Von Tape Lago – Dessau. Zur 13. Gedenkdemonstration an Oury Jalloh hatten die OrganisatorInnen 2000 TeilnehmerInnen in der Dessauer Innenstadt erwartet. Doch am Sonntag, 7. Januar, kamen über 5000 Menschen. Sie forderten von Polizei und Justiz, den Todesfall des Asylbewerbers aus Sierra Leone, der vor 13 Jahren in einer Polizeizelle verbrannte, endlich aufzuklären. Aufgerufen hatte die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“. Die Reihe der traditionellen Gedenkdemonstrationen, die im Jahr 2005 nach dem Feuertod Jallohs mit etwa 200 Menschen begann, erreichte mit der diesjährigen Veranstaltung ihren bisherigen Höhepunkt.
Die völkisch-nationalistische und zunehmende rassistische AfD rief zu einer Gegendemo auf und konnte nach Angaben von BeobachterInnen etwa 150 TeilnehmerInnen zu ihrer Versammlung mobilisieren. Diese Versammlung wurde nach Angaben von Mouctar Bah von zwei Polizisten angemeldet (siehe Video unten). Die Polizei war mit einer starken Mannschaft vor Ort und hielt sich bis zur Abschlusskundgebung zurück.
Alltagsrassismus in Behörden
An einer Gedenkveranstaltung an Oury Jalloh am Vormittag vor dem Dessauer Polizeirevier nahmen etwa 60 Menschen teil. Auch VertreterInnen der Linken in Sachsen-Anhalt waren anwesend. „Mir ist es sehr wichtig, dass der Fall Oury Jalloh endlich aufgeklärt wird“, sagte Birke Bull-Bischoff, Bundestagsabgeordnete der Linken. Sie wolle dem Schweigen etwas entgegen setzen, damit im Fall des verbrannten Asylbewerbers nichts mehr vertuscht und keine Halbwahrheiten mehr erzählt werden, betonte sie. Man habe in Deutschland mit Alltagsrassismus in Behörden wie die Polizei zu tun. Es sei daher wichtig darauf hinzuweisen, betonte Bull-Bischoff weiter.
Verweigerte Aufklärung im Falle Oury Jalloh ein Skandal
Die Bevölkerung solle alles daran setzen, dass sich der Rassismus in der Gesellschaft nicht breitmachen kann, sagte sie. Es sei notwendig, als Vertreter des Landtags an der Oury-Jalloh-Gedenkveranstaltung teilzunehmen, erklärte Wulf Gallert (Linke), Vizepräsident des Landtags in Sachsen-Anhalt. Es sei eine Katastrophe, dass der Fall Oury Jalloh nach 13 Jahren noch nicht aufgeklärt ist. Dies habe ein Teil der Polizei und Justiz vereitelt, so Gallert weiter. Henriette Quade, Landtagsabgeordnete der Linken, forderte in einem Video-Statement ebenfalls eine baldige Aufklärung des Falls Oury Jalloh.
Ein Sprecher des multikulturellen Zentrums Dessau schilderte zunächst die Fluchtgeschichte von Oury Jalloh und seiner Familie. Er prangerte ebenfalls das Verhalten der Polizei und der Justiz an. Es sei ein Skandal, dass Polizeibeamte sich absprachen und koordiniert logen, deutsche Staatsanwaltschaften und Gerichte das jedoch nur feststellen konnten, dem Geschehen jedoch machtlos gegenüber standen. Der Fall Oury Jalloh sei kein Einzelfall, erklärte eine Sprecherin des Dessauer Flüchtlingsrats. Auch sie kritisierte den Alltagsrassismus gegenüber Flüchtlingen. Es folgte eine Schweigeminute und eine Kranz- und Blumenniederlegung vor dem Gedenkbild von Oury Jalloh.
