Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Zur aktuellen Lage in der Türkei sprachen am Freitag, 1. Dezember Tuğba Hezer, Heike Hänsel, Gökay Akbulut und Yüksel Koc auf einem Podium im Linken Zentrum Lilo Herrmann in Stuttgart. Eingeladen hatte der Verband der kurdischen Studierenden (YXK). Neben dem schrittweisen Machtausbau der AKP-Regierung stand deren Unterstützung durch die deutsche Bundesregierung im Mittelpunkt. Thematisiert wurden auch Anzeichen für die zunehmende Isolierung und das Scheitern der Politik Recep Tayyip Erdoğans.
Tuğba Hezer ist Abgeordnete der Oppositionspartei HDP aus der Türkei. Dort ist sie für den Bezirk Van gewählt worden. Seit einem Jahr liegt in der Türkei ein Haftbefehl gegen sie vor. Sie schilderte, dass aktuell 5000 Mitglieder der HDP in der Türkei in Haft sitzen. Außerdem 80 BürgermeisterInnen und 155 JournalistInnen. „Mit dem Einzug der HDP in Parlament“, so Hezer, „wurde eine Lösung entwickelt, bei der die gesamte Pluralität der Völker vertreten war. Das steht im Widerspruch zum Programm der AKP von einer Nation, einer Sprache und einer Fahne“. Erdoğan versuche, das Land als Opfer und sich als Retter darzustellen, aktuell jedoch „hat er in der AKP immer weniger an Unterstützung gewonnen“, so Hezer.
Hänsel: „Waffenexporte sind Beihilfe zum Mord“
Heike Hänsel, Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, machte darauf aufmerksam, dass die Türkei auf der Liste der Rüstungsexporte von Platz 25 auf Platz 8 gestiegen sei – und das in einem Jahr, in dem das Militär zahlreiche Städte und Dörfer im Süd-Westen des Landes angegriffen hatte. „Waffenexporte sind Beihilfe zum Mord“, so Hänsel. Sie versicherte, sich auch weiterhin solidarisch mit der kurdischen Bewegung zu zeigen. Delegationen der Linkspartei waren beispielsweise in die Türkei gereist, um die dortigen politischen Prozesse zu beobachten. „Wir werden all diese Prozesse weiter begleiten“, so Hänsel.
Deutsch-türkische wirtschaftliche Beziehungen
Gökay Akbulut, Bundestagsabgeordnete der Linken aus Mannheim, sagte: „Die Türkei ist ein wichtiger wirtschaftlicher Patner. 2015 gab es ein Exportvolumen von 25 Milliarden Euro in die Türkei und von 15 Milliarden Euro aus der Türkei“. Als Stadträtin in Mannheim diskutiere sie mit Menschen aus dem Land. „In diesem Jahr sind über 300 Frauen durch Ehepatner und andere Familienmitglieder ermordet worden“, gab Akbulut an. Die Menschen müssen wissen, dass das mit dem AKP-Regime sprunghaft zugenommen habe. Auch in Deutschland sitzen 120 Personen wegen politischer Tätigkeit in ausländischen Organisationen im Gefängnis, berichtete Akbulut. Sie selbst ist vom Verfassungsschutz 5 Jahre lang beobachtet worden. Sie plädierte: „Die kurdischen und Linke Opposition müsse sich weiterhin auch für die Probleme hier einsetzten“.
YPG-Symbole nur in zwei Ländern verboten: Türkei und Deutschland
Yüksel Koc hatte Anfang November in Düsseldorf eine Großdemonstration angemeldet. Durch die deutschen Behörden sei ihm dort verboten worden, Essen und Bücher auf der Demonstration anzubieten. Auch sei ihnen auf Demonstrationen schon die Ausgabe von Trinkwasser verboten worden. Zahlreiche politisch Engagierte seien von Abschiebungen in die Türkei bedroht. In Heilbronn sei einem Mann der Aufenthaltstitel entzogen worden, „weil er in der Moschee für die Freilassung von Öcalan gebetet haben soll“. Etwa 6000 Agenten des türkischen Geheimdienstes arbeiteten derzeit ungestört in der Bundesrepublik. In Hamburg sei einer dieser Agenten überführt worden, berichtete Koc. Er hatte eine Todesliste auf dem auch sein Name vermerkt war. Obwohl die Beweise bei den Behörden eingereicht wurden, habe noch keine Ermittlung stattgefunden. Die Zusammenarbeit der deutschen und türkischen Regierungen habe Tradition. Koc hob hervor, dass schon beim Verbot der kurdischen Arbeiterpartei PKK, das 1993 in Deutschland ausgesprochen wurde, eine türkische Zeitung mit „Danke Helmut Kohl“ titelte. So seien heutzutage auch die Symbole der YPG verboten, die in Syrien den IS besiegt hat. Koc dazu: „Die ganze Welt erkennt den Kampf der YPG an. Die Symbole sind nur in zwei Ländern verboten, in der Türkei und in Deutschland“.
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