Von Sandy Uhl – Ulm. In Ulm gab es am Dienstag, 5. Dezember, eine Hausdurchsuchung bei einem 20-Jährigen. Laut Beschluss ging es um „Fälschung beweiserheblicher Daten“. Der Hintergrund ist offenbar eine Demo-Anmeldung für den 13.12. Die Polizei wittert Beleidigung.
Der 20-Jährige, der noch bei seinen Eltern lebt, schildert die Durchsuchung so:
Gegen 5.45 Uhr habe es an der Haustür geklingelt. Seine Mutter habe geöffnet. Kurz darauf seien ein lautes Klopfen an der Wohnungstür und Stimmen zu hören gewesen: „Polizei, aufmachen, wir wissen, dass Sie da sind. Wir haben Sie gehört.“
Die Mutter habe daraufhin die Wohnungstür geöffnet und sei nach eigenen Worten „auf die Seite gedrückt“ worden. Etwa 30 Personen, darunter etwa 15 BeamtInnen in Uniform mit der Aufschrift „K6“ und ein neutraler Zeuge, seien in die Wohnung eingedrungen.
Sie kontrollierten das Wohnzimmer, das Schlafzimmer des Bruders und drangen anschließend in das Zimmer des Betroffenen ein. Er lag noch im Bett. Ein Beamter habe den ersten Absatz des Beschlusses vorgelesen, in dem nach „§§ 102, 105, Abs. 1, 162 Abs. 1 Strafprozessordnung gemäß § 33 Abs. 4 Strafprozessordnung ohne vorherige Anordnung die Durchsuchung der Person (Beschuldigter) und der Wohnung mit Nebenräumen nach Gegenständen“ angeordnet wird. Anschließend habe man den Beschluss auf das Bett des Betroffenen geworfen und ihn aufgefordert, das Schriftstück durchzulesen.
Keine rechtliche Belehrung
Nach Angaben des 20-Jährigen wurde er nicht über seine Rechte belehrt. Auch wurde er nicht drauf hingewiesen, einen neutralen Zeugen hinzuziehen. Eine Beamtin habe sofort sein Tablett und sein Handy an sich genommen. Dadurch habe er auch keine Möglichkeit gehabt, einen Anwalt zu kontaktieren.
Fälschung beweiserheblicher Daten
Hintergrund der Hausdurchsuchung war die Anmeldung einer Versammlung „Gegen Polizeigewalt“ am Mittwoch, 13. Dezember, in Ulm. Der Betroffene hatte hierfür eine E-Mail an die Stadt Ulm mit einer eigens angelegten E-Mail-Adresse geschrieben und die Nachricht mit zwei Initialen abgezeichnet.
Dies sei der Stadt Ulm zu wenig gewesen, erklärte er. Sie habe ihn aufgefordert, die vollständigen Daten anzugeben. Er habe daraufhin zwei Tage später eine weitere E-Mail mit allen gewünschten Angaben über seine private E-Mail-Adresse an die Stadt Ulm geschrieben.
Herausgabe des Passwortes gefordert
„Den Beamten ging es letztendlich nur darum, die erste E-Mail von meinem Tablett auszudrucken“, so der Betroffene. Nachdem die Beamten festgestellt hatten, dass sein Tablett passwortgeschützt ist, habe man ihm gegenüber Druck aufgebaut, um das Passwort in Erfahrung zu bringen, und angedroht, sämtliche technischen Geräte zu beschlagnahmen.
„Sie hatten schon das Geschäftslaptop meines Vaters und den Fernseher meines Bruders abgebaut. Als meine Mutter weinend vor mir stand, da es bei dem Geschäftslaptop meines Vaters um die Existenz der ganzen Familie geht, habe ich mich bereit erklärt, das Passwort persönlich auf meinem Tablett einzugeben“, so der Beschuldigte weiter. Während dessen habe ein Beamter im Hintergrund ständig Fotos gemacht.
Als er die besagte E-Mail dann nochmals von seinem Tablett aus ausgedruckt habe, seien die Beamten zufrieden gewesen. Die Durchsuchung habe knapp eine Stunde gedauert, beschlagnahmt wurde nichts. „Sie sind mit einer leeren Kiste gekommen und mit einer leeren Kiste wieder gegangen“, so der Betroffene.
Merkwürdige Fragen und Aussagen
Während der Durchsuchung, berichtet der Betroffene, habe ihn ein Beamter gefragt, ob er wisse, wie es mit dem Sozialismus in Russland aussehe. Er sei doch offensichtlich Deutscher und wolle es auch bleiben. Er profitiere schließlich von dem Staat und erlaube sich so was. Ob er nicht mal seinen Mann stehen könne zu dem, was er macht. Nach eigenen Angaben ließ sich der Betroffene auf kein Gespräch mit dem Beamten ein.
Polizei fühlt sich offenbar beleidigt
In einem Auszug des Beschlusses, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es wörtlich: „[Name des Beschuldigten] ist bei hiesiger Dienststelle durch mehrfache Teilnahmen an linken Demonstrationen (z.B. 01. Mai 2017) in Ulm bekannt. Auffällig ist das Datum des Demonstrationstags (13.12.), das vermutlich wegen dem Zahlencode „1312“, welcher anhand der Position der Buchstaben im Alphabet für „ACAB“ (all cops are bastards“) steht, gewählt wurde.
Weiter deutet das Thema der Anmeldung „gegen Polizeigewalt“ auf eine Demonstration des linken Personenspektrums vom 1. Mai 2017 hin, bei der die geplante Route (Aufzugsstrecke) fast identisch war und die linke Personengruppe auch eine satirische Kundgebung vor dem Polizeigebäude hielt“ (siehe unseren Bericht Von Rechtspopulisten nicht täuschen lassen).
Stadt Ulm akzeptiert beantragte Versammlung
Die Stadt Ulm hat die für den 13. Dezember beantragte Versammlung „Gegen Polizeigewalt“, am Nachmittag des gleichen Tages, an dem die Hausdurchsuchung stattfand, akzeptiert und eine Aufzugsstrecke vorgeschlagen.
Der Betroffene selbst schildert die Hausdurchsuchung als surreal. „Für mich ist das der Versuch einer Eskalation, dass Personen ausrasten, und ein Einschüchterungsversuch, auch gegenüber meinen Eltern.“ Die Versammlung werde am 13. Dezember auf jeden Fall stattfinden.
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