Nagold. Vergangene Woche berichtete der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg über den rechtswidrigen Versuch, eine serbische Roma-Familie aus Nagold abzuschieben (siehe Serbische Familie plötzlich nicht mehr geduldet. In der Nacht zu Montag gab es einen weiteren Versuch der Behörden, die Familie abzuholen, obwohl der Vater seit dem Wochenende auf der Intensivstation liegt. „Die Art und Weise, wie diese Familie, die sich ohnehin in einer absoluten Extremsituation befindet, gezielt ins Visier genommen und mit rechtswidrigen Maßnahmen regelrecht terrorisiert wird, ist an niederträchtiger Menschenfeindlichkeit kaum zu überbieten“, so der Landesflüchtlingsrat.
Nach dem Abschiebungsversuch vergangene Woche hatte der Rechtsanwalt der Familie nach Angaben des Flüchtlingsrats umgehend ein Schreiben an das Regierungspräsidium Karlsruhe gerichtet, auf die Rechtswidrigkeit der Aktion hingewiesen und aktuelle Atteste vorgelegt. Der Vater der Familie habe nach der versuchten Abschiebung erneut in die Psychiatrie eingeliefert werden müssen. Seit dem Wochenende liege er auf der Intensivstation.
Als das Regierungspräsidium mit Verweis auf die Abwesenheit der zuständigen Sachbearbeiterin vorerst keine Stellung nehmen wollte, hätten die Familie und ihre UnterstützerIinnen darauf vertraut, dass es zumindest solange nicht zu einem weiteren Abschiebungsversuch kommen würde, bis die Sachbearbeiterin zurückgekehrt sei und auf Eingaben des Anwalts reagiert habe. Dieser Glaube erwies sich allerdings als verfehlt.
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„Den Behörden ist scheinbar jedes Mittel Recht – selbst eine kurze Gnadenfrist von ein paar Tagen, um die Sachlage zu klären, ist offenbar zu viel verlangt“, so der Landesflüchtlingsrat. Er fordert das Regierungspräsidium Karlsruhe auf, „endlich zu einem rechtskonformen Umgang mit dieser Familie überzugehen und das offenkundig bestehende Abschiebungshindernis – wer auf der Intensivstation liegt, kann doch nicht als reisefähig gelten – anzuerkennen“, so Seán McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg.
Mittlerweile habe sich herausgestellt, dass das Regierungspräsidium bereits im November eine Stellungnahme zur Reisefähigkeit des Vaters der Familie angefordert hat – ohne ihn oder seinen Anwalt zu informieren. So hatten diese keine Gelegenheit, zur angeblichen Reisefähigkeit Stellung zu nehmen oder neue Atteste vorzulegen.
„Es gibt einen weit verbreiteten Irrglauben, dass es kinderleicht sei, sich mit fadenscheinigen Gründen ein gesundheitsbedingtes Abschiebungshindernis bescheinigen zu lassen. Teile der Medien – erst vor wenigen Wochen die Badischen Neuesten Nachrichten – holen diese abgestandene alte Verschwörungstheorie mit verlässlicher Regelmäßigkeit durch tendenziöse Berichterstattung immer wieder aus der Mottenkiste und befeuern somit die Stimmungsmache, die wiederum dazu führt, dass die Politik auf Grundlage dieses Irrglaubens die Gesetze umschreibt“, kritisiert Seán McGinley. Und weiter: „Wir sehen anhand dieses Falles, wie es in Sachen Attestierung von Reiseunfähigkeit tatsächlich abläuft. Wenn die Praxis in diesem Fall Schule macht, sind die letzten Überbleibsel des Abschiebungsschutzes für Schwerkranke weg, weil sie jederzeit damit rechnen müssen, dass die Behörden hinter ihrem Rücken Atteste anfordern, die eine Abschiebung legitimieren.“
Bei Radio Dreyeckland kann man ein Interview mit der Mutter der Familie nachhören.
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