Von Peter Weiss– Düsseldorf. Am Samstag, 4. November, gab es in Düsseldorf eine europaweite Demonstration unter dem Motto „Kein Fußbreit dem Faschismus! Schluss mit den Verboten kurdischer und demokratischer Organisationen aus der Türkei! Freiheit für Abdullah Öcalan und alle politischen Gefangenen!“. Die Düsseldorfer Ordnungsbehörde hatte zuvor den 41 veranstaltenden Organisationen den Verkauf von Essen, Trinken, Literatur und Musikmedien wie CDs auf dem geplanten Abschlussgelände am Rhein verboten. Am Samstag stoppte und umstellte die Polizei vier Stunden lang den Demonstrationszug, weshalb die TeilnehmerInnen das Abschlussgelände nicht erreichten.
Zwei Demonstrationszüge starteten in Düsseldorf am Hauptbahnhof und am Landtag und flossen in der Benrather Straße zusammen. Neben KurdInnen nahmen auch zahlreiche TürkInnen und Deutsche an der Demonstration teil. In der Benrather Straße stoppte die Polizei den Demonstrationszug, um die Verbote verschiedener Fahnen durchzusetzen. Tausende DemonstrationsteilnehmerInnen hatten beim Aufeinandertreffen der beiden Demonstrationszüge Fahnen geschwenkt, die zu zeigen von den deutschen Behörden verboten worden war.
Polizeibeamte umstellten die Demonstration. Danach wurden die TeilnehmerInnen vier Stunden festgehalten, wobei es zu drei größeren Zwischenfällen kam. Am Ende einigten sich die Einsatzleitung der Polizei und die VeranstalterInnen darauf, dass die TeilnehmerInnen – ohne Fahnen und ohne von der Polizei belangt zu werden – die Benrather Straße durch ein Spalier von Polizeibeamten in Richtung Hauptbahnhof und Rheinufer verlassen konnten. Ein Kompromiss, der vier Stunden zuvor Ausschreitungen und zahlreiche Verletzte verhindert und den Teilnehmern die Schlusskundgebung auf dem Abschlussgelände ermöglicht hätte.
Fahnenverbote trotz Erdogan-Regime und IS
Von den deutschen Behörden werden unter anderem die Fahnen der sogenannten Volksverteidigungskräfte YPG und YPJ aus Nord-Syrien verboten, die dort – unterstützt vom Militär der USA- seit drei Jahren erfolgreich gegen den Islamischen Staat kämpfen. Auch die Fahnen der kurdischen Arbeiterpartei in der Türkei, der PKK, die vom Erdogan-Regime verfolgt wird und gegen die Unterdrückung durch den türkischen Staat kämpft, sind von den deutschen Behörden verboten worden.
Wie willkürlich die Begründung für die Verbote sind, zeigt sich etwa am Bild Abdullah Öcalans, dessen Gesicht zu zeigen auf gelben Hintergrund verboten, auf weißem Hintergrund aber erlaubt ist. Abdullah Öcalan wird seit 18 Jahren allein in einer Zelle von der türkischen AKP-Regierung auf der Insel Imrali festgehalten.
Eskalative Polizeistrategie
Nachdem sich zahlreiche behelmte PolizeibeamtInnen in Schutzanzügen auf die Königsallee gestellt hatten, um die TeilnehmerInnen am Weiterkommen zu hindern, staute sich die kurz zuvor zusammengeflossene Demonstration am Ende der Benrather Straße vor den Reihen der Polizeibeamten auf. Ein einzelner Teilnehmer aus den hinteren Reihen warf mit einer Schwenkfahnenstange aus Plastik auf die Polizeibeamten. Daraufhin schlugen die etwa 120 Polizeibeamten mit Schlagstöcken auf alle Personen, die sich in den ersten Reihen der Demonstration befanden.
Die Beamten sprühten Pfefferspray und verletzten dabei zahlreiche TeilnehmerInnen und einige Beamte, die auch hinter dem Pfefferspraystrahl leicht mit dem Nebel in Kontakt kamen. Die vordrängenden Polizeibeamten schlugen und besprühten solange alle Menschen, bis auf 30 Meter die Benrather Straße hinunter keine Person mehr stand. Zuvor hatten dort etwa 600 Menschen gestanden. Dann hörten die Beamten auf und gingen auf die Königsallee zurück zu der Stelle, wo sie zuvor standen.
