Göttingen. Knapp 200 Menschen haben am Samstagmittag, 25. November, in Göttingen im Nieselregen gegen die Überwachung von Linken und die ausbleibende Aufklärung, gegen Kriminalisierung und für ein Ende der Beobachtung von Bürgerinnen und Bürgern durch Polizei und Justiz demonstriert.
Unter dem Motto „Jetzt erst recht! Gegen Kriminalisierung, politische Verfolgung und autoritären Überwachungsstaat“ hatte das Göttinger Bündnis gegen Rechts und die Antifaschistische Linke International (A.L.I.) aufgerufen. Die A.L.I. erklärte, im Juni 2017 sei bekannt geworden, dass der Staatsschutz hunderte Personen systematisch observiert hätte und über mindestens 20 Jahre hinweg illegale Datensammlungen unter der Bezeichnung links motiviert – kurz LiMo – über vermeintlich linke Personen und politische AktivistInnen angelegt worden wären (sie hierzu auch „Gegen Überwachung und Kriminalisierung„).
Grüne kritisieren den Staatsschutz: „handfester Skandal“
Um 12 Uhr startete der Demonstrationszug am Bahnhof und setzte sich über die Berliner Straße und die Groner Landstraße zunächst zum Polizeidienstgebäude in Bewegung. Hier gab es vor einer Polizeisperre aus mehreren Polizeiautos den ersten Redebeitrag.
„Wir kritisieren die Göttinger Polizeiführung für die mangelhafte Aufarbeitung des Überwachungsskandals des Göttinger Staatsschutzes,“ sagen die Göttinger Grünen und die Grüne Jugend Göttingen. Diese habe offensichtlich über viele Jahre mindestens mehrere Dutzend, wahrscheinlich aber hunderte Göttinger Bürger beobachtet, ohne dass diesen konkrete Straftaten vorgeworfen wurden, sagen die Grünen. Hintergrund sei lediglich eine vermutete Zugehörigkeit zur linken Szene. Auch die Teilnahme an einer einzigen Demonstration reichte offensichtlich aus, um eine Ausspähung von Profilen in sozialen Netzwerken, Einwohnermeldeamtsdaten oder in Cafés herbeizuführen. Aufgrund dessen haben inzwischen über zwanzig Personen Klage gegen ihre Beobachtung eingereicht.
Marie Kollenrott vom Stadtvorstand der Grünen sagt: „Die massenhafte Ausspähung von persönlichen Daten durch den Göttinger Staatsschutz ist ein handfester Skandal.“ Die Polizeiführung versuche, die Beobachtung der Betroffenen zu rechtfertigen.
Überwachungskamera „fachgerecht ausgeschaltet“
Die teilweise vermummten TeilnehmerInnen waren sehr kreativ. So wurden vor dem Polizeidienstgebäude Tüten mit geschreddertem Papier als „persönliche Akten von Linksmotivierten“ verteilt. Während die Demonstration den Marktplatz passierte, gab es eine Kunstaktion. Eine überlebensgroße laufende Kamera wurde als Zeichen gegen die Überwachung im öffentlichen Raum „fachgerecht ausgeschaltet“, nachdem sie versucht hatte den Demonstrationszug zu filmen. Am Weender Tor wurde schließlich ein großes Transparent mit den Worten „united we stand“ ausgerollt. Dies sollte laut A.L.I. die Solidarität mit den noch immer gefangenen AktivistInnen zum Ausdruck bringen, die sich an den Protesten gegen die G20-Gipfel in Hamburg beteiligten.
Die A.L.I. führte in ihrem Redebeitrag aus: „Gegen den Ausbau der Totalüberwachung und den autoritären Sicherheitsstaat, gegen Drohungen und Einschüchterungen setzen wir unseren Mut, unsere Solidarität und unseren Kampf für eine Welt des Friedens und der Freiheit!“ Zur Forschungsstelle Demokratiefeindlichkeit am Institut für Demokratieforschung stellte die A.L.I. fest: „Hier wird versucht durch vermeintlich objektive Wissenschaft die Machenschaften der Schnüffler und Neonazis des Verfassungsschutzes mit einem neuen Image zu kaschieren.“
Gegen 13.30 Uhr endete die Demo auf dem Campus der Universität. Zwischenfälle gab es keine. Lediglich einige kurzfristige Straßensperrungen sorgten für Verkehrsbehinderungen. (sr/lu/red)
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