Von Tape Lago – Neuwied. In der Innenstadt und vor der Stadthalle von Neuwied demonstrierten am Freitag, 22. Dezember, gut 200 Linke, AntifaschistInnen und KurdInnen gegen die Veranstaltung eines Kulturvereins aus Weißenburg. Finanziert wurde dessen „Kulturfest“ von der ADÜTDF (Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland), die unter dem Einfluss der Grauen Wölfe stehen soll.
Zum Protest hatte die Linksjugend Solid Koblenz mit Unterstützung der Linken Neuwied, des DGB Kreisverbands Neuwied und kurdischer Organisationen aufgerufen. Die Polizei war mit einer großen Mannschaft vor Ort und sorgte dafür, dass die türkischen Rechtsextremen ungestört ihre Veranstaltung abhalten konnten.
Es war für die GegendemonstrantInnen klar, dass die Grauen Wölfe die Bühne des „Kulturfestes“ nutzen wollten, um neue Mitglieder für ihre Föderation in Deutschland zu werben.
Schulter an Schulter gegen Faschismus
Unter dem Motto „Schulter an Schulter gegen Faschismus“ versammelten sich rund 100 Linke, AntifaschistInnen und KurdInnen am frühen Abend vor dem Bahnhof. Nach einer kurzen Ansprache von René Schneider, Sprecher von Linksjugend Solid Koblenz und Veranstalter, setze sich der Demonstrationszug – begleitet von einem Großaufgebot der Polizei – Richtung Innenstadt in Bewegung.
Die TeilnehmerInnen skandierten Parolen wie „Alle Besatzer raus aus Kurdistan – Erdogan Terrorist – Schulter an Schulter gegen Faschismus – Hoch die internationale Solidarität“ und machten damit deutlich, dass die Grauen Wölfe in Neuwied unerwünscht seien. Die Grauen Wölfe seien ihre GegnerInnen, „Faschisten“, die für eine menschenfeindliche Politik und eine Spaltung der türkischen Gesellschaft stehen.
Lautstarke Demonstration in der Innenstadt
In der Innenstadt machte der Demonstrationszug einen Halt, um die Bevölkerung auf die Anwesenheit der Grauen Wölfe in der Stadthalle aufmerksam zu machen. Dabei waren die Erdogan- und Grauen-Wölfe-GegnerInnen sehr laut und skandierten antifaschistische Parolen. Dort wuchs die Teilnehmerzahl der Demonstration auf rund 200. Daraufhin zogen die Protestierenden Richtung Stadthalle, wo eine Mahnwache gegen das „Kulturfest“ und die Grauen Wölfe eingerichtet war.
Als der Protestzug seinen Endpunkt erreichte, wurden die Protestierenden noch lauter. Die TeilnehmerInnen des „Kulturfestes“ provozierten die GegendemonstrantInnen, indem sie ihnen den Wolfsgruß zeigten und sie fotografierten.
Die Linke versuchte, die Veranstaltung zu stoppen
In einem Redebeitrag machte Jochen Bülow, Landesvorsitzender der Linken in Rheinland-Pfalz, deutlich, dass es sich bei der Veranstaltung in der Stadthalle um eine Zusammenkunft von türkischen Rechtsextremen handele. Er begrüßte den Protest und rief die DemonstrantInnen dazu auf, noch lauter gegen die Grauen Wölfe zu werden. Ein Vertreter des DGB (Kreisverband Neuwied) sprach im Sinne seines Vorredners.
Die Linke Neuwied habe den Protest unterstützt, weil die Partei, so Tobias Härtling, Vorsitzender der Stadtratsfraktion, grundsätzlich antifaschistisch sei. Sie habe durch einen Antrag im Stadtrat versucht, die Veranstaltung der Grauen Wölfe zu stoppen. Doch die Stadt genehmigte das „Kulturfest“ und soll sich auf die Versammlungsfreiheit berufen haben.
ADÜTDF Vom Verfassungsschutz beobachtet
Die ADÜTDF (Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenverein in Deutschland) wird vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet und soll von den Verfassungsschützern als „Sammelbecken extrem nationalistischer Personen mit türkischem Migrationshintergrund“ bezeichnet werden. Sie sei der Ableger der türkischen MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) in Deutschland. Die Anhänger des türkischen Rechtsextremismus betrachten die kurdische PKK und die KurdInnen als Feinde.
AfD und Neonazis unerwünscht
Im Vorfeld der Demonstration gegen die türkische Rechtsextremen hatten die Veranstalter deutlich gemacht, dass sie keine Mitglieder der Jungen Alternativen (JA) und keine Neonazis auf ihrer Veranstaltung sehen wollten. Doch es kam trotz aller Warnungen eine kleine Gruppe von Neonazis, die an dem Protest gegen die Grauen Wölfe teilnehmen wollte.
Nachdem die drei Neonazis zurückgewiesen worden waren, drohten sie René Schneider, dem Veranstalter des Protests. Daraufhin nahm die Polizei die Neonazis in Gewahrsam und stellte ihre Personalien fest. Ein Neonazi soll GegendemonstrantInnen bekannt gewesen sein. Er habe eine Hakenkreuz-Tätowierung auf der Brust.
