Von unseren ReporterInnen – Bruchsal. In der Bruchsaler Innenstadt hatte die AfD am Samstag, 2. Juni, zur Kundgebung und Demonstration aufgerufen. Redner war der höchst umstrittene Björn Höcke. Der Rechtsaußenpartei stellte sich ein breites Bündnis entgegen, das – so die Polizei – rund 1300 Menschen auf die Straße brachte. Am Rand des Protests gegen den Vertreter des völkisch-nationalistischen Flügels der AfD gab es mehrere kleine Auseinandersetzungen zwischen Rechten, Linken und der Polizei. Die Polizei registrierte PressevertreterInnen. Die Rechtsgrundlage dafür konnte sie zunächst nicht benennen.
„Wir für Menschlichkeit“: So lautet der Name des bürgerlichen Bündnisses, das mit einer Menschenkette ein Zeichen gegen rechte Hetze und Menschenfeindlichkeit setzen wollte. Inmitten der Innenstadt nahmen rund 1300 Personen an ihr teil. Mit Plakaten und Luftballons bot sich ein buntes Bild. Um die extrem rechte Partei AfD zu beschützen, hatte die Polizei rund 800 PolizistInnen, zwei Wasserwerfer, acht Polizeipferde und sechs Polizeihunde im Einsatz.
- Menschenkette …
- … gegen rechte Hetze …
- … und Menschenfeindlichkeit
„Die AfD verbreitet rassistische Stimmung“
Nachdem gegen 13 Uhr die Menschenkette des Bündnisses „Wir für Menschlichkeit“ beendet war, begann die angemeldete Kundgebung der AntifaschistInnen und AfD-GegnerInnen. Eine Rednerin der Antifaschistischen Aktion Karlsruhe kritisierte die rassistische, sexistische und ausgrenzende Stimmung gegen Minderheiten, die von der AfD in der Gesellschaft verbreitet wird. „Wir erleben einen immer stärkeren Rechtsruck und Gewalt gegen Geflüchtete, MigrantInnen und Andersdenkende“, betonte sie und forderte die TeilnehmerInnen auf, sich stets der AfD entgegen zu stellen.
Ein Sprecher der VVN-BdA (Kreisvereinigung Karlsruhe) schilderte die Gründe, warum die AfD an Zustimmung gewinne. Sie forderte Politik und Gesellschaft auf, die extrem rechte Partei zu stoppen. Als eine Sprecherin der Grünen ihre Rede hielt, versuchten AfDler, auf dem Weg zu ihrem Veranstaltungsort durch die gegnerische Kundgebung zu marschieren, und provozierten dabei die GegnerInnen. Dies führte zu einer Auseinandersetzung zwischen AntifaschistInnen und AfD-Anhängern. Nachdem die Polizei die Lager getrennt hatte, begann der Protest gegen die Rechten an beiden angemeldeten Versammlungspunkten.
Nicht nur die rechte „Gewerkschaft“ Zentrum Automobil war unter den Höcke-Fans vertreten, auch Neonazis wie zum Beispiel der Mannheimer Stadtrat und NPD-Funktionär Christian Hehl und seine Gefolgschaft waren unter den rechten Demonstranten.
Protest in Hör- und Sichtweite der AfD
Umweit des Friedrichplatzes waren nach Polizeiangaben rund 480 AntifaschistInnen und andere BürgerInnen – unter ihnen auch mehrere AntifaschistInnen aus Karlsruhe und Stuttgart. Im Lauf der Zeit wollten immer mehr AfD-Anhänger auf dem Weg zu ihrem Kundgebungsort die Polizeiabsperrungen, an denen sich zahlreiche GegendemonstrantInnen aufhielten, passieren. Dabei kam es zu einigen kleinen Rangeleien, bei denen die Polizei fast tatenlos zuschaute.
Als ein Rechter eine halbe Stunde vor Beginn der AfD-Veranstaltung einmal mehr versuchte, sich mitten durch die AntifaschistInnen zu drängen, stellten sich ihm einige Personen in den Weg. Der Mann begann mit einem massiven Holz-Regenschirm um sich zu schlagen und traf dabei eine Person am Kopf.
- Rechter …
- … Schläger …
- … in Aktion
Massiver Pfefferspray-Einsatz der Polizei
Weitere Gegendemonstranten kamen hinzu und versuchten, den Rechten aufzuhalten, als die nur wenige Meter entfernt stehenden Polizisten massiv Pfefferspray in die Menschenmenge sprühten. Dabei verletzten sie mindestens zwei Personen. Im Eifer des Gefechts traf der Strahl des Pfeffersprays auch Beamte des Antikonfliktteams und einen Mitarbeiter der Beobachter News.
Der Angreifer wurde hinter die Absperrgitter der Polizei gezogen, blieb aber unbehelligt von der Polizei. Die angegriffene Person wurde später in Gewahrsam genommen. Nach einigen Minuten beruhigte sich die Lage wieder, und die Gegendemonstranten gingen dazu über, mit Parolen, Musik und Pfeifen die AfD-Kundgebung zu übertönen. Unterstützt wurden sie dabei von einer Trommler-Gruppe.
Die Polizei meldete zu einem weiteren Zwischenfall im Bereich der John-Bopp-Straße, die Teilnehmer der AfD-Versammlung seien von „Personen des linken Spektrums mit Plakaten und Bannern offenbar bedrängt“ worden. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand soll „eine Person des linken Spektrums ein Pfefferspray“ gezückt haben. Dieses soll ihm durch einen „AfD-Teilnehmer aus der Hand gerissen“ worden sein, „der damit um sich sprühte. Hierdurch wurden fünf Polizeibeamte, die zu der Auseinandersetzung hinzugerufen wurden, leicht verletzt.“ Diese Darstellung entspricht in Bezug auf das eingesetzte Pfefferspray durch eine Person des „linken Spektrums“ nicht unseren Beobachtungen.
Presse eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit?
JournalistInnen, die aus dem abgesperrtem Bereich der AfD-Veranstaltung berichten wollten, mussten Polizeibeamten ihren Presseausweis zeigen. Ein Beamter trug personenbezogene Daten der Journalisten auf einem eigens vorbereiteten Formular ein. Einige Journalisten fühlten sich an Szenen vom G 20-Gipfel im Juli letzten Jahres erinnert. Damals stellte das Bundespresseamt Journalisten unter Generalverdacht.
Der Chefredakteurs der Beobachter News und weitere Journalisten fragten nach dem Grund der Datenerhebung. Zunächst antwortete ein Beamter, er wisse nicht, warum er die Daten notieren müsse. Eine rechtliche Grundlage für die Maßnahme könne er nicht nennen. Der schreibende Beamte verwies daraufhin auf das baden-württembergische Polizeigesetz.
Unklare Rechtsgrundlage
Hierbei nannte der Beamte den „Paragrafen 26, Absätze 1, 2 oder 3″, die zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten und zur Abwehr einer Gefahr dienten. In diesem Paragrafen ist geregelt, wann die Polizei die Identität einer Person feststellen kann. Es soll damit „eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ abgewehrt „oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ beseitigt werden.
Die angegebene Rechtsgrundlage ist also ungeeignet, um für eine Rechtfertigung einer Datenerfassung von JournalistInnen herzuhalten. Offenbar wissen die eingesetzten Beamten nicht, ob ihr Tun auf einer rechtlichen Grundlage fußt – oder es ist ihnen zumindest gleichgültig.
Vorwürfe gegen Juristen und Sozialverbände
Ein Sprecher der Bruchsaler AfD eröffnete die Veranstaltung. Der AfD-Landtagsabgeordnete Rainer Balzer und der Landessprecher der baden-württembergischen AfD Ralf Özkara sprachen. Dann trat der Politiker aus Thüringen ans Rednerpult.
- Rainer Balzer
- Ralf Özkara
- Björn Höcke
Björn Höcke, der für den völkisch-nationalistischen Teil der AfD steht, trat in gewohnter Manier vor seinen SympathisantInnen auf. Er bekräftigte, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Der Politiker, der sich selbst als Analytiker darzustellen versucht, wünschte sich von den berichteten Medien eine „weniger subjektive Berichterstattung“.
Während er weitersprechen wollte, übertönten seine Sympathisanten ihn mit Zwischenrufen wie „Lügenpresse, Lügenpresse …“. In nationalistischem Stil unterstellte Höcke, dass sich Fachjuristen eine „Goldene Nase“ an MigrantInnen verdienten. Höcke griff Flüchtlingshelfer, Sozialverbände und Kirchen an. Es gehe um ein lukratives Geschäft, und sie wollten „nur noch mehr Nachschub“. Es gäbe in Deutschland „rechtsfrei Räume“, sagte Höcke, und nannte die Vorkommnisse in der Landeserstaufnahmestelle Ellwangen von Ende April als Beispiel (wir berichteten).
AfD-Anhänger setzt Pfefferspray ein
Als sich die AfD-Anhänger einige Zeit später zur Demonstration aufstellten und losliefen, folgten ihnen die AntifaschistInnen in einer Spontandemonstration. An zwei Stellen entlang der strikt abgesperrten Route setzten sie den Rechten ein lautstarkes Zeichen entgegen.
Gerade als die Spontandemo wieder am Kundgebungsort ankam, lief ein kleine Gruppe AfDler quer über den Platz in Richtung eines Parkhauses. Es kam zu einem kurzen Gerangel. Einer der AfD-Anhänger setzte Pfefferspray ein und traf damit Gegendemonstranten und mehrere Polizeibeamte.
Angriffsversuche von Neonazis
Nach der AfD-Veranstaltung kam es bei der Abreise der Rechten zu Provokationen einiger Neonazis aus einer Kneipe heraus. Mit Pöbeleien und Rufen wie „Nationaler Widerstand“ machten sie auf sich aufmerksam. Die AntifaschistInnen ließen sich jedoch nicht beirren und hielten sich mit einem Transparent auf Distanz.
Als Polizeibeamte hinzukamen und die Neonazis zurück in die Kneipe drängten, versuchte eine der Personen aus dem rechten Spektrum, einen Journalisten der Beobachter News anzugehen, was die Polizisten jedoch unterbanden. Die Polizei begleitete AntifaschistInnen, die in den Zug nach Karlsruhe stiegen, bis zum Aussteigen am Zielort.
Nach Polizeiangaben wurden insgesamt sieben Platzverweise ausgesprochen. Wegen Straftaten wie Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Verstößen gegen das Vermummungsverbot sollen zehn Personen, darunter eine Person aus dem rechten Spektrum, festgenommen worden sein. Alle Beschuldigten seien wieder auf freiem Fuß, müssten sich aber auf strafrechtliche Konsequenzen einstellen.
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