Von Tape Lago – Bretzenheim. Wie in den vergangenen Jahren gab es am Samstag, 25. November, am „Mahnmal Feld des Jammers“, in Bretzenheim – Landkreis Bad Kreuznach – eine Neonazi-„Gedenkveranstaltung“. Dagegen demonstrierten rund 50 AntifaschistInnen. Sie machten den extremen Rechten und Rechtsradikalen deutlich, dass sie unerwünscht waren. Aufgerufen hatte der Verein „Alternative Jugendkultur Bad Kreuznach“. Die Polizei war vor Ort mit einer starken Mannschaft. Sie hat nach eigenen Angaben Ermittlungsverfahren gegen sechs Neonazis, die verbotene Gegenstände bei sich trugen, eingeleitet. Anwesend waren auch der Staats- und Verfassungsschutz, die Polizeidirektion Bad Kreuznach und die Staatsanwaltschaft.
Um gegen das eiskalte Wetter zu „kämpfen“, lud das Bündnis „Ratschlag gegen Rechts“ des „Netzwerks am Turm“ die NazigegnerInnen zu einem Umtrunk ein. Bereits um 13 Uhr versammelten sich die AntifaschistInnen auf dem Parkplatz der Firma Teetronic unweit des „Mahnmals Feld des Jammers“. Unter dem Motto „Einschenken fürs Aussteigen“ gaben die Veranstalter Glühwein und andere heiße Getränke gegen Spende aus. Damit wurde für das landesweite Aussteigerprogramm „(R)AUSwege aus dem (Rechts)Extremismus“ geworben.
Lautstarker Protest vor Polizeiabsperrung
Einige AntifaschistInnen hatten sich gewünscht, in Hör- und Sichtweite der Neonazis zu protestieren. Doch ihre Kundgebung durfte nur etwa 80 bis 100 Meter vom Mahnmal entfernt, von Absperrgittern und von PolizistInnen abgeschirmt stattfinden. Trotz der großen Entfernung gelang es den NazigegnerInnen, ein deutliches Zeichen zu setzen.
Da der Gemeinderat und die Bevölkerung von Bretzenheim die Neonazi-Veranstaltung seit Jahren, ohne Widerspruch hinnehmen, wollten die AntifaschistInnen, die aus Bad Kreuznach, Mainz und anderen Städten angereist waren, das „Nazi-Heldengedenken“ massiv stören. Es sei nicht hinnehmbar, dass die lokale Politik und die Menschen der Ortsgemeinde das Gebaren der Neonazis kleinreden.
Mit Musik, Buhrufen und Sprechchören wie „Schämt euch! – Schämt euch!“, „Haut ab! – Haut ab!“, „Nazis raus! – Nazis raus!“, protestierte die Antifa bereits ab 14 Uhr lautstark gegen die Gruppierung, die sich am Mahnmal befand. Auch die ankommenden Neonazis wurden mit Protest empfangen. Als die Polizei TeilnehmerInnen der „Gedenkveranstaltung“ durch die Protestkundgebung führte, versuchten die AntifaschistInnen jedes Mal, deren Weg zu blockieren. Die Polizei schützte die Neonazis jedoch und brachte sie zu ihrer Kundgebung.
Gegen Versammlungs- und Pressefreiheit
Vor Beginn ihrer „Gedenkveranstaltung“ fotografierten die Neonazis die anwesenden Journalisten. Ein Neonazi, der offenbar keine Ahnung vom Presserecht hat, forderte die Pressevertreter auf, das Fotografieren zu unterlassen und wollte auch wissen, wie sie hießen. Daraufhin antwortete einer der Journalisten: „Ich bin der Seppel und darf hier fotografieren.“ Danach filmte der Neonazi die Journalisten und beklagte sich mehrmals bei der Polizei – ohne Erfolg.
Auch Wilhelm Herbi, der mit Wiebke Jung zur „Gedenkkundgebung“ aufrief, forderte die Polizei auf, den antifaschistischen Protest zu untersagen und zu beenden. Worauf die Polizei auf die Versammlungsfreiheit und das Demonstrationsrecht verwies.
Verbotene Gegenstände bei Neonazis
Wie die Polizei auf Anfrage mitteilte, wurden die TeilnehmerInnen der Neonazi-Kundgebung bei ihrer Anreise kontrolliert. Bei sechs Personen seien Gegenstände gefunden worden, die bei Versammlungen nicht erlaubt seien. Das seien unter anderem Pfefferspray und Elektroschockgeräte. Die polizeiliche Kontrolle führte zur Verzögerung der Neonazi-Kundgebung und löste bei den Veranstaltern und TeilnehmerInnen eine ungeheure Wut aus.
Ohne zu wissen, warum einige TeilnehmerInnen von Polizeibeamten festgehalten wurden, beschimpfte Wilhelm Herbi, ehemaliger NPD-Funktionär, die gesamte Polizei. Sie solle sich schämen. Sie traue sich nicht gegen „Familien-Clans“ in Großstädten vorzugehen und zeige in Bretzenheim ihre Macht gegen Deutsche. Er sprach von einer Liste, auf der die „politischen Gegner“ bereits vermerkt seien.
Naziaufmarsch für 2018 angekündigt
Herbi warf der Polizei vor, der Antifa erlaubt zu haben, einen „Zirkus“ gegen eine „Gedenkkundgebung für die Ermordeten der Rheinwiesenlager“ in Bretzenheim zu veranstalten. Er bezeichnete das „Verhalten der Polizei“ als „entwürdigend und schikanös“. Die Polizei mache das Gegenteil von dem, was ihre Pflicht sei, sagte Herbi. Er kündigte für 2018 eine Demonstration in Bretzenheim an.
Ab dem nächsten Jahr werde es keine „Gedenkveranstaltung“ mehr geben, sondern einen Demonstrationszug, wobei die Polizei mehr zu tun haben werde. Es bestehe Bedarf, dass die „jungen Leute des nationalen Widerstands“ die Möglichkeit zu einer Großveranstaltung mit Demonstration bekommen, betonte Herbi weiter. Gegen seine Rede protestierten die NazigegnerInnen mit Buhrufen und Sprechchören: „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“, „Ob Ost, ob West – nieder mit der Nazi-Pest“.
Geschichtsrevisionismus und NS-Verherrlichung
Aus Sicht von Richard Edmonds, einem Engländer, der aus London angereist war, hat das britische Establishment beide Male im vergangenen Jahrhundert – im Jahr 1914 und dann nur fünfundzwanzig Jahre später im Jahre 1939 – ganz ohne Grund den Krieg gegen Deutschland erklärt. Edmonds zitierte den Gründer des Front National, Jean-Marie Le Pen, und sagte weiter, die Deutschen seien das „Opfervolk Europas“.
Der Zweite Weltkrieg habe im Mai 1945 kein Ende gefunden und dauere fort. Statt Bomben und Kugeln habe man nun andere unmenschliche Handlungungen aller Arten zu erleiden. Seine NachrednerInnen taten nichts anderes. Für sie sind die Alliierten die „Kriegsverbrecher“ und die Soldaten des Naziregimes die „wahren Helden“ und „Opfer“ zugleich.
Insgesamt sprachen zwölf Personen bei der Neonazi-Kundgebung. Etwa 90 Personen nahmen an der Veranstaltung teil. Darunter rheinland-pfälzische NPD-Kader und bekannte Volksverhetzer und Holocaustleugner. Es war insgesamt eine unwürdige „Gedenkveranstaltung“. Auf eine „Großdemonstration“ mit Demonstrationszug sollten sich die Bad Kreuznacher Politiker und Bevölkerung gefasst machen.
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