Von Andreas Scheffel – Stuttgart. Keine Abschiebungen in Krieg und Elend: Ein Zeichen gegen die Abschiebungs- und Abschottungspolitik Deutschlands setzten am Samstag, 9. Dezember, mehr als 1600 Personen in Stuttgart. Mehr als 60 Organisationen hatten zu der landesweiten Demonstration aufgerufen. Ihr Motto: „Gegen Rassismus und für eine Welt, in der niemand fliehen muss“.
Die Demonstration begann am frühen Nachmittag in der Lautenschlagerstraße gegenüber vom Hauptbahnhof. 16 Jahre „Krieg gegen den Terror“ hätten in Afghanistan keinen Frieden gebracht, hieß es im Aufruf. Ein Ende der Gewalt sei nicht in Sicht. Der UNO zufolge habe sich die Zahl der getöteten ZivilistInnen im ersten Halbjahr 2017 gegenüber dem Vorjahr erhöht. Der Krieg habe die sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen der Gesellschaft zerstört. Gewalt, Willkür und Terror bestimmten den Alltag.
Die Taliban erlebten eine Renaissance und beherrschten große Teile des Landes. Deutschland und andere westliche Staaten arbeiteten mit einer korrupten und autoritären Regierung zusammen, die sich auf Warlords stützt, abweichende Meinungen bekämpft und Minderheiten drangsaliert, so die Organisatoren.
Zwischen Pyrotechnik und Transparenten
Sozialhilfeträger zeigten mit eigenen Transparenten Haltung, und auch flüchtlingssolidarische Gruppen waren zahlreich vertreten. Ein antikapitalistischer Block thematisierte, dass die Ursachen von Flucht in einem Zusammenhang mit dem globalen System des Kapitalismus stehen. „Die weltweite Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen Villen und Elendsvierteln, zwischen Besitzenden und Besitzlosen war noch nie das Ergebnis von Zufällen oder höherer Vorsehung“, sagte eine Rednerin.
DemonstrantInnen zeigten ihren Unmut und zündeten Pyrotechnik. Das rief sofort BeamtInnen auf dem Plan. Die Einsatzkräfte positionierten sich entlang des Blocks und versuchten, die Demonstrierenden zu filmen – es kam zu regelrecht zu „Film- und Foto-Orgien“. Sie griffen jedoch nicht weiter ein.
Auch die PPS war im Einsatz. Die Abkürzung PPS steht laut der Internetseite von Praetor Intermedia für „Police-Pilot-System“ – ein für Geschwindigkeitsmessungen genutztes System. Sind die DemonstrantInnen etwa zu schnell gelaufen?
Situation in Libyen
Nach dem Start in der Lautenschlagerstraße liefen Geflüchtete aus Afghanistan an der Spitze der Demonstration. AktivistInnen der Black Community beteiligten sich mit einem Redebeitrag zur Situation in Libyen. Weiter zogen die Protestierenden zur Zwischenkundgebung am Schlossplatz, dann zur Abschlusskundgebung an der Paulinenbrücke.
Friedhold Ulonska von Sea-Watch berichtete über die Situation von Geflüchteten, die von Libyen aus über das Mittelmeer kommen und ihr Leben aufs Spiel setzten, um friedlich ohne Folter und Vertreibung leben zu können. Der Flüchtlingsaktivist Rex Osa von „The Voice“ sprach über die fatale Situation der Ermittlungen im Justizskandal um Oury Jalloh. Sadiq Zartilla, ein Geflüchteter aus Afghanistan, schilderte die Situation in seinem Heimatland.
Gegen Bundeswehreinsätze und Rüstungsexporte
Tobias Pflüger, Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Vorsitzender der Linken, außerdem Vorstandsmitglied der Informationsstelle Militarisierung IMI, betonte, dass seine Partei gegen die Abschottungspolitik der Bundesregierung steht. Weder ein Ende deutscher Bundeswehreinsätze und Rüstungsexporte, noch ein Ende der Abschottungs- und Abschiebepolitik sei in Sicht.
Vielmehr machten die jüngsten Gesetzesverschärfungen und Äußerungen politisch Verantwortlicher deutlich, dass künftig mit mehr Abschiebungen zu rechnen sei. Wirtschaftliche Interventionen und Kriege, angeleitet und geführt von Industrienationen, seien die Hauptgründe für Flucht und Vertreibung. Die Bundesregierung müsse ihre Flüchtlingspolitik um 180 Grad drehen und endlich für eine menschenwürdige Einreise von Geflüchteten stehen, forderte Pflüger.