Oury Jalloh: „Das war Mord“
Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ ist davon überzeugt, dass sich der an Händen und Füßen gefesselte Flüchtling nicht selbst getötet haben kann. Er sei ermordet worden. Nach 13 Jahren Schweigen wollten der Sprecher der Initiative Mouctar Bah und seine Mitstreiterinnen mit der Gedenkendemonstration erneut an den Asylsuchenden aus Sierra Leone erinnern und gleichzeitig den Druck auf Justiz und Polizei erhöhen, seinen Tod endlich aufzuklären.
Schon früh am Morgen hatten sich DemonstrantInnen in Zug und Bus auf nach Dessau gemacht. Es waren AntifaschistInnen, AntirassistInnen und UnterstützerInnen der „Initiative in Gedenken an Oury“ aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. Ein Zug aus Berlin mit rund 700 DemonstrantInnen kam gegen 14 Uhr am Hauptbahnhof an, wo bereits Hunderte auf dem Vorplatz versammelt waren.
„Wir warten seit 13 Jahren auf Gerechtigkeit“
Bei der Auftaktkundgebung, die von Musik begleitet wurde, kritisierte Mouctar Bah die Stadt Dessau auf schärfste. Als er und seine Freunde damals eine Aufklärung des Todesfalls forderten, seien sie von der Polizei eingeschüchtert, zusammengeschlagen und diskreditiert worden. Er bedankte sich bei den TeilnehmerInnen für ihre Solidarität.
„Wir warten seit 13 Jahren auf Gerechtigkeit“, sagte Mamadou Saliou Jalloh, der Bruder Oury Jallohs. Er war zu der Demonstration aus Guinea anreist. „Oury Jalloh wurde getötet“, rief er und betonte, dass es Aufklärung und Gerechtigkeit in dem Todesfall seines Bruders geben werde. Daraufhin skandierten die TeilnehmerInnen Sprechchöre wie „Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten“ oder „Oury Jalloh, das war Mord“.
Lautstarker Demozug in der Innenstadt
Der Demonstrationszug setze sich mit tausenden TeilnehmerInnen vom Hauptbahnhof in Richtung Innenstadt in Bewegung. Sie trugen Plakate, Fahnen und Transparente mit antifaschistischen und antirassistischen Botschaften. „In Gedenken an Oury Jalloh – Von deutschen Polizisten ermordet – vom Staat vertuscht“ war auf dem Fronttransparent zu lesen. Unterwegs zum Sitz der Dessauer Staatsanwaltschaft riefen die DemonstrantInnen wütend und laut „Oury Jalloh, das war Mord – Oury Jalloh, das war Mord“.
Bei einer Zwischenkundgebung vor dem Sitz der Staatsanwaltschaft in der Ruststraße 5 machte ein Redner deutlich, dass bei dem Brand kein Feuerzeug in der Zelle Jallohs gewesen sein kann. Mamadou Saliou Jalloh leerte einen Karton voller Feuerzeuge vor dem Eingang der Staatsanwaltschaft als Zeichen des Protests gegen die Ermittlungsbehörde aus. Danach zog die Demonstration zum Landgericht, wo es eine Zwischenkundgebung gab. Es wurde auch Roberto Adrianos gedacht. Er war in der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 2000 im Dessauer Stadtpark von Neonazis zusammengeschlagen worden und starb drei Tage später.
Protest vor dem Dessauer Polizeirevier
Im Süden der Stadt protestierten einige DemoteilnehmerInnen lautstark gegen die Kundgebung der AfD, die bereit um 16 Uhr beendet wurde. Es gab Rangeleien und Böllerwürfe. Darauhin lief der Zug zur Friedensglocke. Der Höhepunkt der diesjährige Gedenkdemo an Oury Jalloh war die Abschlusskundgebung vor dem Polizeirevier, in dem der Geflüchtete verbrannte.
Dort kochten die Emotionen der TeilnehmerInnen hoch. Sie riefen lautstark und wütend „Oury Jalloh, das war Mord – Mörder, Mörder“. Die RednerInnen machten noch einmal deutlich, dass Oury Jalloh von Polizisten getötet worden sei, und forderten eine rasche Aufklärung des Tods eines Menschen, der von einem besseren Leben träumte und auf einer Polizeidienststelle verbrannte.
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