre InitiatorInnen scharf. Die „Demo für Alle“ stehe für ein längst überholtes Menschen- und Familienbild, das die Verschiedenheit und Vielfalt von Geschlecht und sexueller Orientierungen kategorisch ablehne. Daher sei es wichtig, gegen sie auf die Straße zu gehen.
Nach der Auftaktkundgebung, bei der die Teilnehmerzahl auf etwa 600 anstieg, setze sich der Demonstrationszug Richtung Innenstadt in Bewegung. Es war eine geräuschvolle und bunte Demonstration, die durch die Wiesbadener Straßen zog. Die Polizei begleitete den Zug mit einer starken Mannschaft. Die BeSi-Einheit filmte das Geschehen.
Sitzblockade als Form des politischen Protests
In der Rheinstraße gegenüber dem Luisenplatz – Versammlungsort der „Demo für Alle“ – verließen etwa 200 TeilnehmerInnen die Gegendemonstration und blieben zurück, um ihren Protest in Hör- und Sichtweite der Rechten kundzutun. Als Form des politischen Protestes errichteten sie eine Sitzblockade, um deutlich zu machen, dass die „Demo für Alle“ erneut in Wiesbaden unerwünscht war. Sie protestierten lautstark und skandierten Parolen gegen rechte und Nazi-Propaganda.
„Demo für Alle“ für Rechte und Neonazis attraktiv
Währenddessen versammelten sich rund 200 Anhänger der „Demo für Alle“ unter der Führung von Initiatorin Hedwig von Beverfoerde. Anwesend waren auch Neonazis der Kleinstpartei „Der dritte Weg“, die Identitäre Bewegung, AfD-Anhänger und viele christliche Fundamentalisten.
Die VeranstalterInnen der „Demo für Alle“ behaupten, nichts mit Neonazis und Rechten zu tun haben zu wollen. Aber ihre Botschaft ist und bleibt für diese sehr attraktiv. So beteiligten sich im Jahr 2016, „Der dritte Weg“, die NPD, die hessische AfD, die Autonomen Nationalisten Groß-Gerau und andere rechte Gruppierungen an der Mobilisierung für die Demonstration am 30. Oktober. Die „Demo für Alle“ steht der rechten und neonazistischen Szene erkennbar sehr nah.
Wiesbadener OB bei der Gegendemonstration
Bei der Kundgebung für Vielfalt auf dem Dernschen Gelände verteidigte Wiesbadens Oberbürgermeister Sven Gerich den hessischen Lehrplan zur Sexualerziehung an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen und plädierte für eine vielfältige Gesellschaft ohne Ausgrenzung.
Weitere Redner waren, Jo Dreiseitel (hessischer Staatssekretär und Beauftragter für Integration und Antidiskriminierung) und Manuel Wüst (Warmes Wiesbaden). Sie unterstützten den Standpunkt von OB Gerich. Daraufhin zogen die GegnerInnen der „Demo für Alle „durch die Bahnhofstraße.
Hitlergruß und Aufmarsch ohne Außenwirkung
Der Aufzug der „Demo für Alle“ fand aufgrund der polizeilichen Absperrmaßnahmen quasi im Privaten statt. Die TeilnehmerInnen liefen vom Luisenplatz bis zur Ringkirche. Sie machte auf der Außenseite mit Transparenten deutlich, was man von der Demo hält. Weiter führte die Route auf direktem Weg wieder zurück zum Veranstaltungsort.
Zustimmung erfuhren die TeilnehmerInnen von AnwohnerInnen nicht. Sie ernteten im Zweifelsfall nur Kopfschütteln. Die ZugteilnehmerInnen skandierten auf ihrer Laufroute „der Lehrplan muss weg“. Sonst verbreiteten sie keine verbalen Botschaften. Nach Augenzeugenberichten wurde ein Mann bei der „Demo für Alle“ auf dem Luisenplatz festgenommen, weil er den Hitlergruß gezeigt hatte.
Abschlusskundgebung und polizeiliche Personenkontrollen
Die rund 200 AntifaschistInnen vereinten sich wieder mit den anderen GegendemonstrantInnen in der Bahnhofsstraße. Gemeinsam marschierten die Menschen mit Bannern und Schildern in Richtung Hauptbahnhof. Bei der kurzen Abschlusskundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz wurde unter anderem berichtet, dass Polizeikräfte im Bahnhof allgemeine Personenkontrollen bei Gegendemonstranten durchführten, die bereits ihre Züge erreichen wollten.
Diese chaotischen Kontrollen galten nach unseren Informationen ausschließlich einigen wenigen Personen, die den hessischen Polizeibehörden bereits bei anderen Veranstaltungen gegen Rechts aufgefallen waren.
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