Von unseren ReporterInnen – Frankfurt. Es war ein gellendes Konzert von Pfiffen, Buhrufen und Sprechchören: 300 bis 400 Nazi-GegnerInnen protestierten am Samstagnachmittag, 26. August, gut anderthalb Stunden lang gegen den Anti-Islam-Prediger Zahid Khan. Trotz Lautsprecheranlage waren seine Worte außerhalb eines von der Polizei abgesperrten Carrés auf dem Frankfurter Rossmarkt nicht zu verstehen. Auch hatte er kaum Anhänger auf die Beine gebracht. Der groß beworbene Auftritt unter dem Motto „Deutschland wach auf!“ wurde für ihn zum Desaster.
Die Polizei-Einsatzkräfte litten in ihren schwarzen Uniformen erkennbar unter der brütenden Hitze. Sie trennten die gegnerischen Lager voneinander, hielten sich sonst aber weitgehend zurück. Es gab nur vereinzelt kleinere Rangeleien. Eine Zeitlang hielten die Beamten einen Mann fest, um seine Personalien aufzunehmen, weil er eine Sichtschutzplane von einem Bauzaun gerissen haben soll.
Khan scharte kaum Anhänger um sich
Später kesselte die Polizei eine Spontandemo der Antifa United Frankfurt mit 50 bis 75 Personen auf der Zeil ein. Die Demo konnte aber fortgesetzt werden, nachdem eine Eilversammlung angemeldet worden war. Die Deeskalationsstrategie, die der Einsatzleiter am Samstagnachmittag erkennbar verfolgte, zahlte sich aus. Am Ende zogen alle Beteiligten friedlich ab.
Wider Erwarten hatten sich am Samstagnachmittag weder AfD- noch NPD-Anhänger in großem Stil auf dem Rossmarkt eingefunden. Inmitten des mit Hamburger Gittern und von Polizeikräften abgesperrten Versammlungsplatzes der Rechten fanden sich – Ordner, Kameramann und den Redner selbst mitgerechnet – gerade mal sieben Personen ein. Unter ihnen waren auch die Rechtspoulistin Marion Frijette aus den Niederlanden und Khans Tochter Mary, die den AfD-Ortsverband Rodgau leitet. Erst kurz vor Ende der Kundgebung gesellte sich eine achte Person hinzu.
Aufmarschort der Rechten kurzfristig besetzt
Noch bevor Khan und seine Anhänger ankamen, landeten junge AntifaschistInnen einen kleinen, öffentlichkeitswirksamen Überraschungscoup und besetzten für kurze Zeit deren Aufmarschplatz. Die Protestierenden waren mit „Alerta Antifascista“-Rufen in Richtung Hamburger Gitter gestürmt und hatten sie überwunden. Die Polizei hatte damit offensichtlich nicht gerechnet. Die Beamten schoben und drängten die Platzbesetzer rasch wieder aus dem Carré hinaus und sicherten die Hamburger Gitter mit zusätzlichen Kräften. Die Sprechchöre richteten sich nun auch gegen die Einsatzkräfte. Ansonsten blieb die Stimmung eher unaufgeregt.
Das Bündnis Nofragida hatte auf dem benachbarten Goetheplatz eine Mahnwache „Gegen Rassismus und für ein friedliches Zusammenleben“ angemeldet. Nebenan auf dem Rathenauplatz steht das „Denkmal der Grauen Busse„. Es erinnert an Menschen mit Behinderungen und psychisch Kranke als Euthanasie-Opfer des Nazi-Regimes. Nofragida und das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ klärten auch über die AfD und ihre gegen Arbeitnehmer, Frauen, Migranten und andere Minderheiten gerichteten Forderungen auf.
SPD-Abgeordnete wirft AfD Angstmache vor
Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulli Nissen schaute bei der Mahnwache von Nofragida vorbei. Sie unterstütze das Bündnis und sei froh, dass es Flagge zeige, sagte sie uns. Sie habe angefangen, Politik zu machen, weil sie einen drohenden Rechtsruck und aufkommenden Rassismus nicht tatenlos hinnehmen wollte. Nissen erinnerte an einen Aufruf zu Rostock-Lichtenhagen, den sie damals mit organisierte. Es sei gelungen, über 50 000 Unterschriften zu sammeln. Sie habe daraufhin Drohanrufe erhalten. Seither führt sie eine Trillerpfeife mit sich.
Nissen wirft der AfD Angstmache vor. Anschläge, an denen Flüchtlinge beteiligt sind, spielten ihr in die Hände. „Integration ist Pflicht“, setze die SPD entgegen. Der Abgeordneten, die auch in der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen aktiv ist und deren Bundesvorstand angehört, ist besonders wichtig, dass auch Frauen an Sprach- und Integrationskursen teilnehmen. Die Jobcenter müssten auch die Kinderbetreuung gleich nebenan garantieren.
Zwischenrufe als Protest im Bundestag
„Der Gedanke ist für mich ein absolutes Grauen“, sagte Nissen über die Aussicht, dass wohl nach der Wahl auch die AfD dem Bundestag angehört. Sie sei schon heute für ihre Zwischenrufe bekannt und wolle auch mit Zwischenfragen die populistischen Glaubenssätze de AfD entlarven: „Das wird der Widerstand im Parlament sein.“ Als Ort für Demonstrationen komme das „Hohe Haus“ nicht in Frage.
Die hessische Landtagsabgeordnete und Frankfurter OB-Kandidatin Janine Wissler reihte sich unter den Protestierenden direkt neben dem Aufmarschort der Rechten ein.
Zahid Khan hatte bei einer „Predigt“ gegen den Islam 2014 auf dem Rossmarkt auch Neonazi angezogen und soll sich in jüngerer Zeit bei der AfD engagieren. Auch bei einer Kundgebung der rassistischen und islamfeindlichen Gruppierung „Fellbach wehrt sich“ traten Khan und seine Tochter Mary im Juli 2016 als Redner auf. Nofragida befürchtete, es könne erneut einen größeren Aufmarsch Rechtsgerichteter geben. „Auch wenn Menschen, die uns als Psycho-Pathologen erscheinen, in erster Linie unser ganzes Mitgefühl haben, werden wir uns bei gegebenem Anlass doch deutlich gegen die ‚Lehren‘ der Khans positionieren!“, hatte es in dem Aufruf des Bündnisses geheißen. Der erwartete Andrang bei Khan blieb jedoch aus.
Weitere Bilder des Tages
Folge uns!