Von Alfred Denzinger – Stuttgart. Etwa 250 Menschen folgten am Abend des 9. November dem Aufruf des „Bündnisses zum Gedenken an die Pogromnacht in Bad Cannstatt“. Sie versammelten sich am Platz der Cannstatter Synagoge in der König‐Karl‐Straße und gedachten der Opfer der Pogromnacht vor 79 Jahren. Musikalisch umrahmt wurde das Programm mit antifaschistischen Liedern von KünstlerInnen des „Freien Chor Stuttgart“. Es gab Redebeiträge von Harald Stingele für die Initiative Gedenkort Hotel Silber, von Bernhard Löffler für den DGB und von zwei VertreterInnen des Antifaschistischen Aktionsbündnisses Stuttgart und Region AABS. Am Ende der Kundgebung wurden ein Kranz und zahlreiche rote Nelken niedergelegt.
Am 9. November 1938 wurden die Synagogen von Truppen der SA und der SS in Brand gesetzt, organisiert vom Parteiapparat der NSDAP und abgesichert von Polizei und Feuerwehr. Jüdische Geschäfte wurden zerstört und geplündert, Zehntausende verhaftet, dutzende jüdische Menschen wurden ermordet. Die Pogromnacht stellte eine Zäsur dar, die faschistische Diktatur ging nun zum offenen Terror gegen Juden und Jüdinnen über.
Nicht nur erinnern, sondern auch handeln
Ralf Chevalier vom „Bündnis zum Gedenken an die Pogromnacht in Bad Cannstatt“ begrüßte die TeilnehmerInnen. Für die Initiative Gedenkort Hotel Silber sprach Harald Stingele.
Bernhard Löffler, Geschäftsführer der DGB-Region Nordwürttemberg, erinnerte in seiner Rede an „diese Nacht 1938, in welcher hier in Bad Cannstatt, wie auch in ganz Deutschland, jüdische Menschen, jüdisches Leben und jüdische Einrichtungen zu Zielscheiben des Hasses und der Gewalt des Naziregimes und ihrer Schergen wurden“. Er spannte den Bogen zur Gegenwart und erklärte, es gäbe auch heute noch „20 bis 25 Prozent mit rechtsaffinen Einstellungen in unserer Bevölkerung“. Löffler forderte die Anwesenden dazu auf, gegen jegliche Form der Abwertung und gegen Rassismus konsequent vorzugehen. Es könne nicht nur um das Erinnern gehen, sondern es müsse auch ein „aktives Gedenken“ folgen.
Löffler gedachte des am 12. Juni diesen Jahres verstorbenen Stuttgarter Antifaschisten Theodor Bergmann (siehe hierzu auch unsere früheren Beiträge zu Theodor Bergmann). Der jüdische Kommunist hatte auch in Cannstatt mehrfach bei früheren Gedenkveranstaltungen zur Pogromnacht gesprochen.
Entschlossen gegen jede Form von Rechtspopulismus, Rassismus und Faschismus
Das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart und Region AABS betonte, so schmerzlich die Erinnerung an die Verbrechen früherer Generationen auch sei, so wichtig sei das Gedenken daran. An Tagen wie dem 9. November führe man sich vor Augen, was passieren könne, wenn man Faschisten gewähren ließe. Man könne hier neuen Mut und Kraft tanken, um sich entschlossen jeder Form von Rechtspopulismus, Rassismus und Faschismus entgegen zu stellen.
Zeitzeugen erinnern sich
Im Anschluss an die Kundgebung wurde im Rathaus von Bad Cannstatt ein Film zum Thema mit Stuttgarter Zeitzeugen gezeigt. Rund 80 Menschen nahmen an der Filmvorführung teil. Das Zeitzeugenprojekt wurde von den Stuttgarter Stolpersteininitiativen und dem Stadtjugendring Stuttgart initiiert. Zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht zeigten die Filmemacher an diesem Abend Interviews, in denen Zeitzeugen ihre Erinnerungen an die Pogromnacht schilderten.
Nach der Filmvorführung fand eine kurze Diskussion statt. Kritisiert wurde, dass keine Zeitzeugen aus dem Widerstand gegen das Naziregime zu Wort kamen.
Seit 2012 haben Stuttgarter Jugendliche 23 Zeitzeugen und Verfolgte des deutschen Faschismus in Deutschland, Israel und in den USA interviewt. Die Filme liefen in den vergangenen Jahren in Stuttgarter Kinos.
Unterstützt wurde die Kundgebung von folgenden Organisationen:
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart (AABS)
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart
„Arbeit Zukunft“ Stuttgart
DIDF, Freundschafts- und Solidaritätsverein Stuttgart
DIE LINKE OV Bad Cannstatt
DIE LINKE Stuttgart
DKP (Deutsche Kommunistische Partei) Stuttgart
Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE-PluS
Freier Chor Stuttgart
Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba Regionalgruppe Stuttgart
Friedenstreff Stuttgart Nord
Friedenstreff Cannstatt
Renate und Manfred Groll, Gerlingen
Grüne Jugend Stuttgart
Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber
Linksjugend [’solid] Stuttgart
RAS Revolutionäre Aktion Stuttgart
SÖS – Stuttgart Ökologisch Sozial
ver.di Bezirk Stuttgart
VVN-BdA, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen
Verein Zukunftswerkstatt Zuffenhausen
VÖS (Vaihingen Ökologisch Sozial)
Waldheim Stuttgart / Clara Zetkin Haus
Waldheim Gaisburg
Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften
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