Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Bis zu 1500 Menschen forderten die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte. Verschiedene Organisationen, Bündnisse und Einzelpersonen hatten zur Demonstration zum 30. September aufgerufen. Die Gegner des Bahn- und Immobilienprojekts Stuttgart 21 (S21) versammelten sich vor dem Hauptbahnhof zur Auftaktkundgebung. Anschließend zogen die DemonstrantInnen mit Bannern und Schildern lautstark vor das Innenministerium, symbolisch begleitet von einem ausrangierten Wasserwerfer. Mit der Demonstration erinnerten die S21-GegnerInnen an die gewaltsame und brutale Räumung des Stuttgarter Schlossparks am 30. September 2010.
Die Empörung über das rücksichtslose Vorgehen der Polizei ist noch immer groß. Am 30. September jährten sich die entsetzlichen Erinnerungen an den brutalen Polizeieinsatz zum 7. Mal. Vielen Geschädigten und S21-GegnerInnen reicht eine Entschuldigung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nicht. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte den Polizeieinsatz als rechtswidrig eingestuft. Nach Angaben des Innenministeriums waren am 30. September 2010 durch das brutale Vorgehen der Beamten mit Wasserwerfern, Polizeiknüppeln und Pfefferspray mehr als 160 Menschen verletzt worden. Die Anzahl der Geschädigten und Verletzten beziffern die Gegner von S21 auf über 400 Menschen, darunter viele SchülerInnen.
Redner forderten die grün-schwarze Landesregierung dazu auf, endlich die versprochene Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte zu verwirklichen. Diese wurde im Koalitionsvertrag der damaligen grün-roten Landesregierung im Jahr 2011 vereinbart. Sieben Jahre nach dem Schwarzen Donnerstag sei es an der Zeit zu liefern, statt sich immer wieder hinter einem unwilligen Koalitionspartner zu verstecken.
Noch heute kommen mir die Tränen
Moderatorin Angelika Linckh von den Parkschützern sprach von willkürlichem und rechtswidrigem polizeilichen Handeln, welches geahndet werden müsse. Die Rechtsweggarantie des Grundgesetzes dürfe nicht ausgehebelt werden. Die Trauer und der Zorn über die brutale Zerstörung des Schlossparks seien heute genauso groß wie damals, und genauso groß sei der Zorn über die brutale Gewalt einer „Polizei genannten Bürgerkriegsarmee“ – „von Politikern losgeschickt, um den Weg für diesen Akt der Barbarei freizuprügeln, mit Wasserwerfern und Pfefferspray freizuschießen, gegen jung, gegen alt, gegen alle, die ihren Park gegen Kettensägen und Bagger schützen wollten. Schwere Verletzungen wurden billigend in Kauf genommen. Sehe ich die Filme und Fotos von damals, kommen mir noch heute die Tränen“, so Linckh.
Solidarität mit AntifaschistInnen und gegen die Arroganz der Macht
Joe Bauer, Journalist und Stadt-Spaziergänger, thematisierte das Ergebnis der Bundestagswahl 2017. In seiner Rede führte er aus: „Heute treffen wir uns beim ersten Braunen Samstag nach der Wahl, in einer beschämenden historischen Phase der Bundesrepublik. Sicher hat die Mehrzahl von uns 2010 nicht damit gerechnet, dass schon sieben Jahre später fast eine Hundertschaft von Rechtsnationalisten mit Nazis in ihren Reihen in den Bundestag einziehen wird, unterstützt im brauen Sumpf von gewaltbereiten Banden und ideologisch aufgerüsteten Intellektuellen. Ich spreche hier von den wirklich gefährlichen Rechtsextremisten – und nicht pauschal von einer Wählerschaft.“
Die Frage, was solche Themen mit S21 zu tun hätten, sei er schon gewohnt. Bereits vor Jahren hätten ihm DemoteilnehmerInnen geschrieben, er solle mit Solidaritätsbekundungen für AntifaschistInnen sparsamer umgehen. Solche Dinge hätten auf S21-Demos nichts zu suchen. Er erklärte, „das sehe ich anders. Als vor wenigen Jahren in Stuttgart die Menschen massenhaft gegen das milliardenschwere Immobilienprojekt und die verheerenden Folgen für die ganze Stadt auf die Straße gingen, haben nicht alle nur gegen den Bau des sogenannten Tiefbahnhofs demonstriert. Viel mehr haben wir uns mit diesem Protest auch gegen die Arroganz der Macht in diesem Land und in dieser Stadt gewehrt. Wir haben Widerstand geleistet gegen das rigorose Profitdenken in der Politik. Wir haben gerufen: Wessen Stadt? Unsere Stadt! Und das tun wir heute noch.“ Die vollständige Rede von Joe Bauer kann hier nachgelesen werden.
Gegen den Überwachungsstaat und für die Versammlungsfreiheit
Die DemonstrantInnen setzten auch ein Zeichen gegen die jetzige Landesregierung und ihre Politik der letzten Jahre. Sie stellten sich gegen den Ausbau des Überwachungsstaats und der Aushöhlung der Versammlungsfreiheit. Die Demonstration endete vor dem Innenministerium. Die Veranstaltung verlief insgesamt störungsfrei und wurde gegen 16.30 beendet.
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