Von Sandy Uhl – Heidenheim. „Rassismus ist keine Alternative“ – unter diesem Motto demonstrierte am Samstag, 17. März, in Heidenheim ein Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien und anderen Organisationen gegen den baden-württembergischen AfD-Landesparteitag. Die Polizei, nach eigenen Angaben mit über 100 Beamten vor Ort, riegelte das Gelände rund um den Austragungsort am Congress Centrum mit einem Großaufgebot ab. Eine Person wurde vorübergehend festgesetzt.
Die Proteste starteten mit einer Demonstration am Konzerthaus in Heidenheim. Trotz der kalten Witterung beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter rund 800 Menschen, somit deutlich mehr als die 300 erwarteten. Die TeilnehmerInnen zogen in einem bunten und lautstarken Demonstrationszug durch die Innenstadt in Richtung Congress Centrum. Pyrotechnik untermalte den kämpferischen Charakter des Protests. Mit Parolen wie „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“ oder „Nazis gibt’s in dieser Stadt, bildet Banden macht sie platt“ unterstützten die TeilnehmerInnen ihre Aussage, dass es in Heidenheim kein Platz für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gebe.
Auflagen stoßen auf Unverständnis
Teile der Auflagen für den Demonstrationszug stießen nicht nur bei den TeilnehmerInnen sondern auch bei den Veranstaltern auf Unverständnis. So wurden unter anderem Seitentransparente und das Rennen während der Demonstration untersagt. Die Polizei stoppte die Demonstration mehrfach. Über Lautsprecher forderte sie die TeilnehmerInnen auf, keine Transparente zu verknoten. Sie wies auch darauf hin, dass das Zünden von Pyrotechnik verboten sei.
Teilnehmer des Landesparteitags provozieren
Gegen 10 Uhr erreichte die Demonstration den Kundgebungsort direkt vor dem Congress Centrum. Die Polizei sicherte das Gelände rund um den Tagungsort der AfD mit einem Großaufgebot und Absperrgittern. Eine auf dem Dach des Gebäudes installierte Kamera war direkt auf den Kundgebungsort der Gegendemonstration gerichtet. Die rechtliche Grundlage dazu wird das Geheimnis der Beamten bleiben. Nach gängiger Rechtsprechung ist das Filmen von DemonstrantInnen nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen zulässig.
Mehrere DemonstrantInnen stellten sich mit Transparenten entlang der Absperrungen auf. Teilnehmer des AfD-Landesparteitags provozierten, indem sie versuchten, durch die Menge der DemonstrantInnen zum Congress Centrum zu gelangen. Mehrere DemonstrantInnen berichteten, dass die AfDler sie dabei angerempelt hätten. Die Polizei griff erst nach Protest der KundgebungsteilnehmerInnen ein.
Ein AfD-Anhänger, der sich bereits auf dem Tagungsgelände befand, bewegte sich unvermittelt auf die Menschen an den Absperrgittern zu – wohl um sie zu fotografieren oder zu filmen. Auch hier schritt die Polizei nicht ein. Vielmehr entriss ein Polizist bei der Aktion einem Demonstranten nach dessen Angaben seine Fahne. .
Kundgebung mit imposantem Programm
Mit 10 Redebeiträgen und Auftritten von 14 Live-Bands hatten die Veranstalter ein umfangreiches Programm für die Kundgebung geplant. Moderator Volker Spellenberg, DGB-Kreisvorsitzender von Heidenheim und Vorsitzender des GEW-Kreises Ostwürttemberg, überbrachte Grußworte der Band „Revolverheld“, des Liedermachers Konstantin Wecker und von Sascha, dem Sänger von „Boss Hoss“. Eines der musikalischen Highlights war der Auftritt von NoRMAHl, der „ältesten Punkband Deutschlands“.
AfD – „Partei des verrohten Wutbürgertums“
Die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Gabriele Frenzer-Wolf kritisierte, dass sich die Grenze Sagbaren immer weiter nach rechts verschiebe – nicht nur bei Politikern, sondern auch bei KollegInnen, Freunden und in Vereinsheimen. Dem müsse etwas entgegengesetzt werden. Man müsse zeigen, dass es eine stille, aber starke Mehrheit gebe, die mit Rassismus und Ausgrenzung nicht einverstanden sei. Man dürfe nicht schweigen.
Frenzer-Wolf thematisierte auch das frauenfeindliche Weltbild der AfD. Sie bekräftigte, dass Feminismus – der weltweite Kampf für Gleichberechtigung von Frauen – nur international und antirassistisch sein könne. Für Frenzer-Wolf ist die AfD keine Alternative, sondern „die Partei des verrohten Wutbürgertums“. Das einzig Konkrete im Parteiprogramm der AfD sei die Verachtung für Geflüchtete und für alle, die nicht der Vorstellung der Partei einer Volksgemeinschaft entsprächen.
Neofaschistisches und rechtsradikales Gedankengut
Ilse Kestin, Landessprecherin des VVN-BdA, bezeichnete es als „gesellschaftspolitisches Versäumnis und eine Schande“, dass Wahlerfolge wie die der AfD nicht verhindert werden könnten. Die AfD repräsentiere im Kern ein „neofaschistisches und rechtsradikales Gedankengut“, so Kestin. Ihre Protagonisten seien Höcke, Poggenburg und Gauland. Sie meldeten sich immer wieder mit fremdenfeindlichen Äußerungen und Hetze zu Wort. Die Frauen in der Partei gäben, so Kestin, wie ihre Vorfahren im Dritten Reich die „besseren Flintenweiber“ ab. Sie erinnerte daran, dass Beatrix von Storch an der Grenze zu Deutschland auf Geflüchtete, auch auf Frauen und Kinder, schießen lassen wollte.
Unter den weiteren Rednerinnen und Rednern waren auch Margit Stumpp, Königsbronner Bundestagsabgeordnete der Grünen, und der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Andreas Stoch aus Heidenheim.
Spontandemonstration in der Innenstadt
Gegen 12.15 Uhr bildete sich in der Heidenheimer Innenstadt eine Spontandemonstration mit knapp 100 TeilnehmerInnen. Sie löste sich nach 20 Minuten auf. Einige TeilnehmerInnen machten sich danach auf den Weg zum Polizeirevier in der Schnaitheimer Straße und protestierten dort gegen die Festsetzung eines Demonstranten. Ihm wird nach eigenen Angaben ein „Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz“ vorgeworfen. Er soll bei der Demonstration am Morgen laut Polizei eine Nebelkerze, eine so genannte „Rauchbombe“, gezündet haben. Ihn erwarte jetzt eine Anzeige.
In der Nacht zuvor hatten Unbekannte nach Polizeiangaben in Schnaitheim die Fassade eines Hauses mit Farbe beschmiert und auf einem Auto mit Lack politische Parolen hinterlassen. Die ermittelnde Kriminalpolizei schätze den Schaden auf rund 5000 Euro.
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