Heilbronn/Mannheim. Die Mannheimer Bundestagsabgeordnete der Linken Gökay Akbulut ist entsetzt über den Messerangriff auf Flüchtlinge in Heilbronn. Dass der Täter zunächst wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, ist für sie unverständlich. Inzwischen sehen auch die Ermittlungsbehörden den „dringenden Tatverdacht des Mordversuchs“, Flucht- und Wiederholungsgefahr, teilten sie am Mittwoch mit. Der 70-jährige Verdächtige ist jetzt in Haft.
„Eingefleischten Rassisten“ müsse man „die rote Karte zeigen“, fordert Gökay Akbulut, integrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag und Betreuungsabgeordnete für Heilbronn.
Das Bündnis „Netzwerk gegen Rechts Heilbronn“ sieht schon seit längeren eine rote Linie überschritten. Es ruft für Freitag, 23. Februar, zu einer Mahnwache gegen rechte Gewalt auf. Beginn ist um 18 Uhr auf den Heilbronner Marktplatz.
Ein 70-Jähriger hatte am vergangenen Wochenende vor der Kilianskirche in Heilbronn drei junge Flüchtlinge mit einem Messer angegriffen. Ein 17-Jähriger aus Afghanistan wurde dabei schwer verletzt. Ein Syrer und ein Iraker kamen mit leichten Verletzungen davon. Schon die ersten Erkenntnisse deuteten auf ein ausländerfeindliches Motiv für die Messerattacke hin. „Derzeit ist davon auszugehen, dass der Verdächtige mit seiner Aktion ein ‚Zeichen‘ gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik setzen wollte“, teilten die Behörden mit. Sie werteten die Tat jedoch zunächst nur „als ein Vergehen der gefährlichen Körperverletzung“, nicht als versuchtes Tötungsdelikt.
Erst am Mittwoch wendete sich nach Vernehmungen von Zeugen und der verletzten Opfer das Blatt. Es ergebe sich nun „der dringende Tatverdacht des Mordversuchs und der gefährlichen Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen“. Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei gehen „von einer politisch motivierten Tat gegen Personen ausländischer Herkunft“ aus.
Täter handelt aus rassistischen Motiven
Jetzt, einige Tage später, besteht wohl Gewissheit: Der Täter handelte aus rassistischen Motiven. Das Heilbronner Netzwerk gegen Rechts: „Seine Opfer haben nur eines gemeinsam: Sie kamen, um vor Krieg, Zerstörung und Armut in ihren Heimatländern zu fliehen. In Heilbronn suchten sie Schutz und neue Perspektiven. Vor der Kilianskirche, einem Heilbronner Wahrzeichen, fanden sie zumindest einen Treffpunkt mit freiem Internetzugang und guter Verkehrsanbindung. Jetzt ist es auch ein Ort, an dem der Hass sichtbar wurde.“
Nur durch Glück sei bei der Attacke kein Mensch gestorben, so ein Sprecher des Bündnisses „Netzwerk gegen Rechts Heilbronn“. Und weiter: „Der Angriff hat uns in seiner Brutalität überrumpelt. Völlig überraschend kommt er nicht. Die Stimmungsmache gegen Geflüchtete hat in den vergangenen Monaten und Wochen an Fahrt aufgenommen. Rechte Hetzer versuchen, Ängste zu schüren, Begriffe zu besetzen und Sicherheitsdebatten zu beeinflussen. Beflügelt von den Erfolgen rechtsextremer Parteien in ganz Europa wollen sie auch hier vor Ort ihr rückwärtsgewandtes, autoritäres und nationalistisches Weltbild als Alternative darstellen. Sie säen den Hass, der sich in Angriffen auf Geflüchtete niederschlägt.“
Rote Linie überschritten
Die Befürchtung, dass die „neuen Rechten“ in Teilen der Gesellschaft auf Verständnis und Zustimmung stoßen könnten, haben die Heilbronner schon länger. „Unsere Sorgen dürfen uns aber nicht lähmen. Wir müssen entschlossen für eine Stadt einstehen, in der Rassismus und Hass keinen Platz haben. Den Schreihälsen von rechts, die mit den Ängsten der Menschen spielen, halten wir unsere Stimme der Solidarität und der Menschlichkeit entgegen. Wir stehen an der Seite der Angegriffenen und sagen gemeinsam: die rote Linie ist überschritten!“, so der Sprecher des Bündnisses „Netzwerk gegen Rechts Heilbronn“.
Die Politikerin Gökay Akbulut sieht in der Hetze von Rechtspopulisten eine der Ursachen für Überfälle wie in Heilbronn. „Rassismus ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Wir müssen ihm energisch entgegentreten, sonst wird er immer gefährlicher. Dazu kommt, dass die Bundesregierung die Kommunen bei der Versorgung der Flüchtlinge nicht ausreichend mit finanziellen Mitteln ausstattete. Ehrenamtliche Helfer haben viele Aufgaben übernommen und geraten zunehmend an die Grenzen des Leistbaren. Probleme, die nun vor Ort entstehen, sind nur in einer gemeinsamen Anstrengung aller politischen Ebenen zu lösen“, erklärte sie.
Akbulut fordert eine gute Einwanderungspolitik und eine Gesellschaft, die keinen zurücklässt – egal ob er neu oder schon länger im Land lebt. Dazu gehörten auch sozialer Wohnungsbau, eine gerechte Gesundheitspolitik, gut bezahlte Arbeit und eine gleichberechtigte Familienpolitik.
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