Von unseren ReporterInnen – Stuttgart. Begleitet von deutlich mehr Einsatzkräften als eine ähnliche Demonstration tags zuvor zogen am späten Dienstagnachmittag, 23. Januar, mehrere hundert Menschen – überwiegend mit kurdischen Wurzeln – durch Stuttgarts Innenstadt. Sie protestierten gegen den Angriff der türkischen Armee auf den nordsyrischen Kanton Afrin und auf kurdische Gebiete im Nordirak. Die Polizei begleitete sie zum Teil im Spalier und hielt Verstärkung in der Hinterhand. Bei PassantInnen konnte aus diesem Grund leicht der Eindruck entstehen, dass hier „gefährliche Menschen“ auf der Straße sein müssen. Die TeilnehmerInnen ließen sich jedoch nicht provozieren – auch nicht durch die massive Abfilmerei der DemonstrantInnen durch Polieibeamte. Zwischenfälle gab es nicht, die Demonstration verlief absolut friedlich.
Nach Polizeiangaben beteiligten sich 250 Menschen an der Demonstration. Ihr Protest richtete sich auch gegen die Bundesregierung, die den völkerrechtswidrigen Übergriff der AKP-Regierung bisher nicht verurteilt und dem Nato-Partner erst vor kurzem weitere Rüstungslieferungen zugesagt hat. Das türkische Militär setzt in Nordsyrien auch Panzer aus deutscher Produktion ein.
Die Demonstration begann etwa eine Stunde später als angekündigt und ohne Auftaktkundgebung in der Lautenschlagerstraße. Sie führte durch die Theodor-Heuss-Straße zum Rotebühlplatz, wo es eine kurze Zwischenkundgebung gab, bei der eine Vertreterin der Organisation NAV-DEM sprach, die zu der Demonstration aufgerufen hatte (siehe „Nach Angriff auf Afrin wollen Kurden täglich protestieren„). Anschließend ging es am Rathaus vorbei zum Schlossplatz.
Dort wurden Reden auf Deutsch und Kurdisch gehalten. Unter anderem sprach Sven „Gonzo“ Fichtner als Sprecher der Linksjugend Solid (siehe seine Rede unten im Wortlaut). Er rief die Bundesregierung dazu auf, sofort zu handeln.
- Sven „Gonzo“ Fichtner, Linksjugend
- Kurdischer Redner
Die Stimmung war am Dienstag weniger kämpferisch als am Vortag. Die Polizei filmte erneut nahezu das gesamte Geschehen. Das begründete ein Mitglied des „Antikonfliktteams“ der Polizei uns gegenüber damit, dass sich DemonstrationsteilnehmerInnen vermummt hätten. Wir beobachteten allerdings lediglich, dass einige von ihnen ihre Transparente einige Zentimeter höher hoben, als sie sahen, dass sie gefilmt wurden. Ein weiterer Grund sei das Zeigen verbotener Symbole.
Immer wieder filmten PolizistInnen DemoteilnehmerInnen und zeigten ihre Aufnahmen dann anderen Beamten – möglicherweise um Beweise zu sammeln. Es gab aber keine Festnahmen.
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Die Rede von Sven „Gonzo“ Fichtner (Linksjugend Solid) im Wortlaut:
„Lasst uns die Stimmen erheben – Gegen die türkische Kriegspolitik
Der völkerrechtswidrige Angriff der Türkei auf unsere kurdischen Genossinnen und Genossen muss sofort gestoppt werden. Wir rufen die Bundesregierung auf hier sofort zu handeln.
Sigmar Gabriel Außenminister der SPD erzählt bei Waffenexporten liege ein schweres Gewicht auf die Menschenrechte – Ja Tonnen in Form von Leopard-Panzer!! Herr Gabriel das ist doch ein schlechter Witz!!! Sie reden von Menschenrechten, wir sagen das ist pure Kriegspolitik. Wir von der Linksjugend [‘solid] Stuttgart sagen ganz klar: Bei Waffenexporten spielen Menschenrechte nie eine Rolle weder eine leichte noch eine schwere, Waffenexporten müssen verboten werden. Die Frauen und Männer der kurdische YPG sind ein Bollwerk gegen den IS und müssen unterstützt und nicht bekämpft werden.
Dieser völkerrechtswidrige Krieg des NATO-Verbündeten Türkei gemeinsam mit ihren islamistischen Terrormilizen ist eine Schande. Es ist eine Schande, dass die Großmächte und die regionalen Einflussstaaten die Menschen in Afrin fallengelassen haben und es ist eine Schande, dass die Bundesregierung weiter einen türkischen Terroristen hofiert, der in seiner Sprache und seinen Handlungen jedes Maß verloren hat. In Afrin kommen deutsche Leopard-2-Panzer zum Einsatz
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel muss eines klar sein: Wenn Erdoğan die kurdische Enklave Afrin in Syrien zerstören sollte, dann droht ein weiterer Krieg in Syrien mit zahlreichen Menschenrechtsverbrechen
Wir fordern den sofortigen Stopp aller deutschen Rüstungsexporte in die Türkei.
Wir fordern einen Stopp aller Pläne, türkische Panzer mit Rheinmetall zu modernisieren.
Wir fordern, dass die Bundesregierung klar und unmissverständlich diesen Krieg verurteilt und jegliche Beihilfe auch über NATO-Strukturen einstellt.
Wir fordern den sofortigen Rückzug der türkischen Armee und aller ihrer islamistischen Söldnermilizen.
Syrien braucht Frieden und Demokratie. Die Kurdinnen und Kurden in Syrien brauchen Anerkennung und Solidarität – Unsere ist ihnen gewiss.
Hoch die internationale Solidarität.“
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