Von Franziska Stier – Stuttgart. Rund 175 000 Menschen zog es am Samstag, 29. Juli, nach Stuttgart zur 21. CSD-Parade. Etwa 90 Wägen und Themenzüge machten die Stadt bunter und glitzernder. Nicht nur Größen der Stuttgarter LGBTTIQ-Bewegung (Lesbian Gay Bi Trans Transgender Intersexuell Queer) nutzten den Tag, um ihre Botschaften zu formulieren. Zunehmend wird das Gesamtbild der Gaypride auch von kommerziellen Wagen geprägt.
Unter dem zunächst wenig provokant erscheinenden Motto „PerspektivWechsel“ lud die Community zum Dialog und Nachdenken darüber ein, wie eine vielfältige Gesellschaft aussehen kann. Eine Welt, die Homo- und Transphobie, aber auch „Vereinfachern“ wie Trump oder der AfD eine Absage erteilen will, müsse entschlossen, aber auch dialogbereit sein. Hinter dem sanft daherkommenden Motto verbirgt sich – wenn man es ernst nimmt – eine Mammutaufgabe.
Gefeiert wurde in diesem Jahr besonders die Ehe für alle. Schaut man sich die Wägen der im Bundestag vertretenen Parteien beim CSD an, wundert eigentlich nur, weshalb diese Gesetzesänderung nicht schon längst umgesetzt wurde. Auch die CDU beteiligte sich mit einem eigenem Wagen – wenn auch wenig fordernd und mit Schlagermusik, die zumindest Geschmackssache war.
FDP startet Ranking
Ebenfalls Schlager tönte vom Soundwagen der FDP, deren Vertreter sich neu zu Freiheitskämpfern auf weißen Einhörnern erklärten und die Gelegenheit nutzten, um Teilnehmende und Publikum einem Ranking zu unterziehen. So gab es am Ende des Nachmittags so manchen „Top“-Aufkleber, der einen Körper zierte.Das kann man witzig finden, pride oder provokant. Geht es doch beim CSD nicht nur darum, laut zu sein, sondern auch darum, sich selbst mit all seinen Facetten gut zu fühlen und gleichzeitig anderen Respekt und Wertschätzung zu vermitteln. Möglicherweise geht das ohne Rankings und „Freiheitskämpfer“ besser.
Daneben gab es auch Wägen oder Gruppen der Piraten, der Grünen, der SPD und der Linken, ebenso einiger Gewerkschaften und Betriebsgruppen.
Wirklich bunt, kreativ und glitzernd waren jedoch vor allem Wägen aus der Szene. Laura Halding-Hoppenheit zeigte sich zu Beginn stolz mit einer Fahne, die sie von ihrem Partnerclub „Evita“ aus Tel Aviv erhielt. Anschließend setzte sich die Betreiberin des Kings Clubs auf ihr Trike.
Fetischgruppe lässt das Publikum schmunzeln
Dragqueens verzauberten mit ihrer Show und ihren Kleidern, die Fetischgruppe brachte das Publikum zum Schmunzeln. Guggenmusiken und Tanzgruppen lieferten Showeinlagen, und auch die Türkische Gemeinde war Teil des diesjährigen PerspektivWechsels.
Es war ein bunter CSD, dem es jedoch an wichtiger politischer Provokation eher mangelte, während kommerzielle Teilnehmer präsenter erschienen als in den Vorjahren. Mit dem angekündigten „AfD-Kuschelkurs“ im Rahmen der Kulturtage des CSD Stuttgart stößt der Veranstalter offenbar viele vor den Kopf (siehe hierzu auch „Verhöhnung verfolgter LGBTIQ-Generationen„). Die im Voraus angestoßene Debatte, mit zu viel Nacktheit politische Botschaften zu gefährden, erwies sich als überflüssig. Doch die Frage, wie viele privatwirtschaftliche Teilnehmer eine politische Demonstration verträgt, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren, treibt uns um. Aber immerhin ist der Kondomvorrat vieler ZuschauerInnen für einige Wochen gesichert.
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