Ziellose Krawalle
Die DemoteilnehmerInnen kümmerten sich zunächst selbst um die von Schlagstöcken und Pfefferspray Verletzten. Danach sammelten sich etwa 200 vorwiegend Jugendliche vor den Reihen der Polizei. Einige bewarfen die Beamten mit Plastikstangen. Andere Jugendliche stürmten darauf zu der Gruppe und versuchten, die Werfer davon abzuhalten. Die Polizeibeamten blieben unterdessen auf der Königsstraße stehen.
Festnahmeversuch endet in Schlägerei
Etwa zweieinhalb Stunden, nachdem die Polizei den Demonstrationszug gestoppt hatte, versuchten fünf Polizeibeamte auf der Kreuzung Benther Straße/Ecke Breite Straße eine Person innerhalb der Demonstration festzunehmen. Warum sie festgenommen werden sollte, blieb unklar. Demo-Teilnehmer berichteten jedoch später, dass sie von Umstehenden dafür beschimpft wurde.
Die Person rannte durch die Demonstration davon, woraufhin die Beamten sich durch die Menge schlugen, um sie zu ergreifen. Dabei stießen, schubsten und schlugen die Polizeibeamten zahlreiche Unbeteiligte, die auf der Kreuzung standen. Die Mehrheit der Menschen drängte daraufhin die Beamten unter dem Einsatz von unmittelbarem Zwang von der Kreuzung herunter.
Weitere Beamte stellten sich in einer Kette vor die Menge und drängten zur Kreuzung auf die Menschen zu. Dabei kam es zu einer Schlägerei zwischen Beamten und einer größeren Gruppe von TeilnehmerInnen, bis die Polizisten die Kreuzung wieder verlassen hatten. Aus den hinteren Reihen der Demonstration wurde eine Plastikwasserflasche in Richtung der Polizeibeamten geworfen. Sie traf einen Demonstrationsteilnehmer am Hinterkopf.
Fragwürdige TeilnehmerInnen
Unter den DemonstrationteilnehmerInnen befanden sich auch SympatisantInnen der sogenannten Freiheitsfalken (TAK) in der Türkei, einer kurdischen Organisation, die keinerlei politische Mittel anerkennt und durch Mordanschläge und wahllose Tötungen gegen TürkInnen sowie zivile und staatliche türkische Einrichtungen vorgeht. Die TAK ist die einzige größere kurdische Organisation in der Türkei, die die Gründung eines unabhängigen kurdischen Nationalstaats anstrebt. Dabei wird ein friedliches Zusammenleben zwischen Türken, Kurden und anderen Völker ausgeschlossen.
Rote Hilfe verurteilt Polizeigewalt
Die Rote Hilfe erklärte in einer Pressemitteilung, die Demonstration sei laut Medienberichten von Polizeikräften gestoppt und angegriffen worden, da zahlreiche DemonstrantInnen Fahnen mit dem Konterfei Öcalans getragen hätten. Hierbei sei es zu Festnahmen und zahlreichen Verletzungen durch Schläge und Pfefferspray gekommen. Die Demonstration habe in der geplanten Form nicht stattfinden können und wäre vorzeitig beendet worden. Dies sei vermutlich auf das besonnene Verhalten der VeranstalterInnen zurückzuführen.
Hierzu erklärt Heiko Lange, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.: „Auch hier zeigt sich die Doppelmoral deutscher Politik im Bezug zur Türkei. Während die Bundesregierung richtigerweise die Freilassung von JournalistInnen wie Mesale Tolu und Deniz Yücel fordert, wird dem AKP-Regime innenpolitisch jeder Wunsch von den Augen abgelesen. Mit dem von Herrn de Maiziere erlassenen Fahnenverbot vom 2. März für nahezu alle kurdischen Organisationen bis zum Studierendenverband kann nun jede prokurdische Demonstration von der Straße geprügelt werden. Unser Verein fordert ein Ende der Repression gegen die linke Exilopposition und die Freilassung der in der Türkei und der BRD inhaftierten politischen Gefangenen.“
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