Von Alfred Denzinger – München. Vor dem bayerischen Innenministerium versammelten sich am Donnerstagabend, 24. Mai, rund 400 Menschen, um gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG) zu protestieren. Sie legten symbolisch das Grundgesetz der BRD vor dem Innenministerium nieder. Das Gesetz trat am 25. Mai, also am folgenden Tag, in Kraft. Die CSU hat es trotz großen Protests mit ihrer absoluten Mehrheit im Landtag verabschiedet.
Das Bündnis NoPAG kündigte weiteren massiven Protest auf der Straße an. Mehrere Parteien und Organisationen haben bereits gegen das Gesetz beim Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht – weitere wollen folgen.
Laura von Attac München und Simon von „Mehr Demokratie“ übernahmen die Moderation. Laura erinnerte an die Demonstration am 10. Mai in München (wir berichteten), an der über 40 000 Menschen den Protest auf die Straße trugen. Sie gab Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, Recht: Für ihn war die Großdemonstration eine „Meisterfeier für den Rechtsstaat“. Die CSU hatte JournalistInnen, die über das Gesetzgebungsvorhaben berichteten, der Lügenpropaganda bezichtigt.
Das bayerische Wackersdorf-Gefühl
„In Bayern wächst das Wackersdorf-Gefühl“, stimmte Laura einem Zeitungsartikel der Süddeutschen Zeitung zu. Die CSU solle sich darin erinnern, was das zu bedeuten habe: „Wir erheben unsere Stimme, und wir werden weiter unsere Stimme erheben, bis dieses unsägliche Gesetz – und das vom August 2017 (Anmerkung der Redaktion: Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz) – zurückgenommen wird und wir in einer Gesellschaft leben, in der die Menschen- und BürgerInnenrechte geehrt und beachtet werden.“
Simon von „Mehr Demokratie“ versprach der Landesregierung, dass man weiter massiv auf die Straße gehen werde. Das neue PAG sei klar verfassungswidrig. „Wir werden die CSU bis in den Oktober begleiten“, kündigte Simon an. Im Oktober sind in Bayern Landtagswahlen. „Wir sagen ganz eindeutig Nein zum neuen Polizeiaufgabengesetz“, lautete seine Schlussfolgerung.
„Lasst uns alle Gefährderinnen und Gefährder werden!“
Veronika Feicht sprach für das Jugendbündnis NoPAG und die Jugend des BUND Naturschutz. Sie betonte, dass man sich auch in Zukunft mit politischem Engagement nicht verstecken wolle, weshalb man das PAG entschieden ablehne. Dieses Gesetz ziele bewusst darauf, gesellschaftlich und politisch engagierte Menschen – gerade junge Menschen – abzuschrecken. Diese Strategie werde nicht aufgehen: „Wir lassen uns nicht den Mund verbieten – lasst uns alle Gefährderinnen und Gefährder werden!“ Sie forderte die CSU dazu auf damit aufzuhören, die Grundrechte zu bedrohen.
„Mitkommen, sie sitzen die nächsten drei Tage bei uns im Bau“
Martin vom Bündnis „Ende Gelände“ trug sehr anschaulich vor, wohin das PAG führen dürfte. Die Umweltschutzorganisation organisiert unter anderem „Aktionstrainings“. In Rosenheim sei bei solch einem Training „etwas Krasses passiert“. Das Training sei von einem Polizeihubschrauber aus gefilmt worden. Eine halbe Stunde später habe die Polizei das Aktionstraining gestürmt und die Personalien aller Teilnehmerinnen aufgenommen.
Etwa drei Wochen hätten alle Kontrollierten eine sogenannte Meldeauflage erhalten. In ihr wurde untersagt, zwei Wochen später nach Köln zu fahren, um dort gegen die AfD zu protestieren. Das Aktionstraining habe zwar nichts mit den Protesten gegen die AfD zu tun gehabt, aber die Polizei habe darin „irgendeine Gefahr gesehen“. Man sei gerichtlich gegen die Meldeauflage vorgegangen – und habe gewonnen. Die Auflage wurde zurückgenommen.
Was aber wäre passiert, wenn es das neue PAG schon gegeben hätte? „Vielleicht hätten sie gesagt, das wäre eine drohende Gefahr.“ Möglicherweise wäre die Polizei morgens vor seiner Haustüre gestanden und hätte gesagt, „so mitkommen, Sie sitzen die nächsten drei Tage bei uns im Bau, und dann schauen wir hinterher, was die Richter dazu sagen“. Damit so etwas nicht passieren könne, „müssen sie dieses Scheißgesetz zurücknehmen“.
Abbau des Rechtsstaates und der Demokratie
Für die Linkspartei sprach Ates Guerpinar. Er empfahl dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann, das Grundgesetz und die bayerische Verfassung zu lesen. „Er wird es nicht lesen. Wenn er es lesen würde, würde er es nicht verstehen“, befürchtete Guerpinar jedoch. Diesen Ausführungen widersprach Jörg Jovi von der Partei MUT ganz entschieden. Joachim Herrmann habe das Grundgesetz gelesen und verstehe es auch – aber „er mag nicht, was er gelesen hat – das ist sein Problem“. Das PAG bedeute einen klaren Abbau des Rechtsstaates und der Demokratie. Die CSU habe das Grundgesetz verstanden, „aber sie verteidigt es nicht mehr“.
Norbert Hoffman, FDP, verdeutlichte, dass man nicht nur gegen das PAG auf die Straße gehe, sondern auch „gegen die Ignoranz und der Arroganz der Staatsregierung und der CSU“. Sie müssten mit weiterem Widerstand rechnen: „Wir werden nicht zulassen, dass dieses Thema bis zum Wahltag versandet“. Man werde „auf allen Ebenen gegen dieses Gesetz vorgehen“.
Die Kundgebung war von Florian Ritter angemeldet worden. Der SPD-Landtagsabgeordnete betonte, das PAG sei nicht für die Sicherheit der Bevölkerung gemacht worden, sondern greife in die Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen ein. Die Bundesrepublik sei so sicher wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Man gebe nicht klein bei, „nicht im Landtag, nicht in der demokratischen Debatte, nicht auf der Straße und nicht vor dem Verfassungsgericht“.
Freiheit stirbt scheibchenweise
Aus Sicht der Landtagsabgeordneten der Grünen Katharina Schulze verschiebt die CSU mit dem PAG die Sicherheitsarchitektur. Die Polizei bekomme immer mehr geheimdienstliche Befugnisse. Deswegen sei man hier – man wolle diese Änderungen nicht. Man wolle in Bayern keine Regierung, die verfassungswidrige Gesetze verabschiedet, führte sie weiter aus. Sie versprach den Anwesenden: „Wir werden weiter auf die Straße gehen, denn Ihr wisst ja, Freiheit stirbt bekanntermaßen scheibchenweise und das, das lassen wir nicht zu.“
Als Vertreter der Piratenpartei erinnerte Thomas Mayer daran, dass die CSU vor 69 Jahren nicht für das Grundgesetz gestimmt habe. Unabhängig davon gelte es jedoch auch für sie. Das PAG tangiere eine ganze Reihe von Grundrechten, so zum Beispiel das Postgeheimnis und die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Video
Weitere Bilder des Tages
Folge uns!