Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Die gesetzliche Rente stärken und eine solidarische Mindestrente einführen: Das sind zentrale Forderungen der Linken. Der Bundestagsabgeordnete Matthias W. Birkwald erläuterte sie am Dienstag, 8. August, vor rund 30 ZuhörerInnen im Cannstatter Kursaal. Eingeladen hatten ihn der Bundesvorsitzende und baden-württembergische Spitzenkandidat der Linken Bernd Riexinger und der Stuttgarter Kreisverband der Partei.
Bernd Riexinger eröffnete den Infoabend und übergab sogleich das Wort an den rentenpolitischen Sprecher der Linksfraktion Matthias Birkwald. Mit der Forderung nach einer einkommens- und vermögensgeprüften, also nur bei tatsächlichem Bedarf ausgezahlten solidarischen Mindestrente will die Linke im Bundestagswahlkampf Druck aufbauen – Druck in Richtung auf ein wieder lebensstandardsicherndes Niveau der gesetzlichen Rente. Die Partei fordert eine solidarische, paritätisch finanzierte gesetzliche Rentenversicherung, die alle einbezieht und die Altersarmut verhindert.
Gegen ein „Drei-Säulen-Modell“
Derzeit würden im Rahmen des sogenannten „Drei-Säulen-Models“ der Alterssicherung die beiden freiwilligen Säulen „Riester-Rente“ und „Betriebsrente“ mit hohen staatlichen Subventionen gepäppelt – obwohl sie längst nicht allen zugute kommen, intransparent und krisenanfällig sind, kritisierte Birkwald. Damit solle die vermeintliche Eigenverantwortung der Versicherten gestärkt werden. Dabei zeige schon ein Blick auf den Alterssicherungsbericht 2016, wie gering die Akzeptanz des Drei-Säulen-Modells in der Bevölkerung ist.
Elf Bausteine des Rentenkonzepts der Linken
Die Linke setzt diesem Modell ein Rentenkonzept mit elf Bausteinen entgegen. Deutschland sei nicht gut gerüstet und die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausreichend gesichert, warnte Birkwald. Das Rentenniveau, das nach derzeitiger Planung weiter absinke, müsse auf 53 Prozent steigen, und man müsse zu paritätischen Beiträgen der Alterssicherung von Arbeitnehmern und Betrieben zurückkehren. Zugleich müssten der Solidarausgleich gestärkt und eine Erwerbstätigenversicherung eingeführt werden, die alle einbezieht.
Man müsse außerdem die Beitragsbemessungsgrenze anheben und die Riesterrente abwickeln. Weitere Forderungen der Linken sind, die Rente mit 67 abzuschaffen, die Erwerbsminderungsrente armutsfest zu gestalten und die Ostrenten anzugleichen.
Altersarmut auf dem Vormarsch
„Wir haben gesehen, die schwarz-rote Rentenpolitik der vergangenen Jahre hat weitgehend darauf verzichtet, die gesetzliche Rente zu stärken. Sie hat ebenfalls darauf verzichtet, die gesetzliche Rente armutsfest zu machen. Begleitet wird dieses Totalversagen im Bereich der Armutsbekämpfung durch Versuche, Altersarmut entweder zu relativieren oder sie gar weg zu definieren“, kritisierte Birkwald.
Es gebe ein wachsendes Problem der Altersarmut. Wenn nicht gegengesteuert wird, müsse man damit rechnen, dass sich bis 2030 der Anteil der armen Alten in Deutschland verdoppelt. Heute lebten etwa 2,7 Millionen Ältere in Deutschland nach den Maßstäben des Europäischen Amts für Statistik unterhalb der Armutsschwelle. Im Jahr 2030 wären es dann etwa 33 Prozent. Da helfe auch der Riester-Irrweg nichts.
Rente zum Leben
Weil die Rente immer auch die Löhne während des Arbeitslebens abbildet, müsse man schon da ansetzen. Das Normalarbeitsverhältnis mit unbefristeter Vollzeit müsse wirklich wieder zum Normalfall werden. Überdies brauche man einen gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro. Die gesetzliche Rentenversicherung müsse wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden: Die Sicherung des Lebensstandards im Alter müsse wieder in den Mittelpunkt rücken und das Rentenniveau auf das Niveau steigen, das es vor den rotgrünen „Reformen“ hatte: 53 Prozent.
Ab dieser Höhe könne der Lebensstandard im Alter in der Regel gehalten werden. Private Altersvorsorge werde dann für die Lebensstandardsicherung überflüssig und könne ohne steuerliche Förderung hinzukommen, sagte Birkwald.
Entgeltpunkte müssen angeglichen werden
Die BürgerInnen benötigen gleiche Renten in Ost und West, nicht erst 2024, wie von der großen Koalition beschlossen. Vor allem dürfe es nicht zu Lasten der künftig ab 2025 in Rente gehenden Beschäftigten im Osten veranschlagt werden. Denen hätten SPD und CDU/CSU mit ihrem Gesetz massiv die Rente gekürzt, weil die Umrechnung der niedrigen Ostlöhne in der Rente ab 2025 gestrichen wurde.
Die Ungerechtigkeit, dass für die Kindererziehung vor 1992 zwei Rentenpunkte, für ab 1992 geborenen Kinder drei Punkte gutgeschrieben werden, müsse ebenfalls enden. Für jedes Kind, egal wann und egal, ob in Ost oder in West geboren, müssten drei Rentenpunkte eingeführt werden. Das wären derzeit etwa 93 Euro aus Steuermitteln für jedes Kind, so Birkwald.
Vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente
Für Zeiten mit niedrigen Einkommen will die Linke die so genannte „Rente nach Mindestentgeltpunkten“ wieder einführen und verbessern. Wer lange in seinem Leben für einen Lohn deutlich unter dem durchschnittlichen Gehalt arbeiten musste, erhielte bei der Rente einen Ausgleich, so dass er oder sie bis zu 80 Prozent des Durchschnitts an Rente bekäme. Für den Fall, dass all dies bei Einzelnen nicht für eine armutsfeste Rente genüge, will die Partei eine Einkommens- und vermögensgeprüfte solidarische Mindestrente von 1050 Euro netto einführen.
Wer im Alter ein Einkommen unter 1050 Euro netto hat und nicht über ein Vermögen von mehr als 68750 Euro verfügt, erhielte aus Steuermitteln einen Zuschlag bis zur Höhe von monatlich 1050 Euro netto, erläuterte Birkwald. Nach einer guten Stunde beendete er seinen Vortrag, und die Fragerunde wurde eröffnet. Im Außenbereich des Kursaals wurde auch nach der Veranstaltung noch diskutiert.
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