Von unserer Redaktion – Stuttgart. Bei einer AfD-Kundgebung am Samstag, 12. Mai, in Stuttgart-Feuerbach gab es Übergriffe rechter Demonstranten auf Vertreter der Medien. Politiker und die Journalistenorganisation dju in Verdi kritisieren die Öffentlichkeitsarbeit der Stuttgarter Polizei: Sie hatte den Übergriff in ihrem Pressebericht nicht erwähnt.
Die Journalistengewerkschaft dju und PolitikerInnen der SPD, der Grünen, der Linken und der Piratenpartei verurteilen die Angriffe und fordern einen ausreichenden Schutz für Pressevertreter. Angriffe auf Journalisten müssten in Polizeiberichten dokumentiert werden. Wer Berichterstatter schlägt, schlage die Pressefreiheit und die Demokratie, so die baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier.
Die Kundgebung der Jugendorganisation der AfD in Feuerbach richtete sich gegen den Bau einer Moschee. Es gab Protest. Als der AfD-Politiker Reimond Hoffmann vor dem Brunnen am Wilhelm-Geiger-Platz sprach, besprenkelten ihn Aktivisten mit Wasser. Während der Auseinandersetzung versuchten TeilnehmerInnen der AfD-Kundgebung Pressevertreter daran zu hindern, das Geschehen zu dokumentieren. Eine Frau mittleren Alters schlug untermittelt mit einem großen Plakat mehrfach auf die Kamera eines freien Fotografen ein, während er Aufnahmen machte.
Drei weitere rechtsgerichtete Angreifer versuchten zur selben Zeit, den Journalisten Andreas Scheffel, Redaktionsmitglied der Beobachter News, abzudrängen. Scheffel dokumentierte weiter das Geschehen mit seiner Kamera. Darauf schlug ein AfD-Anhänger dem Journalisten zunächst mit einem kurzen Hieb in die Bauchregion und anschließend mutwillig die Kamera aus der Hand. Diese fiel zu Boden. Scheffel erstatte sofort Anzeige. Die Polizei leitete Ermittlungen ein und nahm am Ende der Kundgebung von einem Angreifer die Personalien auf (wir berichteten).
Angriff auf Journalisten fehlt im Polizeibericht
In ihrer Pressemitteilung über die Kundgebung und den Protest erwähnte die Polizei Stuttgart den Angriff auf Scheffel nicht. Das begründete der zuständige Pressesprecher des Polizeipräsidiums Stuttgart, Stefan Keilbach, auf Nachfrage so: In der abschließenden Besprechung des Einsatzes habe man beschlossen, den Angriff auf den Journalisten nicht in die Pressemitteilung der Polizei aufzunehmen, ihn jedoch auf Nachfrage zu bestätigen.
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Journalistengewerkschaft kritisiert Stuttgarter Polizei
In einer Pressemitteilung kritisiert Siegfried Heim, Leiter des Verdi-Fachbereichs Medien Baden-Württemberg, die Stuttgarter Polizei: „Dass AfD-Anhänger einen Journalisten gewalttätig angreifen, gehört in den Polizeibericht.“
Im Namen der deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in Verdi forderte Heim die Polizei auf, Angriffe auf Reporter in den Polizeiberichten zu dokumentieren, damit die Gewalttätigkeit von AfD-Anhängern der Öffentlichkeit auch von offizieller Seite aus bekannt gemacht wird. Solche Angriffe zeigten, dass diese Partei einer freien Presse grundsätzlich feindlich gegenübersteht und Journalisten systematisch mit Gewalt bedroht.
Breymaier: „Das darf nicht zur Normalität gehören“
Auch PolitikerInnen von SPD, Grünen, der Linken und der Piratenpartei verurteilten die gewalttätigen Angriffe. Die Landesvorsitzende der SPD Baden-Württemberg, Leni Breymaier, erklärt dazu: „Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Ich will und werde es nicht als normal ansehen, wenn Journalisten oder Redakteure tätlich angegriffen werden. Wenn Dinge normal sind, kommen sie nicht im Polizeibericht vor. Wer Berichterstatter, Vertreter der Medien, Fotografinnen, Redakteurinnen schlägt, schlägt die Pressefreiheit, schlägt die Demokratie. Das darf so wenig zur Normalität gehören, wie es nicht akzeptabel ist.“
Alexander Maier, baden-württembergischer Landtagsabgeordneter der Grünen und stellv. Mitglied im Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus/NSU BW II“, verurteilt die Angriffe ebenfalls: „Medien müssen frei berichten können, um mit öffentlicher Kontrolle und Meinungsbildung ihren Beitrag für die liberale Demokratie leisten zu können.“
- Alex Maier, MdL Die Grünen
- Gökay Akbulut
Die Mannheimer Abgeordnete und Integrationspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Gökay Akbulut, erklärte: „Wenn Journalistinnen und Journalisten daran gehindert werden, über Demonstrationen frei zu berichten, dann haben wir ein Problem. Denn Pressefreiheit bedeutet nicht nur die freie Wahl der Themen, sondern auch, dass jedweder Versuch unterbunden wird, die Berichtenden von ihrer Tätigkeit abzuhalten. Ich erwarte also gespannt die Ergebnisse der polizeilichen Ermittlungen und welche Maßnahmen die Stuttgarter Polizei künftig ergreifen wird, um JournalistInnen vor rechten Übergriffen zu schützen.“
Der Vorsitzende des Landesverbandes Baden-Württemberg der Piratenpartei Michael Knödler fordert einen ausreichenden Schutz für Medienvertretern. „Die Pressefreiheit ist eine der wichtigsten Freiheitsrechte in Deutschland. Es ist auch Aufgabe der Polizei, Pressevertreter ausreichend zu schützen und bei gewaltsamen Eingriffen auf Pressevertreter einzuschreiten. Derartige Vorkommnisse dürfen nicht als Lappalie abgetan werden und müssen in Polizeiberichten und Polizeipressemeldungen erwähnt werden.“
Journalist beanstandet Pressemitteilung der Polizeibehörde
Auch Scheffel selbst kritisiert die Polizeimeldung. Aus seiner Sicht müssten solche Vorkommnisse in den Pressemitteilungen der Polizei Platz finden – gerade in einer Zeit, in der sich Journalisten vermehrt Angriffen rechter Aktivisten ausgesetzt sehen. Er fordert von den Behörden mehr Sensibilität. Redaktionen und Medienanstalten verließen sich auf die Meldungen der Behörden. Die Öffentlichkeit habe ein Recht, informiert zu sein, um sich eine Meinung bilden zu können. Zensur beginne, wenn die Öffentlichkeit nicht informiert wird, so Scheffel weiter.
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