Von unseren ReporterInnen – Berlin. „Wir müssen es schaffen, als linke Partei stärker zu werden, auch die sozialdemokratische Klientel anzusprechen. Und wir sind die wirkliche sozial-ökologische Partei in diesem Land.“ Das betonte der Bundesvorsitzende der Linken Bernd Riexinger am Freitagabend, 12. Januar, in der Kulturbrauerei in Berlin. Das Sondierungsergebnis der Großen Koalition wurde an dem Abend scharf kritisiert.
Zum Jahresauftakt der Linken im Palais waren Anhänger und Mitglieder der Partei aus Bund und Ländern gekommen, dazu Presseleute. Doch bei dem Empfang des Parteivorstands fehlten viele Abgeordnete. Mit Dietmar Bartsch war nur die eine Hälfte der Spitze der Bundestagsfraktion erschienen. Das Jahresauftakt-Wochenende der Linken ist von Nervosität geprägt.
- Andrej Hunko (links) und Tobias Pflüger
- Dietmar Bartsch, Vorsitzender der Linksfraktion
Am Sonntag, 14. Januar, ist nicht nur die traditionelle Demonstration zur Erinnerung an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zur Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Friedhof in Friedrichsfelde geplant. Am Nachmittag lädt die Bundestagsfraktion der Linken auch zum Jahresauftakt ins Berliner Kino Kosmos ein. Die Feier wird seit Jahren vom intern umstrittenen Dieter Dehm organisiert, Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine und Dietmar Bartsch werden erwartet, nicht hingegen Bernd Riexinger und Katja Kipping.
Unter anderem spricht dort der französische Linkspolitiker und frühere Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélanchon. Das birgt insofern Brisanz, als Oskar Lafontaine eine „linke Sammlungsbewegung“ aus Teilen der Linken, der SPD und der Grünen nach französischen Vorbild vorgeschlagen hat. In einem am Samstag im neuen „Spiegel“ veröffentlichten, aber in den Grundzügen schon am Freitagabend bekannten Interview legte Sahra Wagenknecht nach und forderte eine neue „linke Volkspartei“.
.
Plädoyer für bewegungsorientiere Linke
Sie rief vor allem SPD-Mitglieder zum Mitmachen auf. Wenn man gemeinsam etwas Neues angehe, sei die Hürde vielleicht geringer, als wenn man sie einfach auffordere, in die Linke zu kommen, wird Wagenknecht vom „Spiegel“ zitiert. Eine solche Sammlungsbewegung könne aber nur funktionieren, wenn „prominente Persönlichkeiten“ mitmachten. Solche Persönlichkeiten präsentierte sie jedoch bisher nicht.
Neben dem Vorstoß der Fraktionsvorsitzenden prägten zwei weitere Ereignisse Stimmung, Gespräche und Reden am Freitagabend beim Jahresauftakt der Partei: ein am selben Tag vorgelegtes, gegen Lafontaines Vorstoß gerichtetes Positionspapier „Solidarität ist unteilbar. Für eine bewegungsorientierte Linke“ mit dem Appell an die verschiedenen Bündnisse, Strömungen und Gliederungen der Linken, ihrer Rolle der Partei als „zentrale linke Sammlungsbewegung in Deutschland“ gerecht zu werden.
- Petra Pau (links), Christine Buchholz und Xaver Merk
- Dietmar Bartsch (mitte)
- Tobias Pflüger (mitte)
„Das Soziale bleibt Alleinstellungsmerkmal“
Zu den Erstunterzeichnern gehören neben dem stellvertretenden Parteivorsitzenden und Freiburger Abgeordneten Tobias Pflüger auch seine baden-württembergischen Bundestagskollegen Gökay Akbulut (Mannheim) und Michel Brandt (Karlsruhe), ebenso die frühere Abgeordnete Karin Binder (ebenfalls Karlsruhe) und Dieter Spöri (Freiburg). Ebenfalls prägend war der Abschluss der Sondierungsgespräche für eine Große Koalition. Deren Ergebnisse sind in einem 28-seitigen, aus – durchaus gemeinsamer – Sicht der Linken höchst enttäuschenden Papier festgehalten.
- Michel Brandt – Archivbild
- Gökay Akbulut
- Dirk Spöri – Archivbild
„Das Soziale bleibt unser Alleinstellungsmerkmal“, schloss Bundesgeschäftsführer Harald Wolf aus dem Sondierungsergebnis, als er den Jahresauftakt in der Kulturbrauerei eröffnete. Das Jahr 2017 sei für die Linke kein schlechtes gewesen. Sie habe ihr zweitbestes Bundestags-Wahlergebnis erzielt und 8000 neue Mitglieder gewonnen. 2018 stünden nun Landtagswahlen in Bayern und Hessen an, ebenso die Kommunalwahl in Schleswig-Holstein.
„An der Seite sozialer Bewegungen“
Bernd Riexinger hob hervor, dass vor allem junge Leute in die Partei eintraten: „Wir sind jetzt die jüngste Partei im Westen, und wer die Jugend hat, hat die Zukunft.“ Die Große Koalition habe „nichts Überraschendes geliefert“, was bei einer ausgemergelten CDU, einer ausgezehrten SPD und einem „Komödiantenstadl“ wie der CSU als Partnern auch kein Wunder sei.
Wichtige Probleme wie Rente, Altersarmut oder prekäre Arbeit seien weder gelöst noch auch nur ernsthaft angegangen worden. Es werde auch keine gerechtere Besteuerung geben, nur der Solidaritätsbeitrag gesenkt, was vor allem Besserverdienende entlaste. Das Geld werde für die Infrastruktur fehlen, und die Schere zwischen Arm und Reich werde weiter auseinandergehen.
Da die Zuzahlung für Medikamente nicht abgeschafft wird, werde es auch weiter keine echte Parität in der Krankenversicherung geben – und noch nicht einmal einen Einstieg in eine Bürgerversicherung. „Ich glaube nicht, dass die SPD-Basis damit zufriedenzustellen ist“, zeigte sich Riexinger überzeugt. Dagegen werde die Linke „weiter an der Seite der sozialen Bewegungen stehen“, kündigte er an. Und dafür sei sie gut gerüstet.
„Verbinden, nicht spalten“
Es sei nun „amtlich, wofür die SPD steht“, ergänzte Katja Kipping in ihrer kurzen Ansprache. Sollten die Sozialdemokraten je ambitionierte Ziele verfolgt haben, so hätten sie sich nun ins „Kleinklein“ herunterhandeln lassen. Das Papier der Großen Koalition sei „28 Seiten Ausdruck mangelnden Veränderungswillens“.
Dennoch gebe es „gerade kein fortschrittliches linkes Lager“, räumte Kipping ein. Veränderungen seien jedoch nur mit einer wirkungsmächtigen Linken möglich. „Verbinden, nicht spalten – nur so macht man die Linke stärker“, rief Katja Kipping – auch und vor allem an die eigene Partei gerichtet – in den Saal.
Die Band Gogh übernahm mit Olaf Mücke (Gitarre), Jens Saleh (Kontrabass), Gerhard Schiewe (Akkordeon/Gitarre) und Sängerin Polina Borissova die Bühne. Die Musiker machen Weltmusik. Sie spielten Gipsy-Swing oder Chansons, aber auch eigene Kompositionen, während die Gäste zum Büffet gingen und an den Stehtischen diskutierten. Ein eingespieltes Paar tanzte Tango und Walser. Am späteren Abend geriet die Musik zunehmend in den Mittelpunkt. Die Band musste mehrere Zugaben geben, ehe sie sich verabschieden konnte.
Weitere Bilder des Abends
- Gogh
- Olaf Mücke
- Polina Borissova
- Jens Saleh
- Gerhard Schiewe
- Riexinger, Janine Wissler, Sabine Leidig, Kipping und Heinz Bierbaum (v.l.n.r.)
- Katja Kipping
- Riexinger und Kipping
- Dietmar Bartsch
- Bernd Riexinger
- Bernd Riexinger
- Dietmar Bartsch (mitte)
- Xaver Merk
- Andrej Hunko
- Katja Kipping
- Heinz Bierbaum
- Petra Pau
- Sabine Leidig (links) und Martina Renner
- Cornelia Kerth
Folge uns!