Von Franziska Stier – Basel. Das Parlament des Kantons Basel-Stadt verabschiedete am Mittwoch, 11. April, eine Resolution an den Bundesrat gegen die türkische Offensive in Afrin. Die letzte verabschiedete Resolution des Parlaments in Basel liegt zwei Jahre zurück.
Mit 72 zu 11 Stimmen war die Resolution nach einem umfassenden Streichungsantrag breit abgestützt. Der Schweizer Bundesrat ist nun gefordert, „sich für den Respekt gegenüber dem internationalen humanitären Völkerrecht, im Speziellen gegenüber der Zivilbevölkerung und den Flüchtlingen, beziehungsweise den Vertriebenen dieser Region“ einzusetzen und dies von der Türkei einzufordern, heißt es in der Resolution.
Sibel Arslan, Nationalrätin von BastA!/Grüne und Außenpolitikerin, welche die Debatte mitverfolgt hat, sieht darin einen symbolischen, aber wichtigen Schritt. „Seit dem 20. Januar herrscht Krieg, und die Weltgemeinschaft schweigt dazu. Alle friedenspolitisch Aktiven sind nun gefordert, zu handeln und ihre Regierungen zur Stellungnahme zu bewegen.“
- Sibel Arslan, Nationalrätin BastA!/Grüne – Archivbild
- Beatrice Messerli, BastA! – Archivbild
Beatrice Messerli (BastA!), Initiantin der Resolution, bedauert, dass wesentliche und konkrete Forderungen wie ein striktes Verbot von Kriegsmaterial aus der Resolution gestrichen wurden. Sie zeigt sich aber erfreut darüber, dass der Große Rat einen friedenspolitischen Grundkonsens mitträgt.
Neben der Fraktion Bündnis Grüne BastA! wurde die Resolution auch von der Sozialdemokratie (SP Basel-Stadt) getragen, überdies von zwei Sprecherinnen der EVP/CVP und einem Sprecher der LDP wesentlich unterstützt.
Politische Konsequenzen bleiben vernebelt
Allerdings wurden aus dem ursprünglichen Entwurf konkrete Handlungsaufforderungen gestrichen – so etwa, diplomatische Konsequenzen zu prüfen und die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit der Türkei bis zu einem Truppenabzug aus Syrien auszusetzen. Das schwächte die Resolution inhaltlich stark ab. Doch der Grundtenor, völkerrechtswidrige Angriffe zu verurteilen, stand für die IniantInnen in einer Zeit des politischen Schweigens im Vordergrund.
Ein kleiner Erfolg
Seit dem 20. Januar, dem Einmarsch der Türkei in Syrien, tragen viele politische Gruppen in Basel zur Sensibilisierung für die Situation bei. Mit Demonstrationen, Mahnwachen, Blockaden, Diskussionsveranstaltungen und Kulturprogrammen treten sie für einen Friedensprozess und das Selbstbestimmungsrecht der Völker ein. Viele ihrer Forderungen sind nun kein linkes Spartenthema mehr. Die Dringlichkeit ist auch den politischen Akteuren der „Mitte-Parteien“ bewusst geworden. Lediglich die Fraktionsmitglieder der rechtspopulistischen SVP stimmten mehrheitlich gegen die Resolution.
Am Montag, 16. April veröffentlichten zudem 13 NGOs und zwei Parteien einen Appell und fordern den Bundesrat auf, die laufenden Verhandlungen des Freihandelsabkommens mit der Türkei auszusetzen. Sie sollen erst dann wieder aufgenommen werden, wenn die türkische Regierung alle politischen Gefangenen freigelassen hat, die Medien und NGOs wieder uneingeschränkt arbeiten können und die völkerrechtswidrige Aggression in Syrien eingestellt worden ist.
Die Resolution des Parlaments des Kantons Basel-Stadt im Wortlaut:
„Resolution gegen die türkische Offensive in Afrin, Syrien
Der Grosse Rat des Kantons-Basel-Stadt verlangt den Respekt der Genfer Konventionen. Der Bundesrat muss reagieren!
Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt ist äusserst besorgt über die Nichtrespektierung der fundamentalen Prinzipien der Genfer Konventionen seit der Bombardierung der kurdischen Bevölkerung im Distrikt Afrin im Norden Syriens.
Seit dem 20. Januar dieses Jahres wurde die Stadt Afrin von der türkischen Armee bombardiert und schliesslich eingenommen. Bodentruppen, unterstützt von verschiedenen jihadistischen Gruppierungen, versuchen nun den ganzen Distrikt Afrin im Norden Syriens unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Bombardements forderten bis anhin Hunderte zivile Opfer. Hunderttausende Menschen im umkämpften Gebiet sind auf der Flucht (FN: Mitte März waren es gemäss der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte über 280 zivile Opfer, darunter viele Kinder. Mehr als 250’000 Menschen seien aus Afrin geflohen). Afrin darf kein neues Kobane werden.
Die syrischen Kurden haben, zusammen mit ihren arabischen Alliierten, dem Islamischen Staat im Irak und der Levante in Kobane und Raqqa widerstanden und ihn besiegt. Dieser Sieg wurde von der ganzen Welt einstimmig begrüsst. Erdogans Armee bombardiert nun genau die Kurden, die vorher von der Völkergemeinschaft gelobt und international unterstützt wurden!
Im Norden Syriens, einer Region, welche eine zentrale Bedeutung für die geopolitische Konfrontation Saudi-Arabiens mit dem Iran und deren Alliierten hat, ist der Versuch der kurdischen Zivilgesellschaft eine politisch demokratische, die Frauenrechte respektierende, multikonfessionelle und ökologische Alternative zu bieten, ein grosser Hoffnungsschimmer für die gesamte Region.
Die internationale Gemeinschaft kann und darf die Augen nicht verschliessen und die Bevölkerung im Norden Syriens ihrem Schicksal überlassen.
Die Schweiz als Depositärstaat der Genfer Konventionen und als Gastgeber des Europäischen Sitzes der Vereinten Nationen, der den UN-Menschenrechtsrat sowie das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte beherbergt, darf dieser militärischen Invasion, den schwerwiegenden Verletzungen der Menschenrechte, des humanitären Völkerrechts und der inakzeptablen Einmischung der türkischen Armee nicht schweigend zusehen:
Wir verlangen vom Bundesrat, dass er sich für den Respekt gegenüber dem internationalen humanitären Völkerrecht, im Speziellen gegenüber der Zivilbevölkerung und den Flüchtlingen, beziehungsweise den Vertriebenen dieser Region einsetzt und dies von der Türkei einfordert.
Resolutionen benötigen ein Zweitdrittelmehr. Die letzte Resolution war im März 2016 verabschiedet worden. Der Grosse Rat forderte damals vom Regierungsrat, sich für die sofortige Abschaltung des AKW Fessenheim einzusetzen.“
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