Von Anne Hilger – Leipzig. Die Linke darf sich „nicht auf die Verwaltung der Missstände und auf nationalstaatliche Verteilungskämpfe beschränken“. Mit dieser Forderung schloss Partei-Chef Bernd Riexinger am frühen Abend unter Standing Ovations seine Rede vor den Delegierten des Bundesparteitags der Linken, der am Freitagnachmittag, 8. Juni, im Leipziger Kongress-Zentrum CCL begonnen hatte: „Eine solidarische Welt, eine sozial gerechte Welt für alle Menschen ist möglich! Wir können hier keine Abstriche machen, dafür stehe ich.“
„Wir wollen uns gemeinsam aufstellen, um die Linke zu stärken, denn das ist dringend notwendig in dieser verrückten, gefährlichrn Zeit“, sagte Riexinger. Auf dem Parteitag der Linken werden zumindest unterschwellige Richtungskontroversen erwartet. Die Vorsitzenden Bernd Riexinger und Katja Kipping stehen für den im Parteiprogramm festgehaltenen internationalistischen Kurs legaler Fluchtwege und offener Grenzen, den der Bundesvorstand in seinem Leitantrag noch einmal bekräftigte.
Die Chefin der Bundestagsfraktion Sahra Wagenknecht hält diese Forderung für unrealistisch, setzt eher auf nationalstaatliche Lösungen und die Unterstützung von Flüchtlingen in ihren Herkunftsländern und deren Nachbarstaaten. Wagenknecht wendet sich im Lauf des Parteitags ebenfalls an die Delegierten. Sie propagiert angesichts des Rechtsrucks eine parteiübergreifende Sammlungsbewegung linker Kräfte.
Die Fraktions-Chefin hat jedoch zum Parteitag keine Anträge zur Unterstützung ihres Kurses eingereicht. Richtungsentscheidungen werden allenfalls auf dem Umweg über Personalien erwartet – etwa bei der Wahl der stellvertretenden Parteivorsitzenden oder des neuen Bundesgeschäftsführers. Es bewerben sich Jörg Schindler auf Vorschlag des Parteivorstands und Frank Tempel.
Wohnungsmangel und Pflegenotstand
Riexinger warb dafür, die Differenzen gemeinschaftlich zu klären. Er begann seine immer wieder von Beifall unterbrochene Rede mit Kritik an Donald Trump und der Bundesregierung, die sich den Forderungen der Nato beugen und den Rüstungsetat auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen will. Das von ihr unterstützte Bombardements Syriens sei völkerrechtswidrig gewesen.
Weitere Themen Riexingers waren die Ungleichheit, Wohnungspolitik, die Lage auf dem Arbeitsmarkt, der Pflegenotstand und der Ärzemangel auf dem Land. Er erinnerte an Wahl- und Regierungs-Erfolge der Linken, die einen starken Zuwachs besonders jüngerer Mitglieder verzeichnet.
„Alle oder keiner ist die linke Losung der Zeit“
Am Beispiel von Arbeitskämpfen machte Riexinger klar, dass sich Belegschaften nicht spalten lassen dürften, wie es die AfD immer wieder versuche. „Alle oder keiner. Das ist die linke Losung der Zeit. Eine Klasse, die sich dessen bewusst ist, braucht keine Sündenböcke“, sagte Riexinger unter begeistertem Applaus.
Die Linke sei „eine starke Mitgliederpartei mit einer starken Basis, die das Sagen hat“, spielte Riexinger auf das Konzept einer Sammlungsbewegung an: „Für dieses Konzept einer modernen sozialistischen Mitgliederpartei werde ich weiter persönlich eintreten, und ich werde dafür kämpfen wie ein Löwe“, kündigte der Partei-Chef an.
„Eine soziale Inititative für alle“
„In einer Zeit, in der gegen Flüchtlinge und Muslime gehetzt wird, muss es eine Partei geben, die nicht zuschaut wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken.“ Nach dieser Erklärung wurde Riexinger von tosendem Applaus unterbrochen. Er forderte den Stopp von Waffenexporten und eine gerechte Wirtschaftsordnung. „Wir streiten für eine soziale Initiative für alle“, stellte Riexinger klar: „Mit unserem Steuerkonzept wäre ein gutes Leben für alle möglich. Das ist keine Träumerei und kein Realitätsverlust. Das ist linke Politik. Wenn Menschen an den EU-Außengrenzen im Mittelmeer ertrinken, finden wir uns damit nicht ab.“
Ähnlich starken Applaus wie Riexinger erhielt der Berliner Vorsitzende Klaus Lederer, der sich ebenfalls gegen jede Spaltung wandte – auch gegen einen angeblichen Gegensatz zwischen Arbeiterschaft und urbanen Milieus. Zuvor sprachen die hessische Spitzenkandidatin Janine Wissler und zwei Sprecher der Linksjugend Solid. Die Generaldebatte wurde bis weit in den Abend hinein fortgesetzt. Insgesamt sind 580 Delegierte zum Parteitag der Linken eingeladen, davon 26 aus Baden-Württemberg.
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