Von Meide Wolt – Stuttgart. Das Landgericht Stuttgart hat am Dienstag, 11. Juli, die Freiheitsstrafe eines 32 Jahre alten Mannes auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Er hatte bei einer Kundgebung gegen die AfD im Januar einen Polizeibeamten beleidigt und nach ihm geschlagen. Das Landgericht änderte damit den Beschluss des Amtsgerichts. Es hatte den Mann zu fünf Monaten ohne Bewährung verurteilt. Vor dem Landgericht spielte auch die Vorgeschichte eine starke Rolle.
Der Stuttgarter AfD-Stadtrat und Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner hatte auf der Gegenkundgebung solange provoziert, bis nach Einschätzung des Gerichts der Polizeieinsatz notwendig wurde (siehe auch „AfD kam nicht durch den Haupteingang„).
Der Polizeioberkommissar, der den Angeklagten anzeigte, war Teil einer Kette aus Polizeibeamten, die sich vor den AfD-Stadtrat gestellt hatten. Fiechtner hatte sich unter die Gegenkundgebung zu einer AfD-Veranstaltung gemischt und vermehrt TeilnehmerInnen provoziert und beleidigt.
Der Angeklagte hatte gegen das Urteil im Oktober 2016 ergangene Urteil des Amtsgerichts (wir berichteten) Berufung eingelegt. Vor dem Landgericht gestand er ein, mit der flachen Hand in Richtung des Beamten geschlagen zu haben. Vor Gericht wurde auch der Einsatz der Polizeikette und der Tathergang im Zusammenhang mit den Provokationen Fiechtners betrachtet.
Damit widersprach das Gericht der Darstellung des Polizeioberkommissars, der Anzeige erstattet hatte. Er wollte Fiechtner nicht erkannt haben und gab an, dass die zur AfD gehörige Person lediglich in das Veranstaltungsgebäude habe gehen wollen. Vor Gericht sagte der Beamte aus: „Irgendwann kam einer der AfD, der wollte in das Gebäude hinein.“
Das Gebäude war zu dieser Zeit jedoch durch einen Seiteneingang zugänglich. Fiechtner hingegen hatte sich offenbar bewusst in die Menge der GegendemonstrantInnen gestellt. Das Gericht bewertete den Polizeieinsatz als gerechtfertigt. „Wir haben ihn kurzzeitig wie eine Schutzperson behandelt“ gab ein weiterer als Zeuge geladener Polizeibeamter an.
Der Anzeigeerstatter führte des weiteren aus, dass die Polizeikette gebildet worden sei, „um Provokationen und Auseinandersetzungen zu vermeiden“. Er erklärte, dem Einsatz vorausgehende Provokationen oder Beleidigungen durch Heinrich Fiechtner nicht wahrgenommen zu haben. Er sei lediglich per Funk informiert worden, dass sich ein AfDler auf der Gegenkundgebung befinde. Trotzdem habe er den Befehl gegeben, eine Kette mit dem Rücken zu Heinrich Fiechtner zu bilden: „Wir haben festgestellt, dass es zu einem Scharmützel kommt, dass es laut wird.“
Die Verteidigung warf der Polizei vor, Fiechtner mit Absicht auf der Gegenkundgebung stehen gelassen und ihn dann zum Gebäude geleitet zu haben, statt ihn von der Gegenkundgebung zu entfernen. Der Verteidiger wies auf das grundlegende Verständnis des § 113 des Strafgesetzbuchs hin, wonach Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei nicht rechtmäßigen Diensthandlungen straffrei ist.
Folge uns!