Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Mehrere Hundert Menschen zogen am Mittwochnachmittag, 1. November, durch die Stuttgarter Innenstadt, um zum Welt-Kobane-Tag unter dem Motto „Widerstand gegen den Staatsterror der Türkei – Solidarität mit den fortschrittlichen Kräften in der Türkei und mit Rojava“ ein Ende der Repression des türkischen Staats gegen die kurdische Bevölkerung zu fordern. Bis zur Schlusskundgebung auf dem Schlossplatz wuchs die Menge auf bis zu 650 DemonstrantInnen an.
Viele applaudierten, als von einem Baugerüst an einem Gebäude in der Lautenschlagerstraße aus die inzwischen verbotene YPG-Flagge entrollt und Pyrotechnik gezündet wurde. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben in diesem Zusammenhang zwei Verdächtige fest.
Der Zulauf zu der Demonstration, die von einem internationalistischen Block deutscher, kurdischer und türkischer Linker angeführt wurde, war am Treffpunkt in der Lautenschlagerstraße noch sehr verhalten. Tobias Pflüger – Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der Linken – sprach zum Auftakt. Er berichtete von seinen Beobachtungen bei einem Besuch in der kurdischen Stadt Suruc nahe der syrischen Grenze vor zwei Jahren.
Die Bundesregierung stützt Erdogan
Das türkische Militär habe die verzweifelten Bewohner in der Stadt festgehalten, den IS hingegeben ungehindert passieren lassen. „Was die türkische Regierung hier betreibt, halte ich für ein Verbrechen“, sagte Pflüger, der auch dem Vorstand der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen angehört.
Scharf kritisierte Pflüger die enge Zusammenarbeit der deutschen Regierung mit der türkischen. So werde deren Kriegspolitik durch Waffenlieferungen unterstützt. Durch einen von Innenminister Thomas de Maizière erlassenen umfangreichen Katalog verbotener Zeichen und den so genannten Terror-Paragrafen 129a beteilige sich die deutsche Regierung überdies an der Kriminalisierung kurdischer Strukturen.
Pflüger fordert Aufhebung des PKK-Verbots
„Warum ist es nicht möglich, YPG-Abzeichen zu zeigen?“, empörte sich Pflüger und forderte eine Aufhebung des PKK-Verbots: „Die Zusammenarbeit im Bereich der Geheimdienste, der Polizei und des Militärs muss endlich beendet werden.“ Er hoffe sehr, „das die Polizei heute mal gelassen“ bleibe.
Das blieb sie im Wesentlichen auch. Die Polizei war mit übertrieben starken Einsatzkräften vor Ort, trat aber nicht martialisch auf. Allerdings hielt sie weite Teile des Geschehens auf Video fest. Wegen verbotener Symbole und dem Fehlen eines presserechtlich Verantwortlichen auf einem Flyer hielten die Beamten auch die Personalien mehrerer DemonstrantInnen fest.
Parolen thematisieren deutsche Beteiligung
Zwei Personen wurden unter dem Verdacht festgenommen, noch in der Lautenschlagerstraße an einem Gebäude die YPG-Flagge gehisst und Böller gezündet zu haben. Ein Sprecher erklärte derweil, dass demokratische Einheiten in Rojava den IS bezwungen und der türkischen und syrischen Armee getrotzt hätten.
Der Demozug bog in Richtung Schlossplatz ab, wo am Feiertag viele Menschen bummelten oder in Straßencafés saßen. „Solidarität mit Rojava – weg mit dem Verbot der PKK“ wurde skandiert, ebenso die Forderung „Alle Besatzer raus aus Kurdistan“, „An jedem Krieg in jedem Land, verdient zuletzt die Deutsche Bank“ oder „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt“.
Türkei betreibt Staatsterror
Vom Neuen Schloss bog der Demozug vorbei am Mahnmal gegen Krieg und Faschismus ab in Richtung Rathaus und von dort durch die Marktstraße, die Eberhard- und die Königstraße zum Rotebühlplatz, wo es eine Zwischenkundgebung gab. Ein Sprecher der kurdischen Jugend forderte ein Ende der Isolationshaft Abdullah Öcalans. Die Initiative Kurdistan Solidarität Stuttgart wandte sich ebenfalls gegen den „Staatsterror in der Türkei“.
Auch in Deutschland würden kurdische Strukturen kriminalisiert – etwa durch das Verbot von Symbolen der YPG und der Frauenverteidigungseinheiten YPJ. „Unsere Aufgabe ist es, die BRD in ihrer sogenannten Rechtsstaatlichkeit zu demaskieren. Sie erledigt eine Auftragsarbeit für die Türkei“, sagte eine Sprecherin.
Kurdischer Tanz zum Abschluss
Bevor die Demonstration in die Theodor-Heuss-Straße abbog, wurde es kurze Zeit unruhig. Die Polizei störte sich an einem verbotenen Stern-Symbol und filmte. Bis zur Schlusskundgebung auf dem belebten Schlossplatz auf Höhe des Museums-Würfels hatte sich bei zunehmend kühler Witterung ein Teil der Demo-Teilnehmerinnen bereits wieder zerstreut.
„Menschen auf der ganzen Welt kämpfen gegen den kapitalistischen Normalzustand, gegen oben und unten“, rief ein Sprecher des Arbeitskreises Internationales ins Mikrofon. Neben weiteren Redebeiträgen wurde auch ein Grußwort von Ciwanen Azad verlesen, ehe die Kundgebung wie üblich mit einem kurdischen Tanz endete.
Siehe auch „Demo zum Kobane-Solidaritätstag“
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