Ursachen von Flucht
Auch Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg kritisierte die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Die zahlreichen Kriegsschauplätze und die Millionen von Elend und Armut betroffenen Menschen seien keine zufällige Erscheinung. Die globalen Macht- und Herrschaftsverhältnisse und der ungleiche Besitz von Reichtum und Bodenschätzen seien die notwendige Folge des Kapitalismus – eines Systems, das nicht an dem Wohl und den grundlegenden Bedürfnissen der Menschheit ausgerichtet sei, sondern an den Milliardengewinnen der Banken und Konzerne. Auch eine Vertreterin des Arbeitskreises Internationalismus Stuttgart thematisierte sehr ausführlich die Fluchtursachen.
- F. Ulonska
- Rex Osa
Die Unterstützer der Demonstration:
AK Asyl Leinfelden-Echterdingen, AK Asyl Stuttgart, AK Flüchtlinge Reutlingen, Aktionsbündnis „Stuttgart gegen Rechts“, Aktion Bleiberecht Freiburg, Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart, Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart & Region (AABS), Antifaschistischer Aufbau München, Antifaschistischer Stammtisch München, Antirassistisches Netzwerk Baden-Württemberg, Arbeiterwohlfahrt AWO Stuttgart, Arbeiterwohlfahrt AWO Kreisverband Esslingen, Arbeitskreis ProAsyl Villingen, Arbeitsgemeinschaft für die eine Welt (AGDW), Arbeitskreis Internationalismus Stuttgart, Arbeitskreis „Stuttgart 21 ist überall“, attac Böblingen, attac Stuttgart, Bündnis Bleiberecht Tübingen, Bündnis für Bleiberecht Oberschwaben, Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim, Demokratie in Bewegung Baden-Württemberg, Demokratisches Kurdisches Gesellschaftszentrum Stuttgart, Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (Stuttgart), DIDF-Stuttgart (Föderation Demokratischer Arbeitervereine), Die AnStifter, Die Linke KV Stuttgart, DKP Kreisgruppe Schwäbisch Hall, Flüchtlingsrat BadenWürttemberg, Forum Asyl Pforzheim, Forum Azilon – Asyl und Menschenrecht, Freiburger Forum aktiv gegen Ausgrenzung, Freundeskreis für Flüchtlinge in Fellbach, Friedenstreff Stuttgart Nord, Friedensplenum-Antikriegsbündnis Tübingen, GLOBAL Bad Waldsee, Helferkreis Breisach, IFF – Interkulturelles Forum für Flüchtlingsarbeit Biberach, Informationsstelle Militarisierung IMI, Initiative Kurdistan-Solidarität Stuttgart, Jugendverband REBELL Stuttgart, Jusos Stuttgart, Kultur des Friedens, Lebenshaus Schwäbische Alb – Gemeinschaft für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Ökologie, Libertäre Gruppe „für eine freie Welt“, Linke Aktion Villingen-Schwenningen, Linksjugend Solid Stuttgart, move on – menschen.rechte Tübingen, NAV-DEM, Offenes Antirassistisches Treffen Karlsruhe, OTKM – Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart, Ostend-Obenbleiber, Redaktionsbüro Schwarztexte, Revolutionär organisierte Jugendaktion (ROJA) Nürnberg, Revolutionäre Aktion Stuttgart, Schulfrei für die Bundeswehr. Lernen für den Frieden, Stuttgart Ökologisch Sozial, Verdi Jugend Stuttgart, Verdi Jugend Rhein-Neckar, VVN-BdA Baden-Württemberg, VVN-BdA KV Stuttgart, VVN-BdA Tübingen-Mössingen.
Einzelpersonen:
Alexander Kauz (Die Linke – Mitglied im Bundesausschuss), Barbara Rockenbauch, Bernd Riexinger, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Linken, Charlotte Büchner, Detlef Reppenhagen, Doris Hensinger, Fayme Nieschalk, VVN-BdA, KV Pforzheim/Enzkreis, Gerd Rathgeb, Stuttgart (POEMA), Helmut und Marianne Thienwiebel, Jürgen Klingelhöfer (Die Linke und Verdi), Johannes Manderscheid, Kerstin Manz, Luigi Pantisano (Stadtrat im Gemeinderat Stuttgart), Monika Schickel, PD. Dr. med Ulrich Börngen, Stuttgart (IGF, IPPNW und AnStifter Stuttgart), Sabine Onayli, Tom Adler, Fraktionsvorsitzender von SÖS-LINKE-PluS, Stuttgart, Werner Gaßner, Wolfgang Renz.
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