Stuttgart/Karlsruhe. Ohne Gutachten dürfen transsexuelle Menschen weiterhin nicht ihr Geschlecht wechseln und ihren Namen ändern. Mit einem am Freitag, 25. November, veröffentlichten Beschluss bekräftigte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die gesetzliche Regelung, wonach zwei Sachverständigengutachten notwendig sind, damit Transsexuelle unter bestimmten Voraussetzungen ihren Namen oder ihr Geschlecht anpassen dürfen. Betroffenenverbände sehen in dem Urteil eine erneute Erniedrigung für Transgender.
Katharina Lisa Vater von der „InTRA-Beratung“ in Stuttgart kritisiert den Beschluss scharf. Sie fordert die Abschaffung des Bundesgesetzblattes von 1981 und ein neues, nicht diskriminierendes Transsexuellengesetz.
Noch nicht einmal eine Woche nach dem Internationalen Gedenktag für Opfer transphober Gewalt und Demütigung – dem „Transgender Day of Rememberance“ (TdoR) (wir berichteten) – bekräftigte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die gesetzliche Regelung, wonach zwei Sachverständigengutachten notwendig sind, damit Transsexuelle unter bestimmten Voraussetzungen ihren Namen äändern oder ihr Geschlecht anpassen dürfen. Das BVG betonte aber, dass die Gutachter Transsexualität nicht als psychische Krankheit begreifen und nicht versucht werden dürfe, Betroffene einer „Behandlung“ zuzuführen.
Weltweit führen Sexismus und Rassismus zu Gewalt und Tod von transsexuellen Menschen, führt das „Transrespect versus Transphobia Worldwide“ aus. Letztes Jahr registrierte das „Trans Murder Monitoring Projekts“ (TMM) weltweit 325 Mordfälle, in denen Menschen mit Transidentität Opfer waren.
Katharina Lisa Vater von der INTRA- Beratung, die beim „Projekt 100% MENSCH“ in Stuttgart angesiedelt ist, im Wortlaut:
„Liebe Alle,
vergangenen Freitag kam für uns alle überraschend ein Gerichtsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Geklagt hat eine Person, die sich durch die Doppel-Begutachtung durch Psychiater zur Änderung des Namens und Personenstandes massivst diskriminiert fühlte.
Wir hofften, als wir davon hörten, auf ein Urteil, das ähnlich ausfällt, wie das zu Menschen mit Intersexus vor wenigen Wochen. Dort hieß es, dass es neben den bisherigen möglichen Geschlechtseinträgen „männlich“ und „weiblich“ auch einen Eintrag für intersexuelle Menschen geben muss, der „inter/divers“ oder ähnlich lauten soll und gab dies als Arbeitsauftrag an die Bundesregierung.
Leider wurde die Klage der Person am vergangen Freitag durch den BVG abgewiesen. 5 Tage nach dem Gedenktag für Opfer transphober Gewalt und Demütigung – dem Transgender Day of Rememberance (TdoR), wird ein extrem demütigendes Urteil gefällt, das sich für uns, für die Community und vor allem für Menschen mit Transsexus anfühlt, wie ein Schlag ins Gesicht.
Die Begründung lautet unter anderem:
„Zwar klingt darin der Gedanke eines Therapiebedarfs an. Dies beruht aber nicht auf der Annahme, Transsexualität sei eine Krankheit. Ein Therapiebedarf ist hier vielmehr mit der Annahme des Senats verbunden, dass der Vorgang des Geschlechtswechsels ein belastender Prozess ist.“
Der Begriff Geschlechtswechsel ist hier völlig fehl am Platz! Es wird nicht das Geschlecht gewechselt, sondern beantragt, den Namen und den Geschlechtseintrag zu ändern! Das Geschlecht selbst wird nicht gewechselt! Das Gericht versteht offenbar nicht, worum es wirklich geht. Auch ist nicht dieser Wechsel der Geschlechterrolle das, was wirklich belastet, sondern die demütigende Prozedur, ständige Anfeindungen, die nicht ernst genommen werden seitens Behörden und Polizei, Schwierigkeiten beim Finden eines Arbeitsplatzes, einer Wohnung, etc und die enorm hohen Kosten, die teils selbst getragen werden müssen, bis man ENDLICH die sehr erleichternde rechtliche Anerkennung bekommt. Außerdem handelt es sich in keinster Weise um einen Therapiebedarf, sondern eine unumgängliche Zwangstherapie.
Dass Verfahren der Namen- und Personenstandsänderung nach dem TSG beinhaltet eine Begutachtung durch zwei vom Gericht bestimmte und bestellte „erfahrene“ Gutachter. Man kann zwar Wunschgutachter Äußern, das Gericht entscheidet jedoch selbst, ob diese zugelassen, oder andere gewählt werden. Somit kommt man zu zwei wildfremden Menschen, die innerhalb von ca. 3 Stunden Gespräch, entscheiden, ob man transsexuell ist oder nicht. Hier gibt es massive Unterschiede in den Vorgehensweisen und oft werden auch sog. nicht zugelassene Fragen gefragt und auch beantwortet, denn man möchte ja schließlich, dass das Gutachten positiv ausfällt und alles „schnell“ geht. Schnell heißt in dem Fall zwischen 6 Monaten und 1,5 Jahren. Die Kosten belaufen sich auf, je nach Wohnort, zwischen 800 Euro und 2500 Euro. Diese sind selbst zu tragen oder durch einen Antrag auf Gerichtskostenbeihilfe zu decken. Der Antrag bedeutet ein erneutes Zwangsouting bei Behörden. Das muss endlich aufhören.
Liebe neue Bundesregierung, nehmt es endlich in die Hand und macht ein NEUES Transsexuellengesetz, nicht mehr als BGBL (Bundesgesetzblatt), ein Sondergesetz, welches durch eine mehrheitliche Abstimmung auch jederzeit abschaffbar ist! Und keines, das gemacht wird, ohne qualifizierten, sachkundigen Personen, die selbst betroffen sind, auch mit einzubeziehen!“
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