Die Veranstalter des Protests zeigten sich mit dem Verlauf ihrer Demonstration zufrieden. Außer der kleinen „Störaktion“ der Neonazis, verlief der Protest gegen die Grauen Wölfe friedlich.
Eine Erläuterung der Linksfraktion im Stadtrat von Neuwied zum Charakter der Veranstaltung im Wortlaut:
„Was passierte im Heimathaus am 22. Dezember?
Diese Frage ist als Außenstehender kaum zu beantworten. Die Meinungen dazu waren bereits im Vorfeld sehr unterschiedlich.
In einem Interview mit der Rhein-Zeitung vom 14.12.17 betonte Musa Elaldi, Vorsitzender des deutsch-türkischen Kulturvereins, im Vorfeld der Veranstaltung, dass es „ein reines Familienfest“ mit Kindermusik- und Folkloretanz-Gruppen, aber ohne politische Ausrichtung sei. Zudem war der Auftritt drei bekannter türkischer Musiker geplant, von denen einer aus der Türkei eingeflogen werden musste, so Elaidi. Nach seiner Aussage wurde auch in diesem Zusammenhang die „Türkische Föderation“ (ADÜTDF) mit ins Boot geholt, um das zu finanzieren, was durchaus üblich sei. Dementsprechend taucht sie auch auf dem Veranstaltungsflyer auf. Die Türkische Föderation gilt allerdings als Arm der rechtsextremen „Partei der Nationalistischen Bewegung“, die wiederum als politischer Arm der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ gilt. Die Föderation wird von verschiedenen Verfassungsschutz-Landesämtern beobachtet.
Zum deutsch-türkische Kulturverein erklärt Elaldi: „Unser Verein ist bunt“, mit viele verschiedene Interessen, in dem auch einige Mitglieder mit der Türkischen Föderation sympathisieren. Der Verein finanziere sich rein aus Mitgliedsbeiträgen. „Wir haben mit keiner Partei zu tun“, so Musa Elaldi. Die deutschen Gesetze seien ihr heiligstes Gut.
Zeynep Begen, Vorsitzende des Migrationsbeirates im Kreis Mayen-Koblenz, war zu dem sogenannten Familienfest in der Neuwieder Stadthalle eingeladen und sieht diese Veranstaltung sehr differenziert. Sie war selbst nicht dort, ist sich aber sicher, dass dort Menschen mit unterschiedlichen Interessen anwesend waren. Dazu nochmal ihr Zitat aus dem oben erwähnten RZ-Artikel: „Viele Familien freuen sich auf ein schönes großes Fest mit Auftritten der Kinder und Musik. Es gibt aber sicher auch jene, die dort hingehen, weil sie es als politische Kundgebung des türkischen Patriotismus verstehen.“ In einem Telefonat nach dem Fest bestätigte Begen ihre Sichtweise und betont, dass es auch Türken gibt, die diese politische Haltung nicht teilen.
Weißenthurms Stadtchef Gerd Heim ist hingegen etwas beunruhigt. War der Kontakt zu dem deutsch-türkischen Kulturverein bisher freundlich, so äußerte sich Heim zur RZ jetzt so: „Aber für uns ist undurchschaubar, was die vertreten“, so dass man sich zuletzt im Austausch etwas zurückhaltender verhalten habe.
Rechte Symboliken, wie das Logo mit den drei Halbmonden oder auch der Wolfsgruß, finden sich nach Aussage kommunaler antifaschistischer Organisationen im Vereinshaus und auf Mitgliederfotos des deutsch-türkischen Kulturvereins. Ebenso finden sich die drei Halbmonde auch in Videos des Sängers Mustafa Yildizdogan, der an diesem Tag in Neuwied aufgetreten ist und mit dem die ADÜTDF seit Jahren zusammenarbeitet. Derartige Konzerte wurden daher auch bereits vom Verfassungsschutz beobachtet.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Auf der Veranstaltung werden sich sicher nicht nur Faschisten aufgehalten haben, jedoch ist die Position des veranstaltenden Vereins, zumindest einiger Mitglieder, zweifelhaft und der Rahmen eines Familienfestes anscheinend nur Tarnung und Taktik. Das Sponsoring durch die Türkische Föderation muss deutlich kritisiert werden. Dies alles lässt vermuten, dass auf diesem Wege als harmlos deklarierte Familienfeste und ein deutsch-türkischer Kulturverein durch rechtsextreme Kräfte unterwandert und die Menschen mit entsprechenden Botschaften, z.B. über Lieder, manipuliert werden sollen.
Aus diesem Grund war die Demonstration und die Mahnwache vor dem Heimathaus absolut notwendig. Nicht mit dem Ziel, die Veranstaltung zu verhindern, sondern um gewisse Verbindungen sowie Hintergründe an das Licht der Öffentlichkeit zu bringen. KEIN FUSSBREIT DEM FASCHISMUS!
Tobias Härtling, Vorsitzender der Stadtratsfraktion DIE LINKE. Neuwied“
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