Von Tape Lago – Mannheim. Am Sonntag, 29. Oktober, demonstrierten 120 KurdInnen, Linke, türkische Linke und AntifaschistInnen auf dem Mannheimer Schlossplatz gegen 150 türkische Rechtsextreme und Ultranationalisten. Letztere hatten angekündigt, bis zu 1000 Menschen auf dem Alten Messplatz zu versammeln, um ihre Solidarität mit der Türkei und dem türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdogan kundzutun. Doch es kam nur eine überschaubare Menge, überwiegend aus anderen Städten. Aus Mannheim sollen weniger als 30 TeilnehmerInnen da gewesen seien. Ein Flop für die Ultranationalisten.
Die Polizei war vor Ort mit einer starken Mannschaft und sorgte dafür, dass die Ultranationalisten ungestört ihre – aus Sicht von Beobachtern – aggressive Kundgebung abhalten konnten. Ein Protest in Hör- und Sichtweite gegen den Aufmarsch der türkische Ultranationalisten und Rechtsextremen war kaum möglich.
Gemeinsamer Widerstand gegen Faschismus
Die Gegenkundgebung begann wie geplant um 14 Uhr auf dem Schlossplatz. Aufgerufen hatten die Organisation Demokratischer Kongress der Völker – Deutschland (HDK-A), Bund der demokratischen Föderation Mannheim und das Offene Antifaschistische Treffen Mannheim (OAT). Auf den beiden Transparenten der Erdogan-GegnerInnen, war eine klare Botschaft auszumachen: „AKP-Regierung und IS massakrieren Hand in Hand in Kurdistan“. „Gemeinsamer Widerstand gegen Faschismus“ im Hinblick auf die „massive Repression“ gegen die Opposition in der Türkei, die alltägliche Menschenrechtsverletzungen und den Krieg gegen die KurdInnen.
Gökay Akbulut: „Türkei wandelt sich in islamistische Diktatur“
Gökay Akbulut, Bundestagsabgeordnete der Linken, kritisierte Erdogan und die AKP-Regierung sehr scharf. In Kurdistan finde ein brutaler Krieg gegen die KurdInnen statt, so Akbulut. Auch tausende oppositionelle Kräfte seien der Repression des Erdogan-Regimes ausgesetzt. Die Türkei sei auf dem Weg in eine islamistische Diktatur, sagte sie weiter. Daher sei die Solidarität mit den oppositionellen Kräften, der kurdischen Widerstandsbewegung und Linken in der Türkei wichtiger denn je. Sie forderte sowohl von der Europäischen Union als auch der Bundesregierung, die Waffenexporte in die Türkei zu stoppen und die Bundeswehr von dort abzuziehen.
Akbulut prangerte auch die Kriminalisierung der Proteste und des Widerstands gegen Erdogan und die AKP-Regierung in Deutschland an. Sie forderte die Bundesregierung auf, „die Kumpanei mit dem türkischen Präsidenten“ zu beenden und das Verbot der PKK in Deutschland aufzuheben. Sie rief abschließend zu mehr Solidarität mit der HDP, KurdInnen und Linken in der Türkei, Deutschland und Europa auf.
Faschismus gehört bekämpft
Es sei nicht hinnehmbar, so eine Mannheimer Antifaschistin, dass Deutschland aufgrund falsch verstandener Meinungsfreiheit noch im 21. Jahrhundert FaschistInnen erlaubt, ihre menschenverachtenden Ansichten zu äußern. Denn Faschismus sei keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
Während die türkische Regierung KurdInnen, SozialistInnen, DemokratInnen und JournalistInnen niederschlage und versuche, sie aus der Welt zu schaffen, würden von Deutschland und der EU immer noch die „imperialistischen Interessen“ in den Vordergrund gestellt, um das Erdogan-Regime zu schützen. Sie forderte ein sofortiges Ende der Kooperation mit der Türkei und die unverzügliche Freilassung aller JournalistInnen und poltischen Gefangenen.
Ultranationalisten und Rechtsextreme auf dem Alten Messplatz
Die Erdogan-UnterstützerInnen erwarteten eine große Menschenmenge auf dem Alten Messplatz. Doch trotz der großen Ankündigung in den Medien war nur ein Bruchteil der erwarteten Menschenmenge gekommen. Die Versammelten trugen zum Großteil die türkische Nationalflagge und zeigten bei Redebeiträgen den „Wolfsgruß“ der türkischen Rechtsextremisten.
Neben den anwesenden „Osmanen Germania“ und wenigen AKP-Anhängern soll die Mehrheit der Teilnehmerinnen aus Angehörigen und Sympathisanten der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) und der Grauen Wölfen bestanden haben.
Erdogan-Unterstützer sprach von Exekution Öcalans
Ein Unterstützer Erdogans und der AKP in Deutschland bezeichnete in einem Redebeitrag die PKK als Terrororganisation und „Mörderin von 40 000 Menschen“ in der Türkei. Ein Redner, der angeblich aus Hannover angereist war, sprach sogar von einer Exekution Öcalans, der seit 1999 im türkischen Gefängnis sitzt.
Roland Schuster von der Mannheimer Linken kritisierte als Beobachter der türkisch-nationalistischen Kundgebung die Ungleichbehandlung der KurdInnen in Deutschland. Während die PKK hierzulande verboten ist, seien die türkischen „Faschisten“ der MHP und Grauen Wölfe nicht verboten. Dadurch sei es zustande gekommen, dass sich die „Faschisten“ auf dem Alten Messplatz versammeln durften.
Protest in Sicht- und Hörweite untersagt
Die Ordnungsbehörden und die Polizei sollen eine gewaltsame Konfrontation zwischen Erdogan-Anhängern, KurdInnen, türkischen Linken, Linken und AntifaschistInnen befürchtet haben. Aus diesem Grund wurde die Gegenkundgebung auf den Schlossplatz verlegt.
Die Versammlung der Ultranationalisten und Rechtsextremen durfte wie geplant auf dem Alten Messplatz stattfinden. Knapp zwei Kilometer trennten beide Veranstaltungen voneinander. Diese Entscheidung stieß bei den TeilnehmerInnen der Gegenkundgebung auf Kritik.
Erdogan auf dem Weg zur Ein-Mann-Diktatur
Sie sahen ihr Recht auf einen Gegenprotest in Hör- und Sichtweite beschnitten und kritisierten die Genehmigung der Erdogan-Solidaritätskundgebung scharf. Erdogan errichte in der Türkei eine „Ein-Mann-Diktatur“ und solle daher keine Solidarität in Mannheim, Deutschland und Europa genießen, betonte ein Teilnehmer.
Die Polizei und die Ordnungsbehörde erklärten sich mit dem Verlauf der beiden Kundgebungen zufrieden. Dennoch blieb insgesamt das Recht auf Protest in Hör- und Sichtweite der türkischen Ultranationalisten und Rechtsextremen auf der Strecke